Nachricht

< Versorgungssicherheit europäisch denken
27.10.2015 10:59 Alter: 9 yrs

Wie sieht die Zukunft der Stadtwerke aus?

Die Herausforderungen des deutschen Energiemarktes und Anforderungen der Eigentümer setzen Stadtwerke und kommunale Versorger unter erheblichen Druck. Die zukünftige Marktentwicklung ist noch nicht prognostizierbar, daher ist eine höhere Agilität einer der Schlüssel, um Unternehmen auf die kommenden Entwicklungen vorzubereiten.   In einem Gastbeitrag zeigt Nikolaus Graf Kerssenbrock, Partner und Leiter Strategy | Energy bei der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, wesentliche Herausforderungen für Stadtwerke auf.


Foto: Die Hoffotografen GmbH Berlin

Die Transformation der Energiewirtschaft ist sicher eines der wichtigsten Projekte in Deutschland. Wer treibt diese Entwicklung, welche Wirkung werden disruptive Technologien oder Ereignisse haben und welche innovativen Veränderungen werden den Markt nachhaltig prägen? Verbunden mit diesen Fragen stellen die aktuellen Themen in den unterschiedlichen Wertschöpfungsstufen, die Anforderungen der Eigentümer und insbesondere die Erfüllung ihrer Renditeziele Stadtwerke zunehmend vor größere Herausforderungen.

Die angespannte Situation der Stadtwerke spiegelt sich auch in den betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wider: So hat sich beispielsweise die EBITDA-Marge gemessen am Vertriebsvolumen bei Energieversorgungsunternehmen (EVU) mit hohem Erzeugungsanteil von 20 % in 2009 auf 14 % in 2015 reduziert, der Return on Capital Employed (RoCe) ist rückläufig, während sich die durchschnittliche Verbindlichkeitsquote stetig erhöht. Welches Fazit ist zu ziehen? Alte Geschäftsmodelle tragen nicht mehr.

KPMG-Studie: "CEO Outlook 2015“

Eine mögliche Orientierungshilfe zur strategischen Ausrichtung von Stadtwerken zeigt die neue KPMG-Studie "CEO Outlook 2015“. Danach sehen sich die CEOs in Deutschland branchenübergreifend mit wesentlichen Herausforderungen konfrontiert. Unter dem Motto „Transformation ist Chefsache“ erwarten 70 % der befragten Vorstände und Geschäftsführer weitreichende Veränderungen eigener Geschäftsmodelle. Eindeutige Prioritäten werden in Richtung Innovation und Operational Excellence (OE) gesetzt.

So hat für 57 % der Befragten die Nutzung von Innovationspotential höchste strategische Priorität und immerhin 68 % halten eine Steigerung der Effizienz für wichtiger als die Konzentration auf Wachstum.

Es zeigen sich aber auch unterschätzte Themen. Im Bereich Data & Analytics erachtet lediglich jeder zehnte eine stärkere Datenorientierung als kritische Herausforderung.

Nur 10 % sehen in der Implementierung disruptiver Technologien eine strategische Priorität für die nächsten drei Jahre. Und im Bereich IT-Security stufen nur 38 % der Befragten das eigene Unternehmen als vollständig gewappnet gegen Cyberangriffe ein. Trotz des demografischen Wandels gehen 67 % der deutschen CEOs für ihr spezifisches Geschäftsumfeld nicht von einem Fachkräftemangel aus.

Aktuelle Trends und neue Zukunftsmodelle

Anders als in den letzten Dekaden ist der deutsche Energiemarkt inzwischen von einer zunehmenden Anzahl an unterschiedlichen Trends geprägt. Vielfältige Veränderungen bergen Risiken, bieten jedoch auch viele Chancen. Vier sich aus den Trends ergebende Kernfragen haben nach unserer Auffassung besondere Relevanz für die Zukunft der Stadtwerke:

  1. Wie soll mit den konventionellen Kraftwerken umgegangen werden?
  2. Soll in regenerative Erzeugung investiert werden und wenn ja, wie?
  3. Wie können die energiepolitischen Vorgaben zum Thema "Energieeffizienz" gewinnbringend genutzt werden?
  4. Welche Chancen bietet das Trendthema "Digitalisierung"?

Einfluss disruptiver Ereignisse und Innovationen

Die Betrachtung der letzten Jahre zeigt, Innovationen und disruptive Ereignisse beeinflussen die Entwicklung des Energiemarktes maßgeblich. Gerade solche fundamentalen Geschehnisse sind schwer vorhersehbar und besitzen eine geringe Eintrittswahrscheinlichkeit, jedoch können sie bei Eintritt ganze Gesellschafts- und Wirtschaftsentwicklungen verändern (z. B.: 11. September 2001, doppelter Atomausstieg).

Innovationen dagegen basieren auf technologischem Fortschritt, können oft kurz- bis mittelfristig vorausgesehen werden und sind somit wesentlich berechenbarer. Deshalb unsere Anregung: Stadtwerke sollten sich auf disruptive Ereignisse vorbereiten und an Innovationen teilhaben.

Agilität und Geschäftsstrategie

Wenn es um die Zukunft der Stadtwerke geht, sollte das Thema „Agile Unternehmen“ zusätzlich stärker in die Betrachtung mit einbezogen werden. Diese Unternehmen zeichnen sich durch eine klar bestimmte Position zur Bewältigung zukünftiger Herausforderungen aus. Hierbei haben sich fünf bestimmende Prinzipien herausgebildet:

Zum ersten ist es die Ausrichtung auf stetige Innovation. Dies geht einher mit der Implementierung von Innovationsprozessen und einer entsprechenden Organisation. Charakteristisch für diesen Schritt ist die Identifikation von strategischen Optionen, der Abgleich mit der eigenen Ressourcenposition und die Führungskräfte werden vom Asset-Verwalter zum Innovationsmanager.

Das zweite Prinzip stellt die dynamische Planung dar. Die Entwicklung einer eigenen strategischen Planung und die Identifikation von Schlüsselvariablen für zukünftige Entwicklungen sind hier maßgebend. Eine laufende Überwachung und ggf. notwendige Anpassung der Geschäftsstrategie gehört zum Alltag der Unternehmensführung. Der pragmatische Leitansatz lautet:

„Strategien entwickeln und flexibel anpassen.“

Drittens besitzt das agile Unternehmen ein flaches und flexibles Steuerungsmodell. Dessen Implementierung ist die wesentliche Grundlage zur Beschleunigung der Entscheidungsfindung sowie -ausführung und eröffnet die Möglichkeit, die Reaktionsfähigkeit auf Veränderungen im gesamten Unternehmen signifikant zu erhöhen.

Kundenbezogenheit ist die vierte Charakteristik agiler Unternehmen. Dahinter steht eine stärkere Fokussierung auf die Kundenperspektive bei der Bewertung neuer Technologien, Produkte und Geschäftsmodelle. Kundenwünsche werden aktiv in die Entscheidungsprozesse mit eingebunden. Das Leitmotiv im Unternehmen lautet: “Den Kunden verstehen und mit ihm kommunizieren.“

Nicht zuletzt zählt als fünftes Prinzip die Fokussierung auf das eigene Humankapital. Die Entwicklung eines klaren Zielbildes vom Mitarbeiter der Zukunft, die Ermöglichung flexibler Karrierewege sowie eine Implementierung von intelligenten Anreizsystemen sind ein entscheidender Bestandteil der Unternehmensführung. Wenn sich die EVU nicht als Verwalter, sondern als Gestalter der Energiewende positionieren, kann man die "richtigen" Mitarbeiter halten und neu hinzugewinnen.

Die Gesamtbetrachtung zeigt, dass zukünftig erfolgreich agierende Stadtwerke Agilität zu einem zentralen Bestandteil ihrer Geschäftsstrategie machen sollten.

 

Welches Fazit lässt sich ziehen?

  • Die aktuellen Herausforderungen des Marktes und die Anforderungen der Eigentümer setzen Stadtwerke, insbesondere hinsichtlich der Erreichung ihrer Renditeziele, unter erheblichen Druck.
  • Der deutsche Energiemarkt ist aktuell von zahlreichen Trends geprägt, welche sowohl Chancen als auch Risiken mit sich bringen.
  • In naher Zukunft werden diejenigen Stadtwerke erfolgreich sein, die zur Bewältigung ihrer Herausforderungen die Möglichkeiten der aktuellen Trends erkennen und nutzen.
  • Die tatsächliche Entwicklung von Energiemarkt und Gesellschaft ist in hohem Maße von disruptiven Ereignissen und technischen Innovationen abhängig.
  • Stadtwerke sollten sich auf den Eintritt unterschiedlicher Szenarien vorbereiten und an technischen Entwicklungen teilhaben, indem sie Agilität zu einem zentralen Bestandteil ihrer Geschäftsstrategie machen.

www.kpmg.de