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06.07.2018 16:04 Alter: 6 yrs

Was jetzt politisch zu tun ist

Tempo braucht Mut, Tempo braucht Ideen, so die Botschaft des diesjährigen BDEW -Kongresses an die Energie-Community. Mut um neue Geschäftsmodelle zu wagen und andere Wege auszuprobieren – ob als Vorreiter oder mit Partnern.


Stefan Kapferer, Vorsitzender der Hauptgeschäftsführung des BDEW - Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. reflektiert wesentliche Aussagen des Kongresses 2018.

Foto: BDEW

Herr Kapferer, das Leitmotto des diesjährigen BDEW-Kongresses lautete „Tempo“. Ist die Geschwindigkeit der Energiewende Ihrer Meinung nach hoch genug?

Die Energiebranche hat in den letzten Jahren einen rasanten Transformationsprozess vollzogen und massiv in Erneuerbare Energien, Digitalisierung und Netzausbau investiert. Dieses hohe Tempo zahlt sich jetzt aus: Die Energiewirtschaft ist der einzige Sektor, der sich auf der Zielgeraden für die Klimaziele 2020 befindet. Was jetzt nicht geht, wäre noch eine Schippe drauf zu legen, um die Minderleistung anderer Sektoren aufzufangen. Die Unternehmen der Energiewirtschaft stehen für eine sichere Stromversorgung und erfüllen dabei die Klimaziele 2020 und 2030. Mehr Tempo an dieser Stelle geht nicht.

Sie haben kritisiert, dass die Energiewirtschaft ihren Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leistet, während andere Sektoren wie insbesondere der Verkehrsbereich hier massiven Nachholebedarf haben.

Wie kann auch im Mobilitätsbereich oder dem Wärmemarkt der Umbauprozess beschleunigt werden?

Die Energiewirtschaft unterliegt seit Jahren dem CO2-Handel. Ebenso müsste endlich auch der CO2-Ausstoß in den Bereichen Verkehr und Wärmemarkt ein Preisschild erhalten. Und wir benötigen eine steuerliche Förderung für Heizungsmodernisierungen. Alle Experten sind sich darin einig, dass dies das wirksamste Instrument wäre, um den Sanierungsstau im Heizungskeller aufzulösen und kosteneffizient CO2 einzusparen. Es ist deshalb verwunderlich, dass die steuerliche Förderung nicht im Bundeshaushalt 2018 enthalten ist. Hier muss die Bundesregierung schnellstens nachsteuern.

Was muss die Bundesregierung im Energiebereich anpacken?

Es gibt wichtige Baustellen, die die Bundesregierung schnellstmöglich anpacken sollte. Dazu gehören zentrale Fragen wie die Senkung des Strompreises durch Entlastung bei Steuern und Abgaben und die Schaffung eines Investitionsrahmens für die dringend benötigte gesicherte Leistung. Bisher ist nicht geklärt, wie ein Back-up für die schwankende Einspeisung aus Erneuerbaren Energien aussehen soll, wenn wir weitere Kohlekraftwerke vom Netz nehmen. Der Energy-Only-Markt setzt jedenfalls nicht die entsprechenden Investitionsanreize. Zudem hinkt der Netzausbau dem Zubau Erneuerbarer Energien deutlich hinterher. Hier ist die Politik gefordert, Überzeugungsarbeit vor Ort zu leisten.

Macht die Bundesregierung aus Ihrer Sicht bei der Energiewende genügend Tempo?

Die Unternehmen wollen die neue Energiewelt gestalten, sie wollen mehr in Erneuerbare Energien investieren, sie wollen zum Beispiel auch die umweltschonende Kraft-Wärme- Kopplung ausbauen, sie wollen Lösungen für die in Zukunft dringend notwendigen neuen Energiespeicher und Flexibilitätserfordernisse anbieten. Und das sind ja alles Punkte, die auf die Energiewende einzahlen. Nur: Dann muss die Politik die Unternehmen auch machen lassen. Stattdessen erleben wir an vielen Stellen, dass die Politik eher hemmt statt ermöglicht. Ein Beispiel ist die unsinnige Doppelbelastung von Energiespeichern bei den Netzentgelten, ein anderes die lange Phase der Planungsunsicherheit bei der KWK. Und beim Netzausbau ist die Politik auch auf Landesebene oftmals kein Ruhmesblatt.

Hat die Branche genügend Handlungsspielraum, um die Energiewende unternehmerisch umzusetzen?

Die Unternehmen brauchen mehr Spielraum. Es ist natürlich auch klar, dass gerade neue Entwicklungen, wie sie zum Beispiel mit der Digitalisierung verbunden sind, nicht unreguliert bleiben können – ich nenne nur das Stichwort Datenschutz. Aber die Politik hat schon die Aufgabe darauf zu achten, dass den Unternehmen noch Gestaltungsspielräume bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle bleiben. Dazu kommt das Problem der zum Teil überbordenden Bürokratie. Die Zahl der Melde- und Berichtspflichten hat unglaublich stark zugenommen. Statt neue Geschäftsmodelle entwickeln zu können, müssen sich die Energieunternehmen mit Formularen und bürokratischen Prozessen herumschlagen.

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Trends in der Energiebranche?

Was man in der Energiewirtschaft gut beobachten kann: Geschwindigkeit wird immer mehr zum Grundgefühl der Branche. Zentrale Entwicklungen im Rahmen der Energiewende kann man sich exponentiell vorstellen: den Durchbruch der Elektromobilität in den nächsten 10 Jahren, den Ausbau der Sektorkopplung, die Kopplung von Energie- und Datenflüssen oder auch die Durchdringung mit Technologien wie Blockchain. Neue Technologien und Geschäftsmodelle lösen Branchengrenzen zunehmend auf.

Die Energiewirtschaft ist im Umbruch, neue Wettbewerber drängen auf den Energiemarkt, die Digitalisierung wird auch Ihre Branche massiv verändern.

Sehen Sie die Energieversorger gut gerüstet?

Die Erfahrung zeigt, dass die Zukunft da liegt, wo es unseren Unternehmen gelingt, bestehende Geschäftsprozesse mit digitalen Dienstleistungen zu verknüpfen. Das macht ja den Mehrwert für die Konsumenten aus. Ich glaube nicht, dass es realistisch ist, dass ein klassisches Stadtwerk im angestammten Feld mit einem Start-up konkurriert, so wie es natürlich völlig unrealistisch ist, dass ein Start-up in der energiewirtschaftlichen Kompetenzsituation mit einem klassischen Energieversorger konkurriert. Sondern überall da, wo wir im Bereich Elektromobilität, Smart Home, Energieeffizienz die bestehenden geschäftlichen Elemente, die wir anbieten, mit digitaler Wertschöpfung aufwerten können, ist auch das Geschäftspotenzial gegeben.

Haben Wettbewerber, wie die Telekom oder Google, nicht viel größere Marktmacht?

Ich würde im Wettbewerb eher umgekehrt fragen: Was sind eigentlich die Stärken, die ich selber in die Waagschale werfen kann? Da ist als Startvorteil die Kundenbeziehung, das Vertrauen, das der Kunde in die Energieversorger hat. Hinzu kommen die Daten, die ich von meinen Kunden habe. Was für Geschäftsmodelle lassen sich, natürlich unter strikter Wahrung des Datenschutzes, darauf aufbauen? Big Data ist dabei das Stichwort, das man hier am stärksten in den Fokus nehmen muss.

Wie sind die deutschen Energieversorger inzwischen beim Thema Digitalisierung aufgestellt?

Viele der Mitgliedsunternehmen sind auf gutem Weg, sie gehen sehr gezielt Kooperationen ein, um die genannten Geschäftsmodelle entwickeln zu können. Ich glaube, dass vielen Unternehmen inzwischen klar ist, dass sie unter Digitalisierung mehr verstehen müssen als eine digitale Kundenschnittstelle. Sie haben auch verstanden, dass es wahrscheinlich nicht für jeden realistisch ist, sich einen Chief Digital Officer ins Haus zu holen, sondern dass es darauf ankommt, Kooperationen zu suchen.

Die BDEW-Blockchain-Studie zum Beispiel hat eine unglaubliche Nachfrage in unseren Mitgliedsunternehmen ausgelöst. Wir haben ein Tool, wo die Unternehmen ihren eigenen Digitalisierungsgrad messen und sich dann beraten lassen können. Das wird extrem gut angenommen. Auch Umfragen zeigen, dass die Zahl der Versorger ohne Digitalisierungsstrategie zurückgegangen ist.