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19.10.2021 15:12 Alter: 3 yrs

Zähfließender Verkehr auf dem Weg zur Datenautobahn

Die WEMACOM Breitband GmbH aus Schwerin widmet sich seit ihrer Gründung im August 2016 dem geförderten Breitbandausbau. Der Weg zum schnellen Glasfasernetz für alle ist jedoch ein langer, steiniger und vor allem ein bürokratischer. Volker Buck, Geschäftsführer der WEMACOM, berichtet von den Herausforderungen beim Breitbandausbau und von den oft komplizierten Wegen, um ans Ziel zu kommen.


Volker Buck, Geschäftsführer WEMACOM Foto: Stephan Rudolph-Kramer

"Die WEMACOM hat aktuell den Zuschlag für den geförderten Breitbandausbau in insgesamt 38 Projektgebieten. Das führt dazu, dass wir rund 5.800 Kilometer Trassen bauen, 21.000 Kilometer LeerrohrverbundFlatliner in die Erde bringen, 25.000 Kilometer Glasfaserleitung einblasen und 4.200 Gehäusestandorte (Kabelverzweiger und Netzknotenpunkte) errichten müssen." Volker Buck

Was braucht der moderne Mensch zum Leben? Luft, Wasser, Strom … und schnelles Internet. Ein stabiler und schneller Zugang zum World Wide Web ist für viele Menschen im Alltag zu einer Notwendigkeit geworden und ein Breitbandanschluss zu einem unverzichtbaren Bestandteil moderner Daseinsvorsorge.

Ein Beispiel aus dem Alltag des geförderten Breitbandausbaus: Ein kleiner Bach, so flach, dass ein Mitarbeiter problemlos mit Gummistiefeln hindurchgehen kann, muss gequert werden. Er liegt auf einer Verbindungsstrecke zwischen zwei wichtigen Netzknotenpunkten. An jedem Netzknotenpunkt hängen tausende Haushalte, die aktuell mit weniger als 30 Mbit/s – zum Großteil aber mit gerade einmal 2 Mbit/s – surfen können. Sie alle warten händeringend auf schnelles Internet, denn Homeoffice oder Homeschooling sind mit den verfügbaren Geschwindigkeiten nur sehr eingeschränkt möglich, von Unterhaltungsmedien ganz zu schweigen.

Ende 2019 wurden die ersten Anträge zur Querung des kleinen Gewässers mit großer Bedeutung eingereicht – der Auftakt einer Papierschlacht. Genehmigungen werden erteilt, dann wieder nicht erteilt. Neben der Gemeinde müssen die Naturschutzbehörden, das Straßenbauamt, die Untere Wasserbehörde, Grundstückseigentümer und viele weitere Akteure einbezogen werden. Eine unklare Leitungsauskunft über eine ältere Gasleitung setzt allem die Krone auf.

Erst 1,5 Jahre später, im März 2021, kann die Baumaßnahme tatsächlich erfolgen. Sie dauert etwa einen halben Tag und verläuft problemlos. An diesem Beispiel zeigen sich drei große Probleme, die den Ausbau eines flächendeckendenden Glasfasernetzes nicht nur in unseren Projektgebieten, sondern in ganz Deutschland aufhalten. Für einen Großteil davon haben wir Lösungsansätze entwickelt. Der Rest liegt schlichtweg nicht in unserer Hand.

Weg aus dem Verwaltungs-Dschungel

Der eingangs geschilderte Genehmigungsprozess dauerte anderthalb Jahre. Das entspricht etwa zwei Drittel des Zeitraumes, der für die gesamte Fertigstellung eines knapp 2.000 Kilometer langen Glasfasernetzes mit mehr als 17.000 Hausanschlüssen anberaumt wurde. Aber denken wir doch noch ein bisschen größer, um ein Gefühl für die tatsächlichen Dimensionen des notwendigen „Genehmigungsmarathons“ zu bekommen. Nicht nur für jeden Meter Trasse, sondern auch für jeden Gehäusestandort müssen wir einen komplexen Genehmigungsprozess durchlaufen, bevor überhaupt der erste „Bagger rollt“. An den Genehmigungsverfahren sind allein in Westmecklenburg über 100 Gemeinden, 30 Amtsverwaltungen, 20 Fachdienste der Landkreise, vier Landes- und Bundesbehörden sowie eine Vielzahl von Trägern öffentlicher Belange (TöB) zu beteiligen und zu koordinieren.

Diese Genehmigungsträger haben von den Fördermillionen, die für den Breitbandausbau fließen, nur eines: sehr viel Arbeit. Gefördert wird der Ausbau selbst, nicht aber die Abwicklung. Mit denselben knappen Ressourcen – personell wie finanziell – und der gleichen technischen Ausstattung, die sie bereits vor dem Breitbandausbau hatten, müssen die Genehmigungsträger nun ein hochkomplexes Infrastrukturprojekt bearbeiten, das in Deutschland so noch nicht dagewesen ist. Es sollte offensichtlich sein, dass das so nicht funktionieren kann. Doch es passiert. Es kostet Zeit und geht zu Lasten derjenigen, die dieses Projekt auf schmalen Schultern vorantreiben müssen.

Digitale Antrags- und Genehmigungsverfahren sind gefragt

Begrenzte Ressourcen, Fachkräftemangel, fehlende technische Ausstattung und finanzielle Fragen in den Verwaltungsorganen sind Belange, auf die wir keinen Einfluss haben. Worauf wir als WEMACOM aber Einfluss nehmen konnten und genommen haben, ist, gemeinsam mit einzelnen Landkreisen, die komplexen, papiergebundenen Genehmigungsprozesse zu digitalisieren und zu optimieren. Sowohl mit dem Landkreis Nordwestmecklenburg, als auch mit dem Landkreis Ludwigslust-Parchim haben wir neue „digitale Antrags- und Genehmigungsverfahren“ entwickelt und erfolgreich implementiert. Wir konnten auf bereits vorhandene Geoportale der Landkreise aufsetzen und sie um die Fachschale „Genehmigungsverfahren Breitbandausbau“ erweitern.

Anstatt dass ein Genehmigungsantrag samt aller notwendigen Unterlangen auf dem Postweg von einem Genehmigungsträger zum nächsten weitergereicht wird, liegt er nun im webbasierten Portal, ist für alle Beteiligten gleichzeitig und transparent einsehbar und kann dort bearbeitet werden. Ein Ampelsystem visualisiert den Fortschritt im Genehmigungsprozess. Das ermöglicht nicht nur eine frühestmögliche Beteiligung der Genehmigungsträger und ein deutlich beschleunigtes Genehmigungsverfahren, sondern spart wortwörtlich Tonnen an Papier. Alleine im Landkreis LudwigslustParchim wären ohne die digitale Umsetzung rund zwei Tonnen Papiermüll produziert worden, von der eingesparten Zeit ganz zu schweigen.

Foto: WEMACOM/SKRmedia

Beim Breitbandausbau braucht es viel Sorgfalt und die Unterstützung von Experten.

So wird beispielsweise bei der unterirdischen Querung von Autobahnen, Bahntrassen oder Gewässern – wie hier der Wallensteingraben – durch Sondierung der Weg des Bohrkopfes exakt nachverfolgt und kontrolliert.

Bürokratischer Verwaltungsakt

Der Genehmigungsprozess ist geschafft, die Bagger rollen, alles ist gut …? Noch nicht ganz. Der Planungsund Genehmigungsaufwand vor dem eigentlichen Ausbau ist nur ein Teil des Verwaltungsaktes, den es beim Glasfaserausbau zu bewältigen gilt. Das Schlüsselwort lautet: Dokumentation. Immerhin geht es um Fördergelder und die müssen auf den Cent genau abgerechnet werden. Dafür braucht es Nachweise. Was wurde wann von wem in welcher Art gemacht?

Inzwischen hat die WEMACOM bereits 3.300 Kilometer Trassenbau über mehrere Teilprojekte realisiert und rund 10.000 Kunden in Betrieb genommen. Auf dem Weg dahin wurden nicht weniger als 25.000 Fotos (40 Gigabyte) von jedem einzelnen Schritt des Ausbaus georeferenziert erstellt, geprüft und in Datenbanken hinterlegt. Um nur einige Beispiele der beliebtesten Fotomotive zu nennen: Trassenabschnitte, Kreuzungen und Gehäusestandorte. Das und noch einiges mehr ist notwendig, um die bislang mehr als 300 Millionen Euro Fördermittel einwandfrei abzurechnen.

Frage nach Inbetriebnahmetermin

Auf der anderen Seite erhalten wir von unseren Kunden häufig die gleiche Nachfrage: „Mein Glasfaser-Hausanschluss ist seit Monaten fertig gebaut. Warum kann ich immer noch nicht surfen?“ Die Antwort liegt in der Komplexität des Bauprozesses. Und gleichzeitig steht bei der Koordinierung aller Baumaßnahmen die Einhaltung der mit unserem Auftraggeber vertraglich vereinbarten Meilensteine im Vordergrund – insbesondere natürlich der mit Sanktionen belegte Inbetriebnahmetermin.

Zu diesem Termin müssen Bilder, Protokolle, Messprotokoll und Schaltlisten angefertigt werden. Auch eine Einmessung der Hausanschlussleitung in die Lageund Netzpläne ist erforderlich. Erst wenn alle diese Schritte erfolgt und so auch in der Dokumentation hinterlegt sind, kann der Hausanschluss in die Anschaltung gehen – vorausgesetzt natürlich, alle vorgelagerten Netzkomponenten sind ebenfalls fertiggestellt und warten nicht noch auf Genehmigungen. Hochgerechnet auf die Vielzahl der Anschlüsse ergibt sich ein immenser Prüf- und Logistikaufwand, der bei den Kunden zu zermürbenden Wartezeiten und damit zu Frust führt.

Und hier schließt sich der Kreis zur anfänglichen Forderung nach Geduld und Verständnis. Wir verlangen unseren Kunden ein hohes Maß an Geduld ab. Viele haben Verständnis, andere nicht. Ein stetig steigender Erwartungsdruck trifft hier auf die begrenzte Kenntnis der komplexen Prozesse und der limitierenden Faktoren, die durch den Markt, die Verwaltung oder durch die Politik bestimmt werden. Manch einer möchte auch einfach nicht verstehen. Und nach hunderten von Bürgerveranstaltungen fehlen an einigen Stellen manchmal sowohl die Zeit als auch die Kraft, mehr als die zwingend notwendige Überzeugungsarbeit zu leisten.

Was es aus unserer Sicht braucht, ist eine konsistente Kommunikation und Aufklärung von offizieller Stelle. Es sollten klar und eindeutig die vertraglich festgelegten Termine kommuniziert werden und nicht Ideen und Wunschtermine, in denen sich diese vielen Hunderttausend Glasfaserkilometer einfach nicht bauen lassen. Es muss mehr Transparenz bezüglich der hohen Komplexität geschaffen und eine realistischere Zeitvorstellung vermittelt werden. Die Gigabitnetze können schnell entstehen, aber nicht über Nacht. Die Jahrzehnte des Nichtstuns wollen all unsere Partner und wir, egal ob eigenwirtschaftlich oder gefördert, so schnell wie möglich wieder aufholen, denn wir wissen, dass jeder Tag zählt. Was wir beim Breitbandausbau also vor allem brauchen, ist Geduld und Verständnis auf allen Seiten. Mit den Förder-Millionen können wir uns dieses nicht erkaufen.