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Systemkostenreduzierter Pfad zur Klimaneutralität im Stromsektor
„Aktuell wird intensiv über die Transformation des Energiesystems diskutiert. Eine aktuelle Studie von Aurora Energy Research zeigt mögliche Optimierungspotenziale.”
Wie beim klimaneutralen Umbau des Energiesystems Systemkosten reduziert werden können, zeigt eine kürzlich in Berlin vorgestellte Studie der unabhängigen Energie-marktanalysten von Aurora Energy Research.
Die Systemkostenstudie zeigt auf, wie Klimaschutz, Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit in Einklang gebracht werden können. Unser Systemexperte und Partner Dr. Helfried Schmidt, Vorstand der Oskar-Patzelt-Stiftung hat einen Blick auf die Studie geworfen.
Der Umbau des Energiesystems ist eine Herausforderung für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Aktuell wird intensiv über die Kosten der Transformation des Energiesystems und mögliche Optimierungspotenziale diskutiert, um Wirtschaft und Haushalte nicht zu überfordern und die gesellschaftliche Akzeptanz für dieses wichtige Großprojekt zu erhalten.
Ist der Umbau des Energiesystems mit geringeren Kosten möglich – bei gleichzeitiger Einhaltung der Klimaschutzziele im Stromsektor 2045 und durchgehend sicherer Versorgung?
Der Energieversorger EnBW möchte sich als größtes vollintegriertes Energieunternehmen in Deutschland in diese Diskussion einbringen und hat beim Beratungsunternehmen Aurora Energy Research dazu ein Gutachten in Auftrag gegeben. Die Studie untersucht die Kosten für das Gesamtsystem, für Investitionen und Betrieb von Erzeugung, Netzen, Speichern und Wasserstoffinfrastruktur. Denn eine ganzheitliche Kostenreduktion des Stromsektors entlastet die Volkswirtschaft. Vorgestellt wurden die Ergebnisse des Gutachtens kürzlich von Aurora Energy Research und von Dr. Georg Stamatelopoulos, der als Vorsitzender des Vorstandes der EnBW Energie BadenWürttemberg AG die Studie eingeordnet hat.
Einsparpotential über Systemkosten
Der Investitionsbedarf für den Umbau des Energiesystems ist enorm. In allen Bereichen – Erzeugung, Netze und Infrastruktur für Kunden – muss investiert werden. EnBW hat als einziger vollintegrierter großer Energieversorger das Gesamtsystem im Blick und sucht nach Wegen, wie die Transformation des Energiesystems so effizient wie möglich umgesetzt werden kann.
Die von EnBW in Auftrag gegebene unabhängige Studie identifiziert verschiedene Hebel zur Reduzierung der volkswirtschaftlichen Kosten beim klimaneutralen Umbau des Energiesystems. Ein Ergebnis: Durch eine Kombination aus Effizienzsteigerungen und einem bedarfsgerechten Ausbau von Erzeugungskapazitäten und Netzinfrastruktur können die Gesamtkosten des Systems bis 2045 um bis zu 700 Milliarden Euro gesenkt werden. Bei weiterer Gewährleistung von Klimaneutralität im Stromsektor bis 2040 und einer durchgehendsicheren Energieversorgung.
Die Ausgangslage
Das Ziel des klimaneutralen Stromsystems 2040 wurde bisher hauptsächlich in Bezug auf Klimaschutz und Versorgungssicherheit optimiert. Die wirtschaftliche Optimierung ist demzufolge der notwendige nächste Schritt. Ohne ein Gegensteuern steigen die jährlichen Systemkosten bis 2045 um 50% im Vergleich zu heute an. Deshalb ist eine ganzheitliche Kostenreduktion unverzichtbar, um die Belastung der Volkswirtschaft zu reduzieren, die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, die Akzeptanz der Bevölkerung zu sichern und die Elektrifizierung der Nachfragesektoren voranzutreiben. Im Rahmen der Studie werden die folgenden Maßnahmen zur Systemkostensenkung vorgeschlagen.

- Dr. Georg Stamatelopoulos, Vorstandsvorsitzender der EnBW zur Vorstellung der Studie: „Die EnBW setzt sich dafür ein, die Transformation des Energiesystems so sicher, klimafreundlich und bezahlbar wie möglich zu gestalten. Die Studie von Aurora Energy Research liefert konkrete Antworten auf die Frage, wie alle drei Aspekte in Einklang gebracht werden können. Geringere Systemkosten entlasten die Volkswirtschaft, fördern die Elektrifizierung in allen Sektoren und können die Akzeptanz in der Bevölkerung steigern.“
Quelle: Aurora Energy Research
Reduzierung Ausbauziel H2-Elektrolyse und PV
Hohe Elektrolyseurkapazitäten sind kapitalintensiv und steigern die Systemkosten erheblich. Importierter grüner Wasserstoff bleibt dabei günstiger als heimisch erzeugter. Eine Reduzierung der Elektrolyseurkapazitäten kann zusätzlich eine Absenkung des PVAusbauziels und in Folge auch der Netzinvestitionen bewirken. Die Reduktion von PV ist dabei effizienter als z. B. Wind, da Wind bedarfssynchroner zur Verfügung steht. Eine Erkenntnis: Die heimische Erzeugung von H2 ist wenig wirtschaftlich. Eine Reduzierung des Ziels und die Folgeeffekte entlasten die Systemkosten im Stromsektor um ca. 100 Mrd. EUR.
Reduzierung Ausbauziel Offshore und Ausbau Gas/H2-Kraftwerke
Betrachtet wurden hier GasTurbine sowie Gas und Dampfkraftwerke. Die Abnahme der spezifischen Erträge durch zunehmende Abschattungseffekte, ist hier noch nicht berücksichtigt. Ab einer OffshoreKapazität von ca. 55 GW müssen die zusätzlichen Anlagen Anschlusspunkte weit im Inland (bis Südhessen) nutzen, mit sprunghaft ansteigenden Netzanschlusskosten. Der Ausbau von weiteren 20 GW Gas/H2Kraftwerken gleicht die OffshoreReduktion aus bei steigender Versorgungssicherheit. Dabei überbrücken die Kraftwerke auch längere Dunkelflauten und machen so einen Teil der Batterien überflüssig.
Der Effekt: Eine Anpassung des Offshore-Ausbauziels von 70 GW auf 55 GW kann zu einer Kostenreduktion von ca. 80 Mrd. EUR führen.
Optimierte Ansiedelung Gas/H2- Kraftwerke und blauer H2
Ein möglicher Einsatz von blauem H2 statt grünem Wasserstoff spart Brennstoffkosten ein. Die Ansiedlung im netztechnischen Süden nutzt bestehende Netzund Gasinfrastruktur und reduziert zusätzlich Netzengpässe. Auch ein optimiertes Verhältnis von GT und GuD2 reduziert Systemkosten.
Ein technologisch und regional optimierter Zubau von Gas/H2Kraftwerken in Kombination mit der Umstellung auf blauen Wasserstoff kann die Systemkosten um ca. 40 Mrd. EUR. reduzieren.
Reduzierung Ausbauziel Batteriespeicher
Der Ausbau der Batteriespeicher ist sehr ambitioniert. Zudem sind Batteriespeicher nur bedingt für die Bereitstellung von Kapazität über längere Zeiträume geeignet („Dunkelflaute“). Gas/H2Kraftwerke erfüllen diese Aufgabe kosteneffizienter und flexibler.
Der Ersatz von Batterien durch Gas/H2 Kraftwerke führt zu niedrigeren Systemkosten, reduziert Knappheiten im System und die Importabhängigkeit besonders in hochpreisigen Perioden. Da sich Batteriespeicher und Gas/H2Kraftwerke technologisch gut ergänzen, kann ein angepasstes Verhältnis beider zu ca. 80 Mrd. EUR Kostenreduzierung führen.
Paralleler Kostenhebel: Anpassung an Verbrauchsentwicklung

Zwischen NEPSystem und einem kostenreduzierten System wurde die Endkundennachfrage konstant gehalten. Die Erwartungen an die zukünftige Endkundennachfrage ist seit der Erstellung des NEP 2023 (Netzentwicklungsplan Strom) deutlich gesunken. Eine Reduktion von 2025% entspricht der aktuellen Studienlage. Um eine Überdimensionierung des Energiesystems zu verhindern, kann das System insgesamt kleiner geplant werden. Die Erkenntnis: Zusätzlich zur technischwirtschaftlichen Verbesserung bringt eine Anpassung der Dimensionierung des gesamten Stromsystems Einsparungen von rund 400 Mrd. EUR.
Netzinvestitionen als ein wesentlicher Faktor
Der Investitionsrückgang wird maßgeblich durch den Rückgang in den Netzinvestitionen getrieben. Die größte Einsparung im kostenreduzierten System resultiert aus der Reduktion der PVLeistung im Bereich der Verteilnetze. Eine weitere Reduktion entsteht durch die Reduktion der OffshoreLeistung und den geringeren Offshore-Anbindungen.
So kommt es im kostenreduzierten System mit reduzierter Nachfrage neben einem geringeren lastbedingten Netzausbau auch zu einer Reduktion des EEbedingten Netzausbaus. Die Erkenntnis: die Netzinvestitionen können um rund 125 Mrd. EUR reduziert werden.
Fazit
Die Klimaziele 2045 sind mit deutlich geringeren Systemkosten im Stromsektor und Einsparungen von 300 bis 700 Mrd. EUR erreichbar. Die Einsparungen schlagen sich insbesondere in den benötigten Investitionen nieder, die um ein Viertel bis um die Hälfte gesenkt werden können. Die größten absoluten Einsparungen von bis zu 700 Mrd. EUR werden erzielt, wenn das System zusätzlich bedarfsgerecht dimensioniert wird. Ein an die Nachfrageentwicklung angepasstes und wirtschaftlich optimiertes Stromsystem stabilisiert die Endkundenpreise.
Frederik Beelitz, Head of Advisory Central Europe von Aurora Energy Research und Leitautor der Studie unterstrich zur Vorstellung der Studie: „Die Ergebnisse unserer Analyse belegen die erhebliche Größenordnung der möglichen Kostensenkungen. Insbesondere mit Blick auf die angepasste Entwicklung der Stromnachfrage wird aufgezeigt, dass es wichtig ist, die Planungsprozesse neu auszurichten.
Auch bei Umsetzung der kostenreduzierenden Maßnahmen bleiben die Grundzüge der Energiewende unverändert: Starker Ausbau von Wind, PV und Batteriekapazitäten, Deckung von Dunkelflauten und Netzengpässen über H2Kraftwerke. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien, Gaskraftwerke und Netze muss in hohem Tempo weitergehen, um Deutschlands Klimaziele zu erreichen. Es ist wichtig, jetzt die Weichen richtig zu stellen. Weitere Informationen unter:
www.enbw.com
www.auroraer.com



