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11.12.2020 11:43 Alter: 3 yrs

Künstliche Intelligenz 2.0 im Energiesektor

Welche Innovationen im Bereich der Künstlichen Intelligenz werden zukünftig die Digitalisierung der Energiewirtschaft revolutionieren? Markus Kraft, Direktor von CARES - Cambridge Centre for Advanced Research and Education in Singapore Ltd und Professor im Department of Chemical Engineering and Biotechnology an der Universität Cambridge und Volker Flegel, Geschäftsführer der Celron GmbH, informieren in einem Gastbeitrag für themen|:magazin über globale Trends im Bereich der Künstlichen Intelligenz und deren Implikationen für die Energiewirtschaft.


Prof. Dr. Markus Kraft, University of Cambridge CARES Ltd. CMCL Dr. Volker Flegel,

Es ist keine Frage mehr, ob, sondern wie und mit welchem Mehrwert KI in der Energiewirtschaft eingesetzt werden kann. Entsprechende Systeme und Algorithmen stehen zur Verfügung.

Künstliche Intelligenz 2.0

Daten, Informationen und das durch deren subjektive Interpretation abgeleitete Wissen sind unabdingbare Grundlagen von intelligenten Verhaltensformen und von Systemen zur Nachbildung menschlicher Entscheidungsstrukturen. Die bisher im Bereich Künstlicher Intelligenz (KI) entwickelten Systeme sind vornehmlich auf die Beherrschung massenhafter Daten und Informationen ausgerichtet, etwa zur Mustererkennung in finanziellen, maschinellen oder optischen Anwendungsbereichen. Beispielsweise können autonome Fahrzeuge bereits mit einer Wahrscheinlichkeit von bis zu 90 % Verkehrsschilder mit Geschwindigkeitsbeschränkungen vor temporären Baustellen erkennen, allerdings sind sie bei fehlender Signalisierung einer Aufhebung der Geschwindigkeitsbeschränkung noch erheblich überfordert.

Umfassende Forschungs- und Entwicklungsvorhaben beschäftigen sich daher mit einer Intensivierung der Wissenskomponente, deren zu erwartende revolutionäre Ergebnisse die „Künstliche Intelligenz 2.0“ begründen.

CARES/CMCL-Plattform

Zur zukunftsweisenden Erschließung von Daten, Informationen und Wissen entwickelt das Cambridge Centre for Advanced Research and Education in Singapore CARES Ltd. gemeinsam mit der Ausgründung Computational Modelling Cambridge Ltd. (CMCL) eine Plattform (theworldavatar. com), die durch Anwendung eines dynamischen Wissensgraphen die sich laufend verändernde Natur der Welt berücksichtigt. Einen wesentlichen Arbeitsschwerpunkt bilden dabei Lösungen für den Energiesektor und die Energiewende.

Stark vereinfacht dargestellt kombiniert die CARES/ CMCL-Plattform folgende Arbeitsebenen: • Aktive Anwendungsebene: Aktive Agenten verändern den Wissensgraph in Form von laufenden Software-Applikationen bzw. Systematik von logischen Relationen zur Integration, Analyse und Simulation der Daten, Agenten und deren Konzepte. Perspektivisch ist auf dieser Basis auch eine vollautomatisierte Steuerung von Geschäftsprozessen oder die Entwicklung neuer Materialien vorstellbar.

• Dynamische Wissens- und Datenebene:

Dynamischer Wissensgraph enthält insbesondere Bestands- und Betriebsdaten über Anlagen-, Netze und Geschäftsprozesse in Echtzeit, aber auch passive Agenten und Konzepte für Daten und Agenten.

Der wesentliche Nutzen dieses Ansatzes besteht in der zukunftsweisenden Kombination einer dynamischen Wissens- und Datenbasis und einer sehr flexiblen Gestaltung von Anwendungen für die Erschließung des Nutzens dieser Wissens- und Datengrundlagen. Dabei können sowohl die Bereitstellung der Datengrundlagen als auch die Datennutzung unternehmensin- und extern erfolgen, um innovative Geschäftsmodelle und Formen der Zusammenarbeit zu ermöglichen. Der Hauptnutzen der CARES/CMCL-Plattform resultiert aus der Ermöglichung von Interoperabilität und der Schaffung einer sich laufend selbst verbessernden Live- Darstellung der Welt oder bestimmter Aspekte der Welt. Beispielsweise ermöglicht die CARES/CMCL-Plattform ein deutlich besseres Verständnis der Zustandsformen eines Unternehmens hinsichtlich Energieverbrauch, Emissionsaufkommen oder der Asset-Situation. Ergänzend werden Analysen von Live-Szenarien ermöglicht und Entscheidungsempfehlungen bereitgestellt. „Digitale Zwillinge“ von Anlagen, Netzen, Gebäuden etc. unterstützen Interaktionen durch intelligente Verträge und andere Blockkettenkonzepte. Darüber hinaus intensiviert die Schaffung unternehmensübergreifender Standards die Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle durch die gemeinsame Nutzung von Daten.

Exemplarische CARES/CMCLAnwendungen im Energiesektor

Durch den Einsatz der CARES/CMCL Plattform wurden im Energiesektor bereits mehrere konkrete Anwendungsfälle erfolgreich realisiert, beispielsweise:

• Erzeugungsoptimierung: Steuerung und Optimierung eines gasgefeuerten Kraftwerks durch Analyse der Auswirkungen von Einspeisestörungen auf das elektrische Netz (z. B. Frequenzstörungen, Entscheidungsgrundlagen zur Optimierung der Trafo-Dimensionierung)

•Last-/Flexibilitätsmanagement: Reduzierung der Spitzenlast im Vergleich zur Durchschnittslast zwecks Entlastung der Stromnetze sowie zur Realisierung von Kosteneinsparungen

• Emissionsmanagement: Vollautomatisierte Visualisierung der Ausbreitung der Luftverschmutzung (CO2, HC, PM) eines öl-gefeuerten Kraftwerks basierend auf Anlagendaten, Emissionsdaten, Klimadaten, topografischen Daten, etc. in Echtzeit

• Speicheroptimierung: Auswahl und Standortoptimierung von Energiespeichersystemen zwecks Reduzierung von CO2-Emissionen und Förderung Erneuerbarer Energien

• Portfoliooptimierung: Ermittlung der Mindest-CO2- Steuer zur Motivation des Ersatzes von konventionellen durch alternative Energieerzeugungsanlagen einschließlich Standort- und Netzanbindungsoptimierung sowie von ergänzenden Bewertungen der daraus resultierenden Auswirkungen auf das Stromnetz

• Gebäude-Management-Systeme: Optimierung des Energieverbrauchs in Gebäuden durch KI und direkte Interaktion mit Nutzern beispielsweise durch Empfehlung von Verhaltensänderungen

• Automatische Modellverbesserung: Maschinelle Lernund KI-Algorithmen erzeugen und verbessern Simulationsmodelle auf der Grundlage vorhandener und eingehender Daten. Dies führt u. a. zu verbesserten quantitativen Strukturbeziehungen für Materialien. Beispiel dafür sind effizientere Solarzellen.

Weitere Anwendungsfälle befinden sich aktuell in der Konzeptions- und Erprobungsphase, so im Bereich der Sektorenkopplung Strom/Wärme durch die Optimierung der Steuerung von Erzeugungsanlagen.

Empfehlungen für den Einsatz Künstlicher Intelligenz

Gemäß dena-Umfrage bewerten 74 % der Entscheidungsträger im Energiesektor den Einsatz Künstlicher Intelligenz im Energiesektor als positiv/eher positiv. Diese Einschätzung gilt in besonderem Maße für die erfolgreiche Beherrschung der Energiewende. Die zunehmend erfolgskritischere Herausforderung ist dabei die Systemintegration der Erneuerbaren Energien, d. h. die räumliche und zeitliche Synchronisation der Energieerzeugung mit dem Energieverbrauch. In diesem Zusammenhang entstehende Datenmassen (z. B. zur Einspeisung, Klimasituation, Netzauslastung, Lastentwicklung) erhöhen nachhaltig den Bedarf an intelligenten Systemlösungen, um die exponentiell zunehmende Komplexität zu beherrschen, kritische Infrastrukturen besser zu nutzen, Flexibilitäten zu erschließen und die Stabilität des Energiesystems abzusichern.

Durch die umfassenden Anstrengungen zur Förderung der Sektorenkopplung von Strom, Wärme und Verkehr sowie die zunehmende Digitalisierung von Geschäftsprozessen resultieren ergänzende Anforderungen, die ausschließlich durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz technisch und wirtschaftlich beherrschbar erscheinen.

Der konkrete Nutzen durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz kann je nach Anwendungsfall und in Abhängigkeit vom Unternehmen sehr unterschiedlich ausfallen. Gemäß einer STATISTA-Erhebung erwarten 53 % der Energieunternehmen in Deutschland in den nächsten 1-5 Jahren Effizienzsteigerungen von 10-30 % durch den KI-Einsatz.

Abbildung: CARES/CMCLPlattform (exemplarisch) Grafik: Celron

Einsatz KI im Energiesektor

Für den Einsatz Künstlicher Intelligenz im Energiesektor eignen sich prinzipiell alle Bereiche der Wertschöpfungskette und alle KI-Ausprägungsformen von Prognosesystemen bis hin zur Erbringung smarter Dienstleistungen. Eine besonders hohe Eignung sehen wir dabei in Bereichen mit „hoher Planungsunsicherheit“ (z. B. Systemintegration von Erneuerbaren Energien, Flexibilitätsmanagement, Kundenprozesse) sowie in allen „Schnittstellenbereichen“ zwischen den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr, den sogenannten „Power-to-X-Technologien“.

Aktuell nehmen im weltweiten Vergleich der Technologie-, Forschungs- und Entwicklungskompetenzen für den KI-Einsatz im Energiesektor die USA, China und Japan Führungspositionen ein. Beispielsweise zählt der Stromnetzbetreiber State Grid (China) zu den TOP 20-Unternehmen weltweit gemessen an der Anzahl von erteilten KI-Patenten.

Auch wenn sich die Unternehmen des Energiesektors in Deutschland noch in einem frühen Stadium des KI-Einsatzes befinden, verfügen diese jedoch infolge der bereits generierten Erfahrungen im Prozess der Energiewende sowie weitreichender IT-Kompetenzen über eine sehr gute Ausgangsposition für die Entwicklung innovativer KI-Anwendungen.

Für die Beherrschung der Chancen und Risiken zeigen sich folgende Empfehlungen für den Einsatz Künstlicher Intelligenz besonders erfolgskritisch:

• Systematische Identifikation potenzieller Anwendungsfelder: Ermittlung aller potenziellen KI-Anwendungsbereiche entlang der Wertschöpfungskette

• Priorisierung: Portfolioanalyse realisierbarer Kosten- und Wettbewerbsvorteile in Relation zur erwarteten Umsetzungsdauer für alle identifizierten KI-Anwendungsbereiche

• Proof-of-Concept: Selektion eines abgrenzbaren Anwendungsfeldes für die Entwicklung einer KI-Lösung zwecks Demonstration der technischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit

• Projektierung: Systematische Analyse, Bewertung und Übertragung erfolgreicher KI-Lösungen auf weitere Geschäftsprozesse, Geschäftsfelder, Beteiligungsunternehmen etc. einschließlich Ableitung einer KI-Roadmap

• Strategische Partnerschaften: Systematische Integration von komplementärem, externem Know-how (branchenintern/-übergreifend)

• Ergebnis-Controlling: Konzeption und Anwendung einer Bewertungslogik für die systematische Nutzenermittlung durch Vergleich der bisherigen, konventionellen und der innovativen KI-Lösungen

• Stakeholder Management: Proaktive, informatorische Einbeziehung erfolgskritischer Stakeholder wie z. B. Anteilseigner, Arbeitnehmervertreter, insbesondere zur Adressierung von ethischen und sicherheitstechnischen Aspekten

 

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