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01.02.2019 16:27 Alter: 5 yrs

Neue Vorgaben für Industrieunternehmen durch das Energiesammelgesetz

Für Industrieunternehmen wird das Energierecht mit seinen derzeit ca. 12.000 Normen mehr und mehr zu einer Herausforderung. Unsicherheiten über die geltende Rechtslage können dabei ein erhebliches wirtschaftliches Risiko für die Unternehmen darstellen.


Sarah Schweizer, Rechtsanwältin und Partnerin der auf das Energierecht spezialisierten, überregionalen Kanzlei Schweizer Legal, betrachtet in Ihrem Beitrag wichtige Punkte des „sogenannten“ Energiesammelgesetzes.

Foto: Bernd Grebler

Selbst Unternehmen, deren wirtschaftliche Wertschöpfung fernab der Energiewirtschaft erfolgt, finden sich häufig in verschiedenen energierechtlichen Rollen wieder: Zum einen produzieren sie selbst Strom, den sie teilweise auch selbst wieder verbrauchen, einspeisen oder an Dritte auf dem Betriebsgelände weiterleiten. Andererseits sind sie auf Stromversorgung durch klassische Stromlieferanten angewiesen und insofern „Letztverbraucher“.

Für alle diese Marktrollen gelten unterschiedliche gesetzliche Meldepflichten, deren Versäumen empfindliche Bußgelder nach sich ziehen kann. Werden hingegen „nur“ Privilegierungstatbestände übersehen oder Fristen versäumt, führt dies nicht selten zu finanziellen Einbußen im sechsstelligen Bereich. Vor diesem Hintergrund ist das am 21.12.2018 in Kraft getretenen Energiesammelgesetz (BGBl. I Nr. 47, S. 2522; im Folgenden EnSaG) von besonderer Relevanz. Das EnSaG bringt Änderungen in insgesamt 14 energiewirtschaftlichen Gesetzen und Verordnungen, dabei insbesondere auch für das EEG und das KWKG, die für Industrieunternehmen besonders von Bedeutung sind. Im Folgenden werden zwei zentrale Neuerungen durch das EnSaG näher beleuchtet.

Novellierung bei der Stromweiterleitung an Dritte

Eine bedeutende Novellierung bringt das EnSaG für die in der Praxis sehr übliche, aber energierechtlich komplexe Konstellation, wenn Unternehmen Strom an weitere Verbraucher auf ihrem Betriebsgelände weiterleiten, z. B. an Tochterunternehmen, Untermieter, Dienstleister, Getränkeautomaten etc. Je nach Gesetz gelten unterschiedliche Anforderungen für die Abgrenzung von selbst verbrauchtem und an Dritte weitergeleiteten Strom.

Eine solche Abgrenzung ist z. B. immer dann erforderlich, wenn Privilegierungen nur für selbstverbrauchte Strommengen gelten. Die gesetzlichen Abgrenzungsanforderungen reichen dabei von einer bloßen Schätzung bis hin zum Erfordernis einer geeichten Messung. Teilweise schweigt sich das Gesetz zu den geltenden Anforderungen auch völlig aus. Dies sorgte insbesondere im Rahmen der Umlage- Privilegierung im KWKG für erhebliche Rechtsunsicherheit.

Mit dem EnSaG unternimmt der Gesetzgeber nun den Versuch, zu einer stärkeren Vereinheitlichung und Vereinfachung zu kommen. Dabei wird zunächst der Grundsatz einer mess- und eichrechtskonformen Abgrenzung festgelegt. Hiervon werden jedoch Ausnahmen zugelassen (vgl. § 62b EEG). Demnach entfällt die Pflicht zur eichrechtskonformen Messung der Strommengen u.a. dann, wenn entweder für die gesamte Strommenge (also selbst verbrauchter und an Dritte weitergeleiteter Strom) der innerhalb dieser Strommengen geltende höchste EEG-Umlagesatz geltend gemacht wird - was einem faktischen Verzicht auf die Umlageprivilegien darstellt - oder wenn die Abgrenzung technisch unmöglich oder mit unvertretbarem Aufwand verbunden ist und ein „Verzicht“ auf die Privilegierung wirtschaftlich nicht zumutbar wäre. In letzterem Falle ist die Abgrenzung durch eine Schätzung der Strommengen in sachgerechter und nachvollziehbarer Weise durchzuführen (§ 62b Abs. 3 EEG).

Der Gesetzgeber unternimmt zudem den Versuch, Rechtssicherheit für die Vergangenheit zu beseitigen. Um unbillige Ergebnisse zu vermeiden, räumt er den Letztverbrauchern ein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber dem Anspruch des Netzbetreibers auf Zahlung der vollen EEGUmlage in den Fällen ein, in denen der Netzbetreiber die Privilegierung aufgrund einer nicht eichrechtskonformen Messung der Strommengen versagt. Dies ist in § 104 Abs. 1 EEG geregelt und über den Verweis in § 26c KWKG ebenfalls im Rahmen der KWKG-Umlage anwendbar. Die Regelung gilt daher entsprechend für die Offshore-Haftungsumlage und die § 19 StromNEV-Umlage.

Die weiteren Voraussetzungen des Leistungsverweigerungsrechts sind u. a., dass bei Strommengen, die vor dem 1. Januar 2018 verbraucht wurden, die Abgrenzung der Strommenge nach § 62b EEG (neu) erfolgt und die EEG- bzw. KWKG-Umlage für diese Strommengen (in der privilegierten Höhe) bereits geleistet worden ist. Damit soll für bereits abgeschlossene Sachverhalte Rechtsfrieden geschaffen werden. Dies bedeutet jedoch zugleich, dass diejenigen Unternehmen, die die Rechtsauffassung der Netzbetreiber nicht in Frage gestellt haben, nun leer ausgehen und auf keine Rückerstattung zuviel gezahlter Umlagen hoffen dürfen.

EEG-Umlageprivilegierung für KWK-Anlagen geklärt

Darüber hinaus haben KWK-Anlagenbetreiber – nach fast einem Jahr Hängepartie – nun auch Klarheit hinsichtlich der Zahlung der EEG-Umlage für den erzeugten und selbstverbrauchten Strom. Auf die jüngere Historie dieser Regelung lohnt sich ein näherer Blick, steht sie doch geradezu exemplarisch für die häufig absonderlichen Vorgänge energierechtlicher Gesetzgebung. Eine vom Deutschen Bundestag verabschiedete gesetzliche Privilegierung – die EEG-Umlagereduzierung auf 40 % für KWK-Neuanlagen (Anlagen, die zwischen August 2014 und Dezember 2017 in Betrieb gegangen sind) in der Eigenversorgung nach § 61b Nr. 2 EEG – wurde Ende 2017 vom Bundeswirtschaftsministerium kurzerhand für nicht mehr anwendbar erklärt.

Die Begründung: Eine für die Fortgeltung der Regelung erforderliche beihilfenrechtliche Genehmigung der Europäischen Kommission würde 2017 auslaufen. Ab 2018 falle die Privilegierung daher ersatzlos weg. Dabei war die gesetzliche Regelung weder befristet noch fand sich ein Hinweis auf die Erforderlichkeit einer beihilfenrechtlichen Genehmigung für die Fortgeltung nach 2017.

Anfang Mai 2018 konnte mit der Europäischen Kommission eine Einigung erzielt werden, wonach für Anlagen unter 1 MW und über 10 MW Leistung weiterhin die 40 %-Regelung gilt – rückwirkend zum 1. Januar 2018. Die Umsetzung dieser Einigung in nationales Recht sollte jedoch mit der gleichen Gesetzesnovelle erfolgen, mit der auch die Sonderausschreibungen für Photovoltaik und Windkraft geregelt werden. Diese wurden jedoch zum Zankapfel der Koalitionsfraktionen, wodurch die Regelung zur KWKEigenversorgung in Geiselhaft genommen wurde. Das Nachsehen hatten Netzbetreiber und betroffene KWK-Anlagenbetreiber, die sich weiterhin mit der unklaren Rechtslage arrangieren mussten.

Mit der nun nach diesem langen Hin und Her im EnSag getroffenen Neuregelung erhalten KWK-Neuanlagen wieder ihre bis Ende 2017 geltende Privilegierung in Höhe von 40 Prozent der EEGUmlage, sofern es sich um hocheffiziente Anlagen im Sinne des Energiesteuergesetzes handelt, die einen Mindestwirkungsgrad von 70 Prozent aufweisen und mit gasförmigen Brennstoffen betrieben werden. Die Neuregelung gilt rückwirkend zum 1. Januar 2018.

Fazit

Die energiepolitische Gesetzgebung war noch nie einfach zu überschauen. Gerade für Industrieunternehmen haben jedoch die oft mehrmals im Jahr erfolgenden Gesetzesänderung eine kaum mehr zu überblickende Komplexität erreicht. Durch das EnSaG wurde diese Taktung zwar aufrechterhalten. Zugleich ist aber festzuhalten, dass in zentralen Fragen jedoch deutlich mehr Rechtssicherheit erreicht wurde.

Weitere Informationen: Opens external link in new windowwww.schweizerlegal.de