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VKU Stadtwerkekongress: Weichen stellen, Zukunft sichern!
„Die Stadtwerke sind bereit für den weiteren ökologischen Umbau unserer Volkswirtschaft. Dieser Prozess muss aber finanzierbar und effizient gestaltet sein.“
Der VKU-Stadtwerkekongress 2025 in Mainz beleuchtet aktuelle energiepolitische Entwicklungen und ihre Folgen für die deutsche Stadtwerkelandschaft. THEMEN!magazin sprach im Vorfeld des Kongresses mit Dr. Ulf Kämpfer, Präsident des Verbandes der kommunalen Unternehmen (VKU) und Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Kiel, welche Signale die Branche von der Regierungskoalition in Berlin erwartet.
Herr Dr. Kämpfer, welches Leitmotiv steht über dem Stadtwerkekongress 2025?
„Verstehen. Verbinden. Vernetzen.“ Dieses Leitmotiv bringt unsere Zielsetzung treffend auf den Punkt. Wir wollen nicht nur über die großen Herausforderungen der Branche sprechen – wir wollen sie gemeinsam angehen. Seit über 25 Jahren ist der VKU-Stadtwerkekongress ein zentraler Treffpunkt für Entscheiderinnen und Entscheider der Kommunalwirtschaft. Auch in diesem Jahr stehen die drängenden Fragen im Fokus: Wie gelingt die Transformation? Und wie bleibt sie bezahlbar und effizient?
Was den Kongress besonders macht? Der Blick über den Tellerrand. Best Practices direkt aus der Praxis. Und natürlich: Hochkarätige Gäste, die den Austausch auf ein neues Level heben. Mainz wird damit wieder zum Seismographen der Branche.
Welche politischen Rahmenbedingungen sind für diese Transformation entscheidend?
Die Stadtwerke sind bereit für den weiteren ökologischen Umbau unserer Volkswirtschaft. Dieser Prozess muss aber finanzierbar und effizient gestaltet sein. Dazu haben wir bereits im Frühjahr klare Forderungen an die neue Bundesregierung formuliert.
Jetzt beobachten wir genau, welche politischen Weichen gestellt werden, insbesondere in der Wirtschafts- und Energiepolitik. Der VKU hat sich bisher mit vielen Wortmeldungen eingebracht.
Ein zentrales Thema ist die Wärmeversorgung der Zukunft. Welche Rolle spielen die Stadtwerke dabei?
Stadtwerke sind zentrale Akteure bei der kommunalen Wärmeplanung und beim Ausbau der Fernwärme. Letztere ist ein Schlüssel zur Wärmewende. Ohne sie wird es nicht gelingen. Die gesetzlichen Fristen stehen: Städte mit über 100.000 Einwohnern müssen bis Mitte 2026 einen Wärmeplan vorlegen, kleinere Gemeinden haben bis Mitte 2028 Zeit.
Doch ein Plan allein reicht nicht. Er muss auch umgesetzt werden. Dafür braucht es verlässliche Rahmenbedingungen: Finanzierung, Förderung und Planungssicherheit. Die Branche ist bereit, jetzt muss die Politik nachziehen.
Auch die Strompreise sind weiterhin ein viel diskutiertes Thema. Wie posi tioniert sich der VKU zur Entlastung bei den Netzentgelten?
Netzentgelte machen rund 30 Prozent der Stromkosten aus. Hier lässt sich also viel bewegen. Der aktuelle Gesetzentwurf greift jedoch zu kurz: Der Zuschuss soll lediglich die Übertragungsnetzkosten abfedern, wovon vor allem große Industriebetriebe profitieren. Mittelstand und private Haushalte profitieren deutlich weniger und bleiben teils sogar ganz außen vor. Das widerspricht dem Ziel des Koalitionsvertrags, alle zu entlasten.
Was schlägt der VKU konkret vor?
- Dr. Ulf Kämpfer (re.), Oberbürgermeister der Stadt Kiel und Präsident des VKU sowie Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des VKU bei ihrem Doppel- Impuls: JETZT MAL BUTTER BEI DIE FISCHE auf dem Stadtwerkekongress 2024: VORFAHRT FÜR INVESTITIONEN, MUT ZU VERLÄSSLICHEN RAHMENBEDINGUNGEN! - Foto: Jonathan Goepfert
Unser Vorschlag: Die Hälfte des 6,5-Milliarden-Zuschusses sollte in die sogenannten netzseitigen Umlagen fließen. Diese gelten bundesweit und betreffen Endkunden in der Niederspannung einheitlich. So käme die Entlastung auch direkt bei Schulen, Krankenhäusern, Handwerksbetrieben und Familien an. Das wäre nicht nur gerechter, sondern auch schnell und unkompliziert umsetzbar.
Der Entwurf zum Energie und Stromsteuergesetz sorgt ebenfalls für Diskussionen. Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Der neue Entwurf des Bundesfinanzministeriums bringt zwar einige Verbesserungen, so bei der Elektromobilität, hat aber ingesamt erhebliche Schwächen. Die Stromsteuer wird für die meisten Verbraucher nicht gesenkt, im Gegenteil. Bestehende Steuerbefreiungen, beispielsweise für Kläranlagenbetreiber, sollen entfallen. Besonders kritisch ist, dass Wärmeversorger sogar stärker belastet werden sollen. Das führt zu höheren Kosten und steht den Zielen der Energiewende entgegen, also gerade für diejenigen, die bereits viel leisten.
Warum?
Wärmeversorger gelten eigentlich als produzierende Unternehmen und sollten deshalb weniger Stromsteuer zahlen. Anders als andere Betriebe des produzierenden Gewerbes müssen sie aber zusätzlich nachweisen, dass auch ihre Kunden zur Industrie gehören – sonst gibt es keine Steuervergünstigung. Dieser Nachweis ist so aufwendig, dass viele Versorger ganz auf die Entlastung verzichten.
Wenn der Staat wirklich möchte, dass mehr Wärme mit Strom erzeugt wird, dann muss diese Hürde wegfallen. Stattdessen ist sogar geplant, eine bisher günstige Entscheidung des Bundesfinanzhofs für Wärmeversorger rückgängig zu machen. Das ist schwer nachvollziehbar und nicht akzeptabel.
Sie haben Kläranlagen erwähnt – was kommt da auf die Verbraucherinnen und Verbraucher zu?
Mit den neuen Steuerregeln könnte auch das Abwasser für viele Verbraucherinnen und Verbraucher deutlich teurer werden. Hintergrund dafür ist die EU-Kommunalabwasserrichtlinie, nach der rund 600 Kläranlagen mit einer vierten energieintensiven Reinigungsstufe umgerüstet werden müssen. Das erhöht den Stromverbrauch um bis zu 30 Prozent und damit auch die Kosten. Gleichzeitig sollen Steuererleichterungen für Klär-, Deponie- und Biogase gestrichen werden. Besonders betroffen sind größere Kläranlagen mit mehr als 2 Megawatt Leistung – also genau die, an die viele Haushalte und Betriebe angeschlossen sind.
Die Folge: deutlich höhere Abwassergebühren für Bürgerinnen, Bürger und die lokale Wirtschaft. In manchen Regionen vervierfacht sich die Steuerlast.
So darf das nicht kommen. Hier muss im Bundestag noch dringend nachgebessert werden.
Die Bundesnetzagentur hat Anfang September ihren Versorgungssicherheitsbericht veröffentlicht. Wie bewertet der VKU die Ergebnisse?
Der Bericht liefert wichtige Daten, um die Energiewende besser zu planen. Zudem benennt der Bericht die Herausforderungen klar. Was uns besonders Sorgen macht, ist die sogenannte Kraftwerkslücke. Der Bedarf an neuen Gaskraftwerken schwankt je nach Szenario erheblich. Das zeigt, wie viel Unsicherheit noch im System steckt. Und genau hier braucht es Tempo.
Erneuerbare Energien und Speicher allein werden nicht ausreichen. Wir brauchen flexible Gaskraftwerke und moderne KWK-Anlagen, die einspringen, wenn Wind und Sonne pausieren. Deshalb fordern wir: Das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz muss verlängert und reformiert werden. Und wir brauchen endlich Klarheit bei den Ausschreibungen für neue Gaskraftwerke.
Der Bericht zeigt auch: Der Netzausbau bleibt ein zentraler Hebel. Dafür müssen die Unternehmen finanziell handlungsfähig bleiben. Die Eigenkapitalbasis muss gestärkt werden – sonst stockt der Ausbau. Und mit Blick auf den sogenannten NEST-Prozess sagen wir ganz klar: Die Bundesnetzagentur sollte ihren eigenen Bericht ernst nehmen und ihre Pläne entsprechend anpassen.
Bleiben wir beim NEST-Prozess. Können Netzbetreiber mit den geplanten Regeln leben?
Die neuen Vorgaben haben es in sich. Künftig soll die Kapitalverzinsung für Netzbetreiber pauschal berechnet werden, egal ob es Eigen- oder Fremdkapital ist. Das klingt erstmal nach Bürokratieabbau, und ja, da sehen wir auch Chancen.
Doch wir warnen: Die bisherigen Zinssätze sind extrem niedrig. Das schwächt die Eigenkapitalbasis und damit die Investitionskraft der Netzbetreiber. Gerade kleinere Stadtwerke geraten hier schnell ins Hintertreffen. Unser Punkt ist klar: Regulierung darf nicht zur Investitionsbremse werden. Wer die Netze von morgen bauen soll, braucht Spielraum, und eine Kapitalverzinsung, die Investitionen nicht verhindert, sondern ermöglicht. Die Energiewende gelingt nur, wenn auch die Finanzierung stimmt.
Stadtwerke tragen Verantwortung für die Versorgungssicherheit. Wie bewerten Sie den neuen Entwurf zum KRITIS-Dachgesetz?
Er ist ein wichtiges Signal für den Bevölkerungsschutz und ergänzt die bestehenden Regelungen im Bereich Cybersicherheit. Allerdings braucht es dringend Nachbesserungen, damit das Gesetz in der Praxis wirkt und nicht in Bürokratie verpufft.
Beispielsweise sind die vorgesehenen Fristen für Betreiberpflichten aus unserer Sicht nicht praxistauglich, da sie unabhängig von staatlichen Risikoanalysen starten sollen. Diese müssten den Unternehmen jedoch rechtzeitig zur Verfügung stehen, damit sie ihre Maßnahmen sinnvoll planen können. Sonst droht Bürokratie statt echter Sicherheit.
Ebenso sollten Überschneidungen und Widersprüche zu bestehenden Gesetzen beseitigt werden, insbesondere zum NIS2-Umsetzungsgesetz. Nur so kann ein kohärenter Rechtsrahmen geschaffen werden, der Sicherheit stärkt, ohne Unternehmen mit Doppelregulierungen zu überlasten.
Abschließend die Frage, gelingt der Bundesregierung ein Bürokratieabbau?
Hier gilt wohl in Teilen das Prinzip Hoffnung. Ich will Ihnen ein aktuelles Beispiel nennen. Im Koalitionsvertrag hatte die Regierung versprochen, dass es keine bürokratische Übererfüllung bei der Umsetzung von EU-Recht geben soll. Und was passiert? Anfang September beschließt das Bundeskabinett einen Entwurf zur Nachhaltigkeitsberichterstattung – mit zusätzlichen nationalen Vorgaben, die über das EU-Recht hinausgehen. Spezielle Datenformate, nationale Sonderregeln: Das braucht es nicht. Der europäische Standard reicht völlig aus.
Was wir fordern: Eine klare, bundeseinheitliche Regelung im Handelsgesetzbuch. Kommunale Unternehmen dürfen nicht faktisch berichtspflichtig werden, wenn das europarechtlich gar nicht vorgesehen ist. Bürokratieabbau heißt eben auch: Nicht immer noch eins draufsetzen. Deutschland muss aufhören, Unternehmen ohne Not mit Mehraufwand zu belasten.