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15.02.2016 11:20 Alter: 8 yrs
Kategorie: Digitalisierung

Neue Geschäftsmodelle braucht das Land

Die Energiewende ist der Weg in eine sichere, umweltverträgliche und wirtschaftlich erfolgreiche Zukunft – so formuliert es das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Gepflastert ist dieser Weg jedoch mit diversen Stolpersteinen. Es braucht neue Geschäftsmodelle. Die Energieversorgungsunternehmen haben dafür eigentlich gute Voraussetzungen.   Ein Gastbeitrag von Jens Apelt, Lehrbeauftragter im Masterstudiengang Energiemanagement und Energiesysteme an der University of Applied Sciences Esslingen und Geschäftsführer der Creos Deutschland Holding GmbH.


Foto: Creos Deutschland Holding GmbH

Energiewirtschaft ist innovativ. Im Laufe der Jahre haben die Unternehmen eine Vielzahl kreativer Geschäftsmodelle entwickelt, vom Contracting über Photovoltaik-Pacht- und Mietermodelle bis hin zu Investitionen in Bürgerenergieanlagen, Pooling und Arealnetzversorgungen. Auch Systemdienstleistungen, wie Netzengpassmanagement oder Blindleistungsmanagement gehören hierzu, ebenso die Lieferung von Regelenergie Strom und Gas oder das Bilanzkreismanagement. Die Kosten für die Geschäftsmodelle zwischen Energieerzeugern, Energiehändlern und Netzbetreibern werden am Ende über Netzentgelte und Umlagen aber dem Endkunden berechnet.

Trend zur Eigenversorgung

Studiert der Verbraucher die Rechnung seines Energieversorgers aufmerksam, stellt er fest, dass weniger als 50 % der Kosten auf den tatsächlichen Energieverbrauch entfallen und die andere Hälfte aus Steuern, Abgaben und Umlagen besteht. Hier gibt es für den Kunden enormes Einsparpotenzial.

Daher ist der Trend hin zur Selbstversorgung ungebrochen. Mit dem Anschluss z. B. energiespeichernder Batterien an die Photovoltaik- Anlage, können sich Kunden zunehmend von der öffentlichen Energieversorgung unabhängig machen. Dieser Trend wird sich nicht aufhalten lassen. Aber die Energieunternehmen können ihn aufgreifen und davon profitieren. Ganz nach dem Motto:

Wenn schon Eigenversorgung, dann professionell gemanagt.

Warum nicht auf Vernetzung von eigenversorgten Häusern setzen? Etwa innerhalb des eigenen Viertels, der nächsten Nachbarschaft, wo vorhandene Ressourcen geteilt und verteilt werden können. Dieses Prinzip funktioniert mit unterschiedlichen Energieträgern. Die Hauptversorgung erfolgt autark, innerhalb des Viertels und weitgehend abgekoppelt vom öffentlichen Netz. Trotzdem wird nicht ausschließlich für den Eigenverbrauch produziert, denn lokal und nachbarschaftlich sind die Haushalte untereinander vernetzt.

Von der „Solidarität im Kleinen“ profitieren auch Haushalte, die wegen ihrer geografischen Lage oder weil sie Mieter sind, selber keinen Strom mit Solarzellen oder Windkraft produzieren können. Diese Haushalte werden mit denjenigen in der Nachbarschaft vernetzt, die viel Sonne oder Wind abbekommen.

Auch auf vertikaler Ebene findet eine Kopplung statt: Es werden unterschiedliche Wertschöpfungsstufen miteinander verbunden: Erzeugung, (Areal)-Netz und Vertrieb. Aber um ein solches Geschäftsmodell zu realisieren, wird das gebündelte fachliche Know-how aus jedem dieser Bereiche benötigt.

Hin zu individueller Energiewirtschaft?

Für Unternehmen, die auf individuelle Lösungen setzen, ergibt sich die Marge aus zwei wesentlichen Positionen: Zum einen aus der Energieeinsparung – hier teilen sich Kunde und Unternehmen die eingesparten Kosten. Zum anderen errechnet sich der Gewinn aus der Einsparung der Umlagen. Heute werden mehr als 25 Milliarden Euro pro Jahr an Subven tionen für „grünen Strom“ umgelegt. Jeder einzelne Stromkunde bezahlt hier mit.

Diese „Solidargemeinschaft“ zu verlassen, genau darauf setzen die neuen Geschäftsmodelle meist branchenfremder Anbieter. Worauf es also ankommen wird, ist den Kunden energiewirtschaftliches Optimum zu bieten, individuell bezogen auf ihre Wohnsituation.

Residuallast und EnergieFlatrate

Ausschlaggebendes Kriterium für die Gestaltung eines neuen Energiemodells ist die Vernetzung innerhalb eines Ortes oder Stadtviertels. Dabei dreht sich alles um den Strom- und Gaszähler, denn bei Haushalten ist er relevant für die Berechnung der Umlagen. Wo könnte der Energiezähler zukünftig installiert werden? Hat er seinen Platz weiterhin im Haushalt oder eventuell sogar außerhalb des vernetzten Gebietes, auch wenn dies bedeuten würde, sich von der bundesweiten Solidargemeinschaft und ihren Umlagen und Entgelten zu verabschieden? Eine vollständige Abkopplung von der öffentlichen Energie versorgung ist nicht realisierbar. Es wird in der Regel eine Residuallast geben, die von den großen Kraftwerken abgedeckt werden muss. Die Sicherung der Versorgung wird dadurch gewährleistet, dass der einzelne Haushalt und das Quartier weiterhin auch an das öffentliche Netz angeschlossen sind.

Hierfür entrichtet der Kunde einen fixen Jahresbetrag, vergleichbar mit der Internet- Flatrate. Im Gegenzug liefert der Versorger exklusiv die restliche Energie, die nicht von den im Quartier vorhandenen Ressourcen abgedeckt werden kann.

Google, Tesla, Telekom und Unbundling

Durch gesetzliche Unbundling-Regelung dürfen Netzbetreiber, Vertriebe und Erzeuger nur eingeschränkt zusammenarbeiten. Die Branche arbeitet teilweise gegen - statt miteinander. Einer der Gründe, warum branchenfremde Firmen die Chance wittern, traditionellen Energieunternehmen ernsthaft Konkurrenz zu machen.

So hat Google das Projekt Sunroof ins Leben gerufen, bei dem die User über ein Tool ausrechnen können, ob sich die Anschaffung einer Photovoltaik-Anlage für sie lohnt. Falls ja, können sie mit wenigen Mausklicks gleich den Installationsauftrag erteilen. Tesla wird Batterien mit bis zu zehn Kilowattstunden Speicherkapazität auf den Markt bringen. Nicht größer als ein Reisekoffer, lassen sie sich einfach im Keller oder an der Hauswand installieren. Kombiniert mit der PV-Anlage von Google lässt sich mühelos der Strombedarf eines Vierpersonenhaushalts in dunklen Abend stunden decken. Mit einer 3 kW-Anlage könnten sich die Kunden fast komplett von der öffentlichen Stromversorgung abkoppeln.

Auch die Themen „smart grid“ und „smart meter“ sind hochaktuell. Es ist spannend, welche Möglichkeiten es künftig aufgrund der Digitalisierung geben wird. Doch wer kümmert sich um die Datenflut? Dafür wappnet sich ebenfalls Google, aber auch die Telekom, die diese Daten verarbeiten und nutzen will.

 

Eigene Stärken ausspielen

Wir sollten nicht zulassen, dass branchenfremde Firmen der deutschen Energie wirtschaft die Butter vom Brot nehmen. Wenn jemand Versorgungskomplexität versteht, dann ist es „die Energiewirtschaft“. Nicht „der Netzbetreiber“ oder „der Strom erzeuger“, sondern DIE Energiewirtschaft, die alles vereint.

Hier bieten sich insbesondere für die Stadtwerke große Chancen, weil je nach Unternehmensgröße, alle erforderlichen Kompetenzen gebündelt vorhanden sind und langjährige Kundenbeziehungen bestehen.

Alternativ kann die Gründung neuer Unternehmen sein, welche Spezialisten der Energie wirtschaft aus allen Sparten und Wertschöpfungsstufen vereinen. Diese können die Komplexität des Marktes überschauen und kreative sowie wirtschaftliche Lösungen für denjenigen erarbeiten, der am Ende alles bezahlt – den Kunden. Wenn die Energiebranche das Scheuklappen-Denken beibehält, wozu die Brüsseler Politik mit den Unbundling- Rege lungen gezwungen hat, wird weiterhin eher gegeneinander als miteinander gearbeitet.

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