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< Smarte Energiewende aus dem Nordosten Deutschlands
21.06.2019 11:23 Alter: 5 yrs

Netz- und systemdienliche Flexibilitätsoptionen heben

Unser Stromsystem befindet sich im Wandel: von der verbrauchsorientierten Erzeugung hin zu einem flexibilisierten Verbrauch. Die Bereitschaft von Verbrauchern wächst, ihre Flexibilitätspotenziale netz- und systemdienlich zur Verfügung zu stellen. Um netzdienliche Flexibilitätsoptionen zu heben, fehlt allerdings bisher der gesetzliche Rahmen.


Grund genug für den Bundesverband Neue Energiewirtschaft e. V. (bne), der Bundesregierung den Vorschlag zur Einführung eines dezentralen Flexibilitätsmechanismus zu unterbreiten. Robert Busch, Geschäftsführer des bne informiert aktuell in THEMEN|:magazin über wesentliche Punkte des bne-Vorschlages.

Foto: Nicole Graether

Die Energiewende findet im Verteilnetz statt: Rund 95 % der Erneuerbare-Energien-Erzeugungsanlagen sind an das Verteilnetz angeschlossen. Zusätzlich sind auch Energiespeicher, Wärmepumpen und Elektrofahrzeuge hier eingebunden. Bisher sind die Stromnetze nicht ausreichend darauf ausgelegt. Um die Verteilnetze fit für die Energiewende zu machen, müssen die aktiven Energiekunden in den Mittelpunkt gestellt werden, also jene, die sich bereit erklären, ihre Flexibilitätspotenziale zur Verfügung zu stellen.

Worum geht es bei der Konkretisierung des § 14a EnWG sowie der Anpassung von § 19 Abs. 2 Satz 1 u. 2 StromNEV? Ausgangspunkt ist das Szenario, wenn viele Verbraucher, etwa bei niedrigen Strompreisen, gleichzeitig elektrische Anwendungen wie Heizungen oder Speicher in Betrieb nehmen.

Die Gleichzeitigkeiten werden mit einer Ausweitung der Energiewende auf den Wärme- und Verkehrssektor weiter zunehmen. Ein Schlüssel zur Lösung dieser Herausforderung liegt in der Vernetzung von Erzeugung und Verbrauch über eine automatisierte Mess- und Steuerungsinfrastruktur. Ein bundesweit einheitliches System, das Flexibilitätspotenziale nutzbar macht, ist längst überfällig.

Wie ist der aktuelle Stand?

Zwar regelt seit 2016 der § 14a EnWG, dass Verbraucher im Bereich der Niederspannung ein reduziertes Netzentgelt zahlen, wenn sie ihr Verbrauchsverhalten netzdienlich steuern (lassen). Bisher lässt sich das Flexibilitätspotenzial von Wärmepumpe & Co. aber noch nicht realisieren, da seit 2016 die Verordnungsermächtigung mit genauer Ausgestaltung von § 14a EnWG fehlt.

So ist es nicht möglich, den Verbrauch von „14a-Anlagen“ zielgerichtet nach Erzeugung und Netzauslastung zu steuern und Flexibilität entsprechend kosteneffizient zu realisieren. Stattdessen werden die steuerbaren Verbrauchseinrichtungen hauptsächlich in starren Zeitfenstern abgeregelt. Und sehr oft lässt eine veraltete Mess- und Steuertechnik, mit der die steuerbaren Verbrauchsgeräte angebunden sind nicht zu, dass die Flexibilität der Anlagen in den restlichen Stunden eingesetzt und vermarktet werden kann.

Es geht nun darum, dieses System der Netzentgeltreduktion nach § 14a EnWG abzulösen und durch eine neue Logik zu ersetzen. Wer bei den Netzentgelten bessergestellt sein will als andere, muss nach neuer Logik in bestimmten Zeiträumen (Viertelstunden) bereit sein, sein Verbrauchs- oder Einspeiseverhalten anzupassen. Dies ist bei einer Vielzahl an Anwendungen ohne Komfortverlust für den Kunden möglich. Wer nicht am Flexibilitätssystem teilnehmen möchte, zahlt ein normales Netzentgelt. Kunden ohne entsprechende Flexibilitätspotenziale sind von der Regelung ohnehin nicht betroffen.

Wie funktioniert dezentraler Flexibilitätsmechanismus praktisch?

Das Konzept des bne sieht vor, dass die Verteilnetzbetreiber in ihrem Versorgungsgebiet Bereiche und Zeitfenster ermitteln, in denen etwa ein gleichzeitiger Abruf der maximalen Anschlussleistung durch die angeschlossenen Kunden (etwa für Heiz- oder Ladestrom) vermieden werden soll, um das Netz stabil zu halten. Hierfür gibt er die Viertelstunden an, in denen er nicht möchte, dass die gesamte theoretisch verfügbare Leistung gezogen wird oder in denen er nicht möchte, dass alle kleineren dezentralen Einspeiser zeitgleich einspeisen.

Dabei darf eine Mindestkapazität des Anschlusses vom Nutzer weiter verwendet werden. Ein Beispiel wären 25 % der Anschlussgröße. Dies bedeutet, dass ein Kunde in dem benannten Zeitfenster 25 % der maximalen Leistung seines Anschlusses frei nutzen darf. Für diese Menge zahlt er die normalen, nicht reduzierten Netzentgelte. Für die restlichen 75 % gelten die vom Verteilnetz betreiber bestimmten Beschrän kungen; es greift der Flexi bilitäts bonus. Der Verteil netzbetreiber kann die Vorgaben für bestimmte Gebiete seines Ver sorgungsge bietes festlegen; hier sind auch Überschnei dungen mit anderen Betreibern möglich und erwünscht, etwa um eine gemeinsame Steuer- und Leitinfrastruktur aufzubauen.

Was ist bei der Gestaltung zu beachten?

Ein solch neu aufzusetzender Flexibilitätsmechanismus muss bundesweit gelten und auf standardisierten Verfahren beruhen. Denn das Angebot an Flexibilität sollte allen Kunden zu vergleichbaren Konditionen zur Verfügung stehen. Dazu müssen auch diejenigen Gewerbe und Industriebetriebe zählen, die aktuell von einer Entgeltreduktion für eine atypische Netznutzung (also etwa nachts) oder für einen kontinuierlichen und damit wenig flexiblen Energieverbrauch profitieren. Diese Vergünstigungen aus der Stromnetzentgelt verordnung passen nicht mehr in ein System mit fluktuierender Einspeisung und flexiblen Verbrauchern.

Hinsichtlich der Kosten, setzt der Flexibilitätsmechanismus auf die bestehenden Netzentgeltreduktionen in § 14a EnWG sowie § 19 Abs. 2, Satz 1 und Satz 2 auf. Das System erzeugt damit keine zusätzlichen Mehrkosten. Statt pauschaler Reduktion der Netzentgelte erhalten Verbraucher einen Betrag als Bonus ausgezahlt, wenn sie ihre Flexibilitäts potenziale einbringen. Wer dies nicht tut, zahlt das normale Netzentgelt.

Welche Rolle übernehmen die Vermarkter?

Flexibilitätsvermarkter oder Aggregatoren poolen Kunden etwa mit Heizstromanlagen oder auch mit Elektroautos und sorgen per Steuerinfrastruktur dafür, dass die vom Verteilnetzbetreiber bekannt gegebenen Leistungs beschränkungen in den entsprechenden Zeitfenstern eingehalten werden. Den dafür erhaltenen Flexibilitätsbonus geben sie anteilig an ihre Kunden weiter. Der Vertrieb ist frei in der Art und Weise, wie er die Vorgaben über seinen Pool an Kunden einhält. Dies gibt Raum für verschiedene Geschäfts modelle zum Einsatz von Flexibilitäten. In den nicht beschränkten Zeitfenstern können sie die Flexibilitätspotenziale ihrer Kunden frei vermarkten. Um auch für die Netzbetreiber eine bessere Planbarkeit zu erreichen, sollen sich Kunden jeweils für ein Jahr zur Teilnahme am Flexibilitätsmechanismus bereit erklären.

Änderungen am regulatorischen Rahmen und Zeitrahmen

Für die Einführung des dezentralen Flexibilitätsmechanismus ist die Verordnung nach § 14a EnWG zu konkretisieren. Und der Flexibilitätsbonus soll die bisher geltenden Netzentgeltreduktionen für steuerbare Verbrauchs geräte nach § 14a EnWG sowie die in § 19 Abs. 2 der StromNEV geregelten individuellen Netzentgeltregelungen ersetzen. Seit 2016 fehlt die Verordnung nach § 14a EnWG. Das Bundeswirtschaftsministerium lässt zur Zeit gutachterlich Flexibilitäten in der Nieder spannung prüfen und wie diese genutzt werden können. Im Juni 2019 wurde nun bekannt, dass sich die Veröffentlichung auf einen unbestimmten Termin verschiebt. Das immer noch brachliegende Flexibilitätspotenzial in der Niederspannung zeigt: Der Handlungsbedarf von Bundes regierung und Behörden ist entsprechend akut.

Weitere Informationen unter: Opens external link in new windowwww.bne-online.de

Grafik: bne