Nachricht

< Ausnahmeregelung für Wasserwirtschaft gefordert
30.04.2013 17:27 Alter: 11 yrs
Kategorie: Grüne Gase

Neue Regeln führen zu mehr Bürokratie

Dienstleistungskonzessionen berühren viele Leistungen der Daseinsvorsorge. Es ist nichts Neues, dass solche Leistungen im Spannungsfeld zwischen europäischem Wettbewerb und Gemeinwohlorientierung stehen. Die Diskussion um den EU-Richtlinienvorschlag zu Dienstleistungskonzessionen geht nun in eine entscheidende Phase. In den nächsten Wochen wird entschieden, ob Brüssel den deutschen Wassersektor in einen neuen Wettbewerb zwingt. Ihre Position zur EU-Konzessionsrichtlinie unterstrich Sabine Verheyen, Mitglied des Europäischen Parlaments und kommunalpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Gruppe auf der 11. Wasserwirtschaftlichen Jahrestagung des BDEW vor wenigen Tagen in Berlin.


Bisher müssen Kommunen Dienstleistungskonzessionen nicht EU-weit ausschreiben. Nach den Plänen der EU-Kommission soll sich dies nun ändern. Kommunale Stadtwerke, an denen auch nur zu einem geringen Prozentsatz Private beteiligt sind, sollen zukünftig die Wasserver- und Abwasserentsorgung europaweit ausschreiben. Die Kommunen werden damit vor die Wahl gestellt: entweder sie beugen sich dem europäischen Wettbewerb, oder rekommunalisieren ihre Betriebe. Nun spielt die öffentliche Auftragsvergabe in Deutschland wie in Europa wirtschaftlich eine große Rolle. Im öffentlichen Sektor wurden in Deutschland 2011 etwa 18 Prozent des BIP erwirtschaftet.Von diesem Kuchen wollen nun auch private Anbieter in Europa essen.

Die EU-Kommission plant, die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen zukünftig weitgehend dem europäischen Vergaberecht zu unterwerfen. Das Argument: Mit der Schaffung von mehr Rechtssicherheit und Transparenz privaten Anbietern den Marktzugang zu erleichtern. Alle zu vergebenen Dienstleistungskonzessionen, die über einem Schwellenwert von 5 Millionen Euro liegen, sollen künftig im Europäischen Amtsblatt veröffentlicht werden. Anbieter aus den 27 Mitgliedsländern würden so zum Wettbewerb eingeladen.

Europäische Regelung bringt keinen Mehrwert

Wasserver- und Abwasserentsorgung, Rettungs-und Gesundheitsdienstleistungen wie auch soziale Dienstleistungen dienen der Daseinsvorsorge. Sie werden wegen ihrer Art und wegen ihres Umfangs und Vertragsdauer größtenteils vor Ort und regional, aber nicht grenzüberschreitend erbracht. Für diese Konzessionen würde eine europäische Regelung keinen Mehrwert bringen. Eine EU Richtlinie für Dienstleistungskonzessionen bedeutet, dass die öffentliche Hand auch die Vergabe der Wasserversorgung weiter öffnen muss, sich deutsche Stadtwerke dem europaweiten Wettbewerb stellen. Die vorgeschlagene europaweite Verpflichtung zur Ausschreibung würde so de facto zu einer Liberalisierung der Wasserversorgung in Deutschland durch die Hintertür führen. Zukünftig sollen mehr private Anbieter aus ganz Europa auf öffentlich finanzierter Infrastruktur Gewinne einfahren. Die Umsetzung der Richtlinie würde damit einen tiefen Einschnitt in die Organisationsfreiheit  der Städte und Gemeinden bedeuten. Die Kommunen könnten nicht mehr selbst entscheiden, wie die Wasserver- und die Abwasserentsorgung in ihrem Gebiet organisiert wird.

Gründe gegen die Regelung

Das Argument, Dienstleistungskonzessionen aus ordnungspolitischen Gründen den europäischen Regeln der öffentlichen Auftragsvergabe zu unterwerfen, überzeugt nicht. Nur weil es einen Flickenteppich von Vorschriften zu Dienstleistungskonzessionen in Europa zu vereinheitlichen gilt, sollten wir unsere historisch gewachsenen und bewährten Strukturen bei der Wasserver- und Abwasserentsorgung nicht gleich über den Haufen werfen. Gegen die Einbeziehung in das Europäische Vergaberecht spricht, dass die Schaffung eines rechtlichen Rahmens für Konzessionen und andere Formen der Partnerschaft zwischen öffentlichem und privatem Sektor weder erforderlich noch sinnvoll sind. Die Festschreibung eines allumfassenden Konzessionsbegriffs würde zudem über den bisherigen Regelungsrahmen des Vergaberechtes weit hinausgehen und tief in die deutschen Verwaltungsrechtsstrukturen eingreifen.

Im Bereich der Dienstleistungskonzessionen spiegeln sich die Besonderheiten kommunaler Unternehmen etwa darin wider, dass sie ihre Dienstleistungen nicht einzig auf das vertraglich Festgelegte beschränken, sondern sich in ihrem Handeln auch langfristig am ganzheitlichen öffentlichen Interesse orientieren, anstatt primär und ausschließlich auf die eigene Gewinnmaximierung zusetzen. Dies wird im Wasserbereich deutlich, in dem kommunale Unternehmen im Interesse eines nachhaltig wirksamen Gewässerschutzes auch ohne unmittelbaren ökonomischen Benefit große Investitionen tätigen. Im Vordergrund der Kommission steht also ausschließlich das wirtschaftliche Potenzial einer Marktöffnung in Deutschland. 

Ein weiteres Argument der Kommission in der Begründung ihres Vorschlags ist Transparenz. Weil in einigen europäischen Mitgliedsstaaten Konzessionen nicht transparent veröffentlicht und vergeben werden, würde es zu Marktverzerrungen kommen. Aus diesem Grund sind neue Regeln zu schaffen, die europaweit zu mehr Transparenz führen und Vetternwirtschaft verhindern.

Aber schon heute ist die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen kein rechtsfreier Raum! Die europäischen Regeln sehen vor, dass die Konzessionsvergaben unter Einhaltung der Grundsätze der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und der Transparenz zu erfolgen haben. Wäre die Kommission um die ordnungsgemäße Anwendung bereits bestehenden Rechts bemüht, bräuchten wir nicht noch mehr bürokratische Vorgaben aus Brüssel! 

Neue EU-Regeln im Bereich der Wasserversorgung führen nicht zu einem Mehr an Rechtssicherheit, sondern nur zumehr Bürokratie, wodurch die kommunalen Handlungsspielräume massiv eingeschränkt werden. Angemerkt sei, bereits im Frühjahr 2011 hat das Europaparlament der Kommission eine Absage erteilt, in diesem Bereich legislativ tätig zu werden.

Fazit

In Zeiten knapper Kassen und strapazierter Haushalte muss sich auch die öffentliche Hand zusehends dem Wettbewerb stellen. Es kann aber nicht darum gehen, Privatisierung als Allheilmittel zu betrachten. Ziel muss vielmehr sein, die Wasserver- und Wasserentsorgung in Deutschland wirtschaftlich und in gewünschter Qualität zu gestalten. Wasser ist ein öffentliches Gut, ein Lebensmittel, und es gehört uns allen!

Entgegen der Annahme der Kommission sorgt der Vorschlag gerade im Bereich der Trinkwasserversorgung  nicht für mehr Transparenz, sondern für weitere Bürokratie und letztlich für höhere Kosten für die Verbraucher. Im Wassersektor muss sich die Besonderheit des Lebensmittels Trinkwasser wiederfinden. Bei einer EU-weiten Ausschreibungspflicht der Konzessionen im Wasserbereich steht zu befürchten, dass die Qualität dieser Versorgung mit dem Lebensmittel Wasser zum Nachteil der Bürger sinkt.