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< Herausforderungen im deutschen Stromsektor
17.10.2013 15:15 Alter: 11 yrs

Zeit zu Handeln

Die letzten Jahre waren für die gesamte Energiewirtschaft von Orientierungslosigkeit geprägt und die Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Handeln der Unternehmen wurden Monat für Monat schlechter.


Mit Markt hatte die Energiepolitik der letzten Jahre nicht viel zu tun. Der Weg zu neuen marktlichen Strukturen ist für das Gelingen der Energiewende unabdingbar.

Ewald Woste, Vorsitzender des Vorstands der Thüga Aktiengesellschaft, zu vier zentralen Fragen, die Politik in der neuen Legislaturperiode beantworten muss.

Herr Woste, warum ist es für die Politik Zeit zu handeln?

Die vergangene Legislaturperiode war geprägt von weitreichenden energiewirtschaftlichen und -politischen Entwicklungen. Mit aller Macht kamen neue elementare Herausforderungen bezüglich der Gestaltung des Umbaus der Energieversorgung in den Fokus der energiepolitischen Debatte. Es wurden viele Fragen aufgeworfen und Konzepte entwickelt. Allen Akteuren ist klar geworden: die marktlichen Strukturen als Fundament einer soliden und verlässlichen Energiepolitik müssen angepasst werden. Entscheidungen stehen schon zu Beginn der kommenden Legislaturperiode an. Es geht um die Rückgewinnung von Planungssicherheit und Zuversicht in das Gelingen der Energiewende. Wer über die Energiewende und ein darauf ausgerichtetes Marktdesign nachdenkt, darf zentrale Fragen nicht ausblenden und muss Antworten darauf geben.  Von der neuen Bundesregierung wird erwartet, dass sie jetzt die unterschiedlichen Lösungsansätze bewertet und die Orientierungslosigkeit in der energiepolitischen Debatte beendet.

Können wir den Ausbaupfad der Erneuerbaren Energien besser steuern und kostengünstiger gestalten?

Das bisherige Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) hat seinen Job gut erledigt. Der Aufbau der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien ist gelungen, der weitere Ausbau muss aber effizienter und in Summe kostengünstiger werden. Wenn der Staat quasi treuhänderisch den Ausbau der EE-Erzeugungsstruktur steuert, dann ist er aus unserer Sicht gut beraten, dies im Rahmen eines wettbewerblichen Umfeldes zu organisieren.  Die EE-Branche ist zum Teil – ausgelöst durch eine kleinteilige Organisationsstruktur – durch viele Ineffizienzen und, gemessen am unternehmerischen Risiko, durch teilweise üppige Renditen in der Wertschöpfungskette geprägt. Wettbewerbliche Elemente und eine stärkere Erschließung von Skaleneffekten würden erhebliche Kostensenkungspotenziale heben.

Zu welchen Kosten sichern wir künftig in den rund 1.000 Stunden der „Dunklen Flaute“ die Versorgungssicherheit?

Gefragt ist ein Marktmodell, dem es gelingt, die Stromnachfrage in den Stunden ohne Sonne und ohne Wind ins Gleichgewicht mit dem dann möglichen Angebot an gesicherter Erzeugung zu bringen.. Dies kann z. B. durch Lastverschiebung oder den Einsatz von Speichern ermöglicht werden. Indem alle Alternativen im Wettbewerb stehen wird dies zu den geringsten Kosten erfolgen. Wenn es die Kunden in eine aktive Rolle versetzt, macht es diese nicht zu Gefangenen, sondern zu Gestaltern der Energiewende. Aus dieser Motivation heraus bevorzugt unsere Thüga-Unternehmensgruppe ein dezentrales, nachfrage-orientiertes Modell. In einem solchen Modell wirken viele wettbewerbliche Elemente, die ein staatlich organisierter und verantworteter Kapazitätsmarkt nicht abbilden kann. Zum Beispiel „make or buy“-Entscheidungen oder eine höhere Produktion, um in den 1.000 Stunden der „Dunklen Flaute“ aus dem Lager zu leben. Lagerkosten konkurrieren in diesem Moment mit den Kosten der Kraftwerksvorhaltung.  Wer glaubt, eine solche Kraftwerksvorhaltung nach dem Motto „wer bestellt, bezahlt“ würde die Industrie überfordern, der irrt. Nach diesem Prinzip organisieren viele Industrieunternehmen ihre Industrieparks, wenn sie über eigene Kraftwerke verfügen. Ich verweise auch auf die vielfältigen positiven Erfahrungen aus den abschaltbaren Verträgen in der Gasbranche oder auf saisonale Steuerungen wie Ziegelbrennereien im Sommerbetrieb.

Welche Rahmenbedingungen müssen gesetzt sein, damit Anbieter von gesicherter und ungesicherter Leistung sich in einem Marktmodell bewegen können?

Wir sollten die Elemente aus dem Energiemarkt 1.0. behalten, die sich bewährt haben und das ist im Wesentlichen die Kraftwerkseinsatzoptimierung über die Merit-Order. Diese führt dazu, dass immer nur die Kraftwerke mit den geringsten variablen Kosten eingesetzt werden, bis die Nachfrage gedeckt ist.  Aus unserer Sicht sollte dieser Marktplatz für Arbeit jedoch ergänzt werden um einen Marktplatz für gesicherte und ungesicherte Leistung. Während über die Nachfrage nach ungesicherter Leistung letztlich der Staat den beschlossenen Ausbaupfad der EE zeitlich und mengenmäßig bereits organisiert hat, sichern sich die Kunden die Versorgungssicherheit ab, die Sie in Anspruch nehmen wollen.  Solange der weit überwiegende Teil des Kraftwerkspark aus Kraftwerken bestand, die Strom gesichert rund um die Uhr erzeugt haben, war eine zusätzliche Absicherung nicht erforderlich. Die Absicherung der erzeugten Arbeit durch gesicherte Erzeugungsleistung ist erst dann notwendig, wenn ein immer größerer Teil der Stromerzeugung aus ungesicherten Quellen stammt.

Abschließend die Frage, gibt es einen Weg aus der Energiewende zurück?

Nein, einen Weg zurück gibt es nicht. Ein Kostenblock von rund 400 Mrd. Euro ist bereits eingebucht. Der bisherige Anteil der EE in der Erzeugung würde völlig ausreichen, um die nachhaltigen Effekte der Börsenpreissenkung zu sichern. Selbst wenn man jetzt den EE-Erzeugern die gesicherte Vergütung streicht, würden diese entsprechend ihrer variablen Kosten anbieten und wie zuvor beschrieben, die Merit-Order bestimmen. 

Wir müssen aufhören, diese Energiewende schlecht zu reden. Was uns fehlt, ist ein passendes langfristiges und stabiles Marktdesign. Daran müssen wir arbeiten. Wenn wir mit Industrieunternehmen über Strompreise diskutieren, gibt es von deren Seite vor allem eine Forderung: die Preise dürfen aus ihrer Sicht nicht weiter steigen! Beschreiben wir dann die langfristigen Vorteile der durch EE veränderten Kostenstruktur in Deutschland, die perspektivisch im Wesentlichen durch variable Kosten nahe Null bestimmt sein wird, dann zeigt sich großes Interesse an diesem Modell.  www.thuega.de