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21.06.2019 11:17 Alter: 5 yrs

Smarte Energiewende aus dem Nordosten Deutschlands

Erneuerbaren Strom zur rechten Zeit am rechten Ort nutzbar zu machen, ist Ziel des Verbundprojektes WindNODE. Einen wichtigen Beitrag dazu leistet die WindNODEFlexibilitätsplattform: Sie bietet Mechanismen und Prozesse für eine effiziente Koordination zwischen Übertragungs- und Verteilnetzbetreibern, damit Flexibilitäten im Energiesystem netzdienlich genutzt werden können.


In seinem Gastbeitrag erläutert Markus Graebig, WindNODE-Gesamtprojektleiter, wie das Verbundprojekt WindNODE den Weg zu 100 % Erneuerbaren ebnet.

Foto: Jan Pauls

Die Energiewende in Deutschland war bisher vor allem als Stromwende erfolgreich. Die Bilanz in den Sektoren Wärme und Mobilität fällt deutlich schlechter aus – das nationale CO2-Minderungsziel für 2020 wird Deutschland deshalb deutlich verfehlen. Aber auch die Energieversorgung steht vor Herausforderungen: Immer öfter geraten die Stromnetze wegen des steigenden Anteils volatilen erneuerbaren Stroms an ihre Belastungsgrenzen. Lösungen für diese Herausforderungen zu erarbeiten, ist Ziel der über 70 Partner im Verbundprojekt WindNODE.

Energiewende, zweiter Teil

Die „zweite Phase der Energiewende“ stellt uns vor erhebliche Herausforderungen: Nachdem wir in den letzten zwei Jahrzehnten erfolgreich die erneuerbare Erzeugung ausgebaut haben – in Gesamtdeutschland stammen inzwischen knapp 40 % des Strommixes aus Erneuerbaren – müssen erstens nun immer größere volatile Energiemengen aus Wind- und Solarkraftwerken sicher und effizient ins Energiesystem integriert werden.

Zweitens gilt es, das Potenzial der Sektorkopplung für die Dekarbonisierung des Gesamtsystems zu erschließen. Drittens soll die Digitalisierung Prozesse effizienter machen und neue Geschäftsfelder eröffnen. Und „last but not least“ müssen wir es schaffen, bei Fach- und Laienpublikum gleichermaßen Akzeptanz und Faszination für die Energiewende als eine Chance für den Innovationsstandort Deutschland lebendig zu halten.

Hier setzt das Verbundprojekt WindNODE an: Unsere 70 Projektpartner erarbeiten und entwickeln gemeinsam Musterlösungen für diese Herausforderungen. Dafür wird WindNODE vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) im Rahmen des Förderprogramms „Schaufenster intelligente Energie (SINTEG)“ gefördert.

Modellregion für das Energiesystem der Zukunft

Die WindNODE-Modellregion ist wie kaum eine andere für diese Aufgabe geeignet: Sie umfasst den gesamten Nordosten Deutschlands und damit die komplette 50Hertz- Regelzone (ohne Hamburg). Alle Akteure und Komponenten eines elektrischen Energiesystems sind vertreten und auch als Partner an WindNODE beteiligt. Schon heute stammen hier über 56 % des Stromverbrauchs aus Erneuerbaren, der größte Teil davon aus Wind, gefolgt von Sonne (daher auch der Projektname WindNODE – Windenergie als Beitrag Nordostdeutschlands zur Energiewende).

Wir befassen uns also mit Fragen der Systemintegration Erneuerbarer in einem winddominierten Erzeugungsszenario. Aber auch die Herausforderungen des künftigen Energiesystems sind hier schon Alltag – in Gestalt ambitionierter Netzausbauprojekte oder auch des Strukturwandels in der Lausitz. Unsere Region erlaubt uns so bereits heute den Blick in die Zukunft des Energiesystems.

Vier Handlungsfelder für den Rundumblick

WindNODE umfasst mit 50 Teilprojekten eine Vielzahl von Fragestellungen und Lösungsansätzen. Alle gemeinsam zahlen jedoch auf vier zentrale Handlungsfelder ein – und sorgen so dafür, dass WindNODE mehr ist als die Summe seiner Teile:
Flexibilitäten identifizieren: WindNODE identifiziert technische Lastverschiebungspotenziale und Potenziale der Sektorkopplung, die als Flexibilitäten im Energiesystem zur Verfügung stehen können. Der besondere Fokus liegt auf industriellen und gewerblichen Flexibilitäten sowie auf Flexibilitäten in Quartieren und im Mobilitätssektor. Unser Zwischenfazit: Die technischen Potenziale sind vielfältig – und selbst in unseren ausgewählten Modellanwendungen deutlich größer als eingangs vermutet.
Flexibilitäten, Markt und Regulierung: Flexibilitäten können am Regelleistungsmarkt oder an den Strombörsen wirtschaftlich genutzt werden – oder möglicherweise zukünftig in einem marktlichen Mechanismus zum Netzengpassmanagement. Hierzu entwickeln und testen wir in enger Kooperation zwischen Übertragungs- und Verteilnetzbetreibern sowie Flexibilitätsanbietern die WindNODEFlexibilitätsplattform.
Energiesystem digitalisieren: WindNODE zeigt, welche informations- und kommunikationstechnische Vernetzung für die effiziente Systemintegration großer Mengen erneuerbarer Energien erforderlich ist – beispielsweise für das Kommunale Energiemanagement, Energiedatenmarktplätze oder innovative Prognoseverfahren. WindNODE zeigt aber auch, wie im elektrischen Energiesystem digitale Mehrwertdienste entstehen und Energiedaten als Treiber für digitale Wertschöpfung und neue Geschäftsmodelle wirken können – etwa durch Open-Data-Angebote oder Gebäudemanagementsysteme, die Flexibilitäten nutzbar machen.
Reallabor entwickeln: WindNODE setzt erstmalig das neue F&E-Format „Reallabor“ in Nordostdeutschland ein. Dazu gehört die Experimentierklausel „SINTEG-Verordnung“, basierend auf § 119 EnWG, welche die ziemlich einmalige Möglichkeit schafft, auch regulatorische Innovationen auszuprobieren. WindNODE steht aber auch für einen Ökosystem- Ansatz in der Energieforschung mit Partnernetzwerken über Wertschöpfungsstufen hinweg, für neue Partizipationsformate wie unsere „besuchbaren Orte“ und für die Entwicklung chancenorientierter Energiewende- Narrative, an denen wir gemeinsam mit Literaturwissenschaftler/innen und Künstler/ innen arbeiten.

Nutzen statt Abregeln: die WindNODE-Flexibilitätsplattform

Wird heute im Norden und Nordosten Deutschlands besonders viel erneuerbarer Strom produziert, kann er oft nicht mehr über die bestehenden Leitungen abtransportiert werden. In diesen Fällen wird zunächst die Erzeugung aus konventionellen Kraftwerken reduziert. Reicht das nicht aus, wird auch die Einspeisung aus Erneuerbaren gedrosselt. Das ist teuer – und ökologisch widersinnig. Hilfe versprechen in solchen Fällen sogenannte flexible Lasten oder Flexibilitäten, indem sie den Strom vor Ort verbrauchen und somit den Transportbedarf reduzieren.

Die entscheidende Frage ist, wie diese Flexibilitäten erfasst und ihr Einsatz gesteuert werden können. Dafür haben der Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz und die Verteilnetzbetreiber E.Dis Netz, Enso Netz, Stromnetz Berlin und Wemag Netz gemeinsam die WindNODE-Flexibilitätsplattform entwickelt. Über die Flexibilitätsplattform können Anbieter den Netzbetreibern ihre vorhandenen Flexibilitätspotenziale kurzfristig und technologieoffen anbieten.

Dafür existieren unterschiedliche Produkte, die auch die zeitliche Abfolge genau definieren. Die Gebote können von Verteil- und Übertragungsnetzbetreibern bei Engpässen im Stromnetz genutzt werden. So kann das Abregeln von Erneuerbaren-Anlagen reduziert und mehr erneuerbarer Strom genutzt werden. Damit dieser Prozess reibungslos funktioniert, haben die WindNODE-Partner neben modernen IT-Schnittstellen auch neue Prozesse zur Koordination zwischen den unterschiedlichen Netzbetreibern umgesetzt.

Die grundsätzliche Funktionsweise der Plattform konnte im Projekt bereits bestätigt werden. Derzeit arbeiten wir vor allem an regulatorischen Fragestellungen, insbesondere zu möglichen Vergütungsmechanismen, um die Möglichkeiten zur Überführung eines solchen Modells in die Praxis zu bewerten.

Weitere Info unter: Opens external link in new windowwww.windnode.de