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13.03.2018 15:52 Alter: 6 yrs

Schöne neue digitale Stromwelt

Rückgrat der Energieversorgung ist das Höchstspannungsnetz, denn es transportiert den Strom über weite Strecken von den Erzeugern bis in die Ballungsräume und Wirtschaftszentren. Deshalb ist es notwendig, ein dauerhaftes und konstantes Netzgleichgewicht bereitzuhalten. Frequenz, Spannung, Lastfluss und die Leistung müssen ständig überwacht werden. Durch die Anwendung von smarten Softwarelösungen können der Strombedarf und die fluktuierende Erzeugung aus großen Mengen wetterabhängiger Windund Solarenergie effizient aufeinander abgestimmt werden.


Zur Zukunft der Netze ein Gastbeitrag von Lex Hartman, Geschäftsführer, TenneT TSO GmbH und Mitglied des Vorstands, TenneT Holding.

Foto: Babet Hogervorst, TenneT

Noch vor wenigen Jahren haben Assets - Leitungen, Umspannwerke, Kraftwerke, Erneuerbare Energien-Anlagen - das Bild der Stromwelt geprägt. Heute treten die Assets langsam in den Hintergrund: die Stromwelt wird digitaler. Und wenn wir, was anzunehmen ist, ähnliche Transformationsraten wie zum Beispiel im Mobilfunk haben, dann werden wir in spätestens 15 Jahren in einer neuen digitalen Stromwelt leben.

It’s the data

… and we are not stupid; die Energiebranche befindet sich bereits mitten im Umbruch. Die Erzeugung verändert sich weg von zentralen Kraftwerken hin zu kleineren, dezentralen Erneuerbaren-Anlagen. Verbraucher werden zu Prosumern und verändern den Markt. Daten werden die neue Energiewährung – mit Folgen für die Geschäftsmodelle vieler Marktteilnehmer.

Was bedeutet dies für Netzbetreiber? Wir stehen vor der großen Herausforderung, die Versorgung in der Übergangsphase von der alten zur neuen Energiewelt zu sichern und gleichzeitig die digitale Transformation vorzubereiten und umzusetzen. Wir stehen also mit einem Bein in der Vergangenheit und mit dem anderen in der Zukunft.

Keine Netzausbau-Spirale

Konkret bedeutet das, dass wir einerseits die Infrastruktur für die sich verändernde Erzeugungslandschaft erneuern müssen. Unsere Maxime dabei sollte lauten: Soviel Netzausbau wie nötig, aber so wenig wie möglich. Das heißt, dass wir die heute vom Gesetzgeber festgelegten Ausbauprojekte, die bis Ende der 2020er Jahre die Basis für ein stabiles Energiewende- Netz legen werden, zwingend umsetzen müssen. Denn nur mit diesem Netz werden wir die Erneuerbaren sicher transportieren können.

Aber wie umfassend müsste der Netzausbau sein, um darüber hinaus bis 2050 die Integration von 80 Prozent erneuerbarer Energie zu ermöglichen? Eine Antwort darauf gibt der Netzentwicklungsplan, der bis zu 20 Jahre in die Zukunft blickt. Mehrfach öffentlich konsultiert, liegt der hier nach den Vorgaben des Gesetzgebers berechnete Netzausbaubedarf bei mehreren tausend Kilometern – Tendenz steigend. Aber ein immer weiter steigender Netzausbaubedarf verunsichert viele Menschen. Deshalb sollten wir uns als Gesellschaft die Frage stellen, ob technologische und gesellschaftliche Entwicklungen bei der Netzplanung genügend Ausdruck finden. Bei TenneT treiben wir bereits heute technologische Alternativen voran, damit der Netzausbau nach 2030 deutlich reduziert werden kann.

Neues Spiel, neue Chancen

So haben wir in unserer Netzstressstudie gezeigt, dass der weiter steigende Anteil von Erneuerbaren durch eine bessere Auslastung
und intelligentere Steuerung der Netze integriert werden kann. Das Stichwort heißt automatisierte Netzführung, die eine Synchronisierung von Erzeugung und Verbrauch in Echtzeit und damit eine weitgehend vollständige und gleichmäßige Auslastung der Netzinfrastruktur ermöglicht.

Mit dieser neuen Technologie ließe sich der Netzausbaubedarf nach 2030 über das bereits vom Gesetzgeber beschlossene Maß hinaus deutlich beschränken. Gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Energiebranche werden wir in den nächsten Jahren daran arbeiten, diese Alternative zu entwickeln.

Daten-Schatz sinnvoll nutzen

Für Netzbetreiber wird es immer wichtiger, die Möglichkeiten, die die Digitalisierung für die Energiewirtschaft bietet, auszuschöpfen, sowohl um die Kosten zu begrenzen wie auch die Netzstabilität sicherzustellen. Dazu gehört, dass Netzbetreiber über die Daten verfügen können, die das, was im Netz geschieht zu jedem Zeitpunkt genau sichtbar machen – eine Grundvoraussetzung, um in Energiewende- Zeiten das Stromnetz sicher und effizient zu betreiben und den Netzausbau auf das erforderliche Maß zu begrenzen.

Digitalisierungsthemen besitzen daher für TenneT eine zunehmend große Bedeutung. Eine eigene Abteilung bündelt digitale Themen, identifiziert Pilotprojekte und treibt sie mit dem Ziel voran, die Digitalisierung in allen relevanten Prozessen der Wertschöpfungskette zu verankern und einen möglichst hohen volkswirtschaftlichen Nutzen zu generieren.

Auf diesem Weg haben wir ein umfassendes Programm von Pilotprojekten entwickelt, um mittels verstärkter Datennutzung sowie der Erschließung neuer Flexibilitätsmöglichkeiten das Stromnetz fit für die Herausforderungen der Energiewende zu machen. Dazu gehören Projekte wie die Aufschaltung von Daten aus rund 20.000 Photovoltaik-Wechselrichtern, die uns bereits heute helfen, die Solar- Einspeisung regional deutlich genauer einzuschätzen.

Dazu gehört aber auch ein Pilotprojekt mit der Forschungsabteilung eines Automobilherstellers, das erstmals die Nutzung mobiler Wetterdaten aus Autos für die Prognose von Solareinspeisung erforscht. Denn mit dem schnell wachsenden Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung werden dezentrale und zeitnahe Daten zur Erzeugung von grünem Strom immer wichtiger. Mit ihnen können wir deutlich verlässlicher die Einspeisung der Erneuerbaren prognostizieren und das Stromnetz auch mit einem wachsenden Anteil an fluktuierendem Grünstrom sicher und wirtschaftlich betreiben.

In einem anderen Pilotprojekt erforschen wir die Nutzung von dezentralen vernetzen Heimspeichern und Blockchain-Technologie, um das Stromnetz zu stabilisieren. Das intelligente Management der Batteriespeicher passt sich dabei individuell der jeweiligen Situation im TenneT-Netz an. So kann der vernetzte Speicher-Pool je nach Bedarf überschüssigen Strom sekundenschnell aufnehmen oder abgeben und damit dazu beitragen, Transportengpässe im Netz zu reduzieren. Letztlich hilft dies, die teure Abregelung von Windanlagen zu begrenzen, die notwendig ist, um das Netz zu stabilisieren.

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