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23.07.2025 15:58 Alter: 132 days

Sondervermögen Infrastruktur – Stärkung der Kommunen?

„Länder und Kommunen müssen schnell handlungs­fähig sein, um einen effek­tiven Einsatz der Mittel zu planen.”


Links: Dr. Moritz Püstow,Rechtsanwalt und Partner, KPMG Law<br/>Rechts: Dr. Oliver Rottman,Vorstand, KOWID

Die neue Bundesregierung will mit einem Sondervermögen Infrastruktur einen jahrelangen Investitionsrückstau auflösen und so die Kommunen stärken. Die Wirkung dieses Sondervermögens beleuchten Dr. Moritz Püstow, Rechtsanwalt und Partner Öffentlicher Sektor bei KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH und Dr. Oliver Rottman, Geschäftsführender und 1. Vorstand bei KOWID – Kompetenzzentrum Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge e. V. an der Universität Leipzig in einem Gastbeitrag für THEMEN!magazin.

Forschungsinstitute sehen einen jahrelangen Investitionsrückstau als eine maßgebliche Ursache für die schwache wirtschaftliche Lage der Bundesrepublik. Ein Sondervermögen Infrastruktur bietet bei zielgenauer Anwendung und flankierenden Strukturreformen die Chance, diesen Investitionsrückstau aufzuholen. Eile ist geboten. Auch und insbesondere auf kommunaler Ebene sind Haushaltslage und Investitionsbedarf häufig äußerst angespannt und drängend, da der kommunale Aufgabenkatalog (ökologische Transformation, infrastrukturelle Investitionen, Wohnraumpolitik, Zuwanderung etc.) über die Jahre sehr stark angewachsen ist.

Die Einnahmenseite hinkt dieser Entwicklung strukturell um ein Vielfaches hinterher. Die Abhängigkeit von Fördermitteln, die häufig notwendigen Transfers aus den Finanzausgleichssystemen der Länder (Kommunaler Finanzausgleich) und die geringe eigene Steuerbasis sprechen eine deutliche Sprache. Inwiefern das Sondermögen genutzt werden kann, den kommunalen Investitionsrückstand – laut KfW- Kommunalpanel auf aktuell 186 Milliarden Euro beziffert – abzubauen, blieb bis jetzt fraglich.

Aufgabe ist folglich gesamtstaatlich.

Ein Volumen von bis zu 100 Milliarden Euro ist für Investitionen der Länder und Kommunen in den nächsten zwölf Jahren vorgesehen. Auch ist zu erwarten, dass die dem Klima- und Transformationsfonds zugewiesenen Mittel in Höhe weiterer 100 Milliarden Euro auch in den Ländern und Kommunen genutzt werden können. Und die Investitionsspielräume werden noch einmal dadurch erweitert, dass die Länder sich nunmehr mit 0,35 Prozent des BIP verschulden dürfen.

Aber das Geld allein wird nicht reichen, um die Investitionsziele umzusetzen. Die Verwaltung muss Strukturen schaffen, die ein schnelles Handeln ermöglichen. Und die Verwaltung hat die Planung, die Vergabe und den Bau zu beschleunigen. Eine Änderung des Rechtsrahmens ist aber nicht der Schlüssel für den Erfolg des Investitionsprogramms. Denn die größten Hürden für eine schnelle Projektrealisierung liegen nicht im Planungs-, Vergabe- und Baurecht. Die Möglichkeiten, die das Recht schon heute bietet, bleiben indes vielfach ungenutzt.

Instrumente für Projektrealisierungen nutzen

Die Verwaltung ist daher gut beraten, sich zügig mit jenen Instrumenten zu beschäftigen, die es schon im heutigen Recht ermöglichen, Projektrealisierungen zu beschleunigen:

Erstens ist die Projektorganisationsstruktur zu straffen. Herkömmlich werden die meisten Infrastruk­turprojekte in Linienstrukturen umgesetzt. Dies bedeutet getrennte Zuständigkeiten u. a. für Planung, Finan­zierung, Bau, Vergabe, Recht – was eine klare Projektverantwortung verhindert. Dies ist kein taugliches Modell für das Projektgeschäft, wo es eine gebündelte Übernahme von Verantwortung braucht und schnelle Entscheidungen. Eine Projektorganisationsstruktur kann auch ohne Gründung einer Projektgesellschaft schnell etabliert werden, etwa durch die Bündelung von Aufgaben und Verantwortlichkeiten in einer Einheit für die eiligen Projekte. Dadurch werden Kommunikations- und Entscheidungswege gestrafft und eine ganzheitliche, zielorientierte Sichtweise gesichert.

Zweitens sind Planungsverfahren zu beschleunigen. Das Planungsrecht wird regelmäßig als großes Hemmnis für die zügige Realisierung von Infrastrukturprojekten angesehen. Durch diverse Planungsbeschleunigungsgesetze wurden bereits Erleichterungen geschaffen. Hierdurch wird etwa bestimmten Verkehrsprojekten überragendes öffentliches Interesse beigemessen oder werden Ersatzneubauten von der Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung und zur Planfeststellung ausgenommen. Die geplante Novelle des Baugesetzbuchs zur Erleichterung kommunaler Bauleitplanung konnte in der abgelaufenen Legislaturperiode jedoch nicht mehr umgesetzt werden.
Auch nach geltendem Recht greifen indes bereits diverse Beschleunigungsmechanismen wie zum Beispiel die Veröffentlichung von Planunterlagen über ein zentrales Internetportal des jeweiligen Landes oder Einschränkungen beim Erfordernis einer erneuten Öffent­lichkeits- und Behördenbeteiligung im Fall von Planänderungen. Nach dem Baugesetzbuch darf die Gemeinde im Übrigen zu ihrer Entlastung bei der Vorbereitung und Durchführung von Verfahrensschritten im Bauleitplanverfahrens externe Dritte heranziehen.

Drittens sollte die Bauwirtschaft stärker in die Planung einbezogen werden. Deutschland lebt seit jeher die Trennung von Planung und Bau. International ist das Vorgehen unüblich. Es schafft für den Bauherrn zwar Unabhängigkeit in der Planung. Es erlaubt aber nicht die Nutzung des Know-hows und der Kompetenz der ausführenden Unternehmen. Sehr viel Potenzial für Innovation, Kosteneinsparung, Nachhaltigkeit und Beschleunigung geht dadurch verloren. Außerdem entsteht großer Zeitverlust aufgrund der Durchführung von (mindestens zwei) Vergabeverfahren sowohl für die Planung- als auch die Bauleistungen und die Einarbeitung der jeweiligen Auftragnehmer.

Viertens könnten GU-Vergaben gestärkt werden. Bauleistungen werden in Deutschland gewerkeweise vergeben, was eine gesetzgeberische Entscheidung gegen die Wirtschaftlichkeit und Schnelligkeit des konkreten Projekts darstellt. Vergaberechtlich ist eine gemeinsame Realisierung durch Vergabe an einen Generalunternehmer (GU) viel einfacher möglich als gemeinhin angenommen.

Fünftens sollten Vergaben beschleunigt werden. Die Dauer von Vergabeverfahren kann einen Moment von Stillstand zwischen Projektidee, Planung und Projekt-realisierung erzeugen. Rechtlich geboten ist das nicht. Beschleunigungspotenzial ergibt sich vor allem durch hohe Transparenz, Einfachheit, stringente Terminplanung und Aufgabenverteilung. Sogar Verhand-lungsverfahren, die in allen komplexen Projekten Standard sein sollten, lassen sich so in drei bis vier Monaten erfolgreich abschließen.

Quelle: KfW-Kommunalpanel 2025

Sechstens können partnerschaftliche Verträge Vorhaben beschleunigen. Eine schnelle Projektrealisierung setzt voraus, dass alle Vertragsparteien an einem Strang ziehen. Hierzu ist erforderlich, dass alle Beteiligte den gleichen Kenntnisstand vom Projekt haben, ein Informationsgefälle folglich vermieden wird. Dies erfordert Anreize zur Kommunikation sowohl im Vergabeverfahren als auch in der Vertragsdurchführung.

Siebtens können Förderprogramme unterstützen. Kommunen und Länder können entscheiden, die Mittel im Rahmen von Förderprogrammen weiterzureichen. In diesen Fällen muss sichergestellt werden, dass die Weiterreichung der Mittel an private Fördermittelempfänger im Einklang mit dem EU-Beihilferecht erfolgt. Grundlagen für eine schnelle Projektrealisierung mit den Mitteln des Sondervermögens liegen vor. Die Reformkommission und der „Leitfaden Großprojekte“ haben Lösungswege aufgezeigt. Die Kommunalverwaltung kann sich daran orientieren. Dadurch wird sichergestellt, dass das Sondervermögen nicht zu einer Belastung der Haushalte wird, sondern zu dem erhofften Infrastrukturimpuls führt, wo die meisten Investitionen stattfinden: in den Kommunen.