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15.02.2016 11:42 Alter: 8 yrs
Kategorie: Digitalisierung

Transformation durch Megatrends: Delphi – Der Blick in die Zukunft

Für die internationale Zukunftsstudie Delphi Energy Future 2040 - ein Gemeinschaftsprojekt des Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) und PricewaterhouseCoopers (PwC) wurden ca. 500 Energieexperten aus mehr als 40 Ländern aus der Wirtschaft, Wissenschaft und Politik befragt. Wesentliche Aussagen der Zukunftsstudie wurden von Dr. Norbert Schwieters, Global Energy Leader Energiewirtschaft bei PwC, auf der Handelsblatt Jahrestagung Energiewirtschaft 2016 in Berlin vorgestellt und werden im folgenden Gastbeitrag reflektiert.


Foto: Claudia Zurlo

Welche Entwicklungen in Technologie und Gesellschaft werden die Energiemärkte grundlegend verändern? Wird Deutschland langfristig von seiner Rolle als Energiewende-Pionier wirtschaftlich und politisch profitieren können? Wie verändern sich die Energiesysteme in Deutschland, Europa und der Welt bis zum Jahr 2040? Mit welchen Herausforderungen haben Energiesysteme in Zukunft zu rechnen? Wie können wir Lösungen für Probleme entwickeln, die erst in den nächsten drei Jahrzehnten auftreten? Diesen und anderen weitreichenden Fragen widmet sich Delphi Energy Future 2040 mit der übergreifenden Aussage, Energiewende als globales Phänomen zu sehen.

In Vorbereitung des Projektes wurden rund 170 Studien und Prognosen ausgewertet –sektorale Untersuchungen einzelner Branchen, Staaten oder Ressourcen, einzelne Trendanalysen, die aber jeweils nur Teilantworten boten. Die Partner haben sich deshalb das Ziel gesetzt, einen Sektor übergreifenden Blick zu entwickeln, Schnittstellen zu betrachten und Wechselwirkungen zu untersuchen. Nationale Debatten wurden international gespiegelt, technische Aspekte gesellschaftlich hinterfragt, politische Fragen ökonomisch weiter gedacht.

Transformation durch Megatrends

Eine Mehrheit der Befragten (über 60 Prozent) glaubt, dass sich die internationale Gemeinschaft bis 2040 auf verbindliche Ziele zur Reduktion von CO2-Emissionen geeinigt hat – und diese auch umsetzt. Zu den Treibern für einen effektiven Klimaschutz zählt die Studie den globalen Ausbau Erneuerbarer Energien. 80 Prozent sehen diese in Zukunft als die günstigste Variante zur Stromerzeugung.
Strom ist die Energie des 21. Jahrhunderts:
Realität geworden. Strom vor allem aus erneuerbaren Quellen sorgt auch für Mobilität und Wärme und hat Erdöl und Erdgas in vielen industriellen Prozessen ersetzt.

Die Mehrheit der Experten hält es für wahrscheinlich, dass Deutschland die internationale Systemführerschaft für das Management und die Technik eines vor allem auf Erneuerbare Energien aufgebauten Energiesystems haben wird. Zugleich sehen viele von ihnen China im Jahr 2040 als den weltgrößten Entwickler von Erneuerbaren Technologien. Demnach könnte sich zukünftig ein Wettbewerb um die Technologieführerschaft abzeichnen, auf den es sich heute schon vorzubereiten gilt.

In einem weiteren Punkt sind sich die Experten weitgehend einig:
Energiepolitik erfolgt integriert.
Europa wird in den nächsten beiden Jahrzehnten eine harmonisierte Energie-Innenpolitik und einen leistungsfähigen Energie- Binnenmarkt aufbauen, basierend auf einer hochleistungsfähigen grenzüberschreitenden Infrastruktur. Technisch ist Europa hocheffizient per Supergrid vernetzt. Die Gegenthese lautet: Im Jahr 2040 kommt es in Europa zu einer Re-Nationalisierung der Energiepolitik, Phasenschieber riegeln die Grenzen ab.

Die größten Auswirkungen der Energiewende werden in Europa und Nordamerika erwartet. In der übrigen Welt besteht weniger Konsens über die Auswirkungen der Energiewende. Allerdings teilt eine klare Mehrheit der befragten Utilities in Asien und nahezu die Hälfte im Mittleren Osten und Afrika die Ansichten der Vertreter aus Europa und Nordamerika.

Paradigmenwechsel

Nachhaltigkeit und Dezentralität werden sich als ökonomische Paradigmen durchsetzen. Experten gehen davon aus, dass die Nutzung dezentraler erneuerbarer Energien- Anlagen mit Batteriespeichern im Jahr 2040 zu einer neuen demokratischen Selbstorganisation auf lokaler Ebene geführt hat.
Batterien sind die Game Changer:
Im Jahr 2040 übernehmen Batteriekraftwerke als Frequenzausgleich die Funktion der konventionellen Kraftwerke bei der Systemstabilität.
Das Energiesystem ist dezentral und vernetzt: Kommunen und soziale Bottom-up- Bewegungen sind gestärkt.
Im Jahr 2040 hat die Energieversorgung die Form einer Zellenstruktur angenommen: miteinander verbundene Zellen und „Inseln“ von der Größe einer Stadt oder mittleren Region beziehen ihre Energie aus Sonne, Wind, Speichern und geringer konventioneller Reserve.
Energiepolitik ermöglicht Selbstbestimmung und der Verbraucher verlangt Nachhaltigkeit: Die Verbraucher setzen umfassende Nachhaltigkeit von Unternehmen, Produkten und Dienstleistungen voraus. Nicht-nachhaltige Produktion wird als unethisch angesehen.

Information über Energie erfolgt „real time“: Im Jahr 2040 ist der Strommarkt geprägt durch hohe Auflösung, leistungsgemessene Kunden und "real time pricing"; intelligente Zähler und Endgeräte ermöglichen die Optimierung des Verbrauchs.

Neue Anbieter dominieren den Energiemarkt: Die klassischen Energieversorger werden nur noch für wenige technische Funktionen wie den Netzbetrieb verantwortlich sein, während viele kleine Produzenten die Stromerzeugung übernehmen und das Netzmanage ment zur Domäne internationaler IT-Unternehmen geworden ist. Im Jahr 2040 sind Internetriesen sowie die Daten-und IT-Industrie die größten Player der Energiewelt, weil sie große Datenmengen verarbeiten und die automatisierte Steuerung von Angebot und Nachfrage beherrschen. Die klassische Energiewirtschaft bleibt analog.

Weitere Studienergebnisse besagen, dass konventionelle Kraftwerke kleiner und flexibler werden. Thermische Kapazität überlebt im Kleinformat: Im Jahr 2040 haben sich die Maßstäbe auch in der konventionellen fossilen Stromerzeu gung umgekehrt: Die ehemals großen Kraft werke sind kleinformatig und flexibel geworden, mit einer Kapazität von regulär nicht mehr als 100 MW.
Ebenso werden die Verbraucher ihre Nachfrage flexibilisieren – zum Beispiel durch Demand Side Management.
Flatrate statt kWh-Abrechnung: Im Jahr 2040 zahlt der Verbraucher für Strom eine Flatrate, die sich an seinem Durchschnittsverbrauch und seinem individuellen Bedürfnis nach Versorgungssicherheit orientiert.

Ob Verbraucher Versorgungssicherheit in Zukunft separat als Dienstleistung kaufen müssen, Versorgungssicherheit damit einen Preis bekommt – darüber gehen die Meinungen der befragten Experten auseinander.
Verliert das Stromnetz seine Neutralität, ist im Jahr 2040 aufgrund des Ausbaus volatiler erneuerbarer Energien die kontinuierliche Verfügbarkeit von Strom keine Standardleistung der Energieversorger mehr, sondern muss vom Kunden separat zugekauft werden. Fest steht: Die Unternehmen werden ihre Geschäftsmodelle neu aufstellen müssen – mit starkem Fokus auf den Kunden.

Bei der Beantwortung dieser und vieler weiterer Fragen soll die Delphi-Studie Orientierung bieten – sowohl den Unter nehmen als auch Politik und Gesellschaft.

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Was ist ein Delphi?
Ein Delphi ist eine mehrstufige Expertenbefragung, die die Vorteile einer anonymen Befragung (Offenheit der Antworten) mit den Vorteilen einer Diskussion (Herstellung von Zusammenhängen) verbindet. Aufgrund seiner besonderen Fragestruktur liefert ein Delphi differenziertere und gleichzeitig eindeutigere Antworten als herkömmliche Befragungen.

Im Stile eines klassischen Delphi wurden seit Ende 2014 jeweils mehrstündige Tiefen-Interviews mit 80 ausgewiesenen Expertinnen und Experten aus der Energiewirtschaft und benachbarten Branchen geführt (Elektroindustrie, Maschinen- und Anlagenbau, Energieforschung etc.), aber auch mit Fachleuten aus den Sphären Politik, Wissenschaft und Kultur, Städtebau und Umwelt, internationale Geopolitik, gesellschaftliche Organisationen und Verbände u. a. m.

Aus den Prognosen der Experten wurden zugespitzte Thesen gebildet, etwa über die globale Struktur der Energieerzeugung 2040. Diese Thesen wurden in einer schriftlichen Befragung ca. 400 internationalen Expertinnen und Experten vorgelegt und von diesen multidimensional bewertet: Es ging jeweils um die Wahrscheinlich keit der skizzierten Entwicklung, um den relevanten Zeitraum und die regionale Bedeutung des Trends.

Weitere Informationen zur Studie:
Opens external link in new windowwww.pwc.de/de/energiewirtschaft/ ergebnispraesentation-internationale-studiedelphi- energy-future.html
und
Opens external link in new windowwww.delphi-energy-future.com/de/