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15.02.2021 11:17 Alter: 3 yrs

Klimaschutzpolitik 2030: Zielführend aus Sicht der Energiewirtschaft?

Welche Auswirkungen hat die Klimaschutzpolitik 2030 auf Innovationen, Investitionen, Effektivitat und Wettbewerbsfahigkeit seitens der Energiewirtschaft? Und welchen Anderungsbedarf der regulatorischen Grundlagen sieht der Wirtschaftszweig? Diese Fragestellungen bildeten den Rahmen einer online durchgefuhrten Marktstudie/Expertenbefragung der Celron GmbH im Auftrag des Forum fur Zukunftsenergien. Exklusiv fur THEMEN!magazin informieren Dr. Annette Nietfeld, Geschaftsfuhrerin des Forum fur Zukunftsenergien e. V. und Markus Teichmann, Geschaftsfuhrer der Celron GmbH zu Ergebnissen der Expertenbefragung.


Dr. Annette Nietfeld, Geschäftsführerin, Forum für Zukunftsenergien und Markus Teichmann,

Die Ergebnisse der Expertenbefragung wurden im Rahmen des „Energy Chat in der Reinhardt“, dem Online-Format des Forum für Zukunftsenergien, am 2. Februar 2021 von Dr. Volker Flegel, Geschäftsführer Celron GmbH vorgestellt und unter der Moderation von Dr. Annette Nietfeld diskutiert.

Zur Umsetzung der Klimarahmenkonventionen der Vereinten Nationen hat sich kürzlich in Deutschland das Inkrafttreten des Klimaschutzprogramms 2030 gejährt. In Ergänzung mit dem Bundes-Klimaschutzgesetz sowie weiteren Maßnahmengesetzen und Verordnungen werden folgende Zielsetzungen angestrebt:

∙ Treibhausgasneutralität bis 2050 und Verringerung der Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Jahr 1990 um mindestens 55 Prozent bis zum Zieljahr 2030

∙ Ausbau der Stellung Deutschlands als innovativer Leitanbieter und Leitmarkt für klimafreundliche Technologien sowie nachhaltige Impulse für Wachstum und Wohlstand

∙ Vermeidung höherer, umweltbedingter Schadens- und Anpassungskosten sowie des kostenintensiven Zukaufs von Emissionszuweisungen aus dem Ausland bei Zielverfehlungen

∙ Festlegung einer jährlich sinkenden Jahresemissionsgrenze für die Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft sowie Abfallwirtschaft inkl. Nachsteuerungsverpflichtung

∙ Klimaneutrale Bundesverwaltung bis 2030 ∙ Größtmögliche Transparenz durch Ergebnisveröffentlichungen des Umweltbundesamtes und Erfolgskontrolle durch einen unabhängigen Expertenrat.

Diese Zielsetzungen bestimmen die weitere strategische Ausrichtung von Organisationen in der Energiewirtschaft und beeinflussen deren künftigen Handlungsspielraum. Informationen zu Erwartungshaltungen sind deshalb eine wesentliche Grundlage für künftige Handlungserfordernisse und Entscheidungen. Die Ergebnisse dieser Expertenbefragung stellen damit eine belastbare Basis dar, auf deren Grundlage Handlungsempfehlungen seitens der Energiewirtschaft an Politik und Stakeholder abgeleitet werden können.

Zielsetzungen der Expertenbefragung

Um die Effekte der Klimaschutzpolitik 2030 in ihrer Wirkung auf die Energiewirtschaft zu ermitteln, wurden die Einschätzungen von Entscheidungsträgern der Energiewirtschaft zu folgenden Themenfeldern aufgenommen:

∙ Innovationen: Auswirkungen auf das Innovationsmanagement und Maßnahmen zur Erhaltung der Innovationsfähigkeit im Bereich klimafreundlicher Technologien

∙ Investitionen: Konsequenzen für Investitionsprogramme und Investitionssicherheit ∙ Effektivität: Wirkungsgrad wesentlicher Elemente der Klimaschutzpolitik 2030 im Hinblick auf die Realisierbarkeit unternehmens- und sektorspezifischer Klimaschutzziele

∙ Wettbewerbsfähigkeit: Auswirkungen angestrebter Klimaschutzmaßnahmen auf die nationale, EU- und internationale Wettbewerbsfähigkeit

∙ Identifikation von Anforderungen an die Legislative: Weiterentwicklungserfordernisse für die Klimaschutzpolitik 2030.

Themenfeld Innovationen

Eine primäre politische Zielsetzung sind erfolgskritische Rahmenbedingungen zur Stärkung Deutschlands als innovativer Leitanbieter und Leitmarkt für klimafreundliche Technologien. Welche Auswirkungen hat hier die Klimaschutzpolitik 2030 auf die Innovationsprogramme der Organisationen?

95 % der Befragten gaben an, dass die Klimaschutzpolitik 2030 Innovationen als auch die Implementierung marktfähiger Produkte und Dienstleistungen fördert und stabilisiert. Dabei werden konkrete Maßnahmen wie thematisch und zeitlich definierte Projektförderung und Reallabore als innovative Leitmotive gesehen. „Pauschale“ Forschungsprogramme und Maßnahmen werden als nachrangig erachtet.

Themenfeld Investitionen

Die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen erfordert signifikante Investitionen und verlässliche Rahmensetzungen durch die Politik. In welchem Umfang wirken sich dabei aktuelle Ziele wie das CO2-Minderungsziel und seine angekündigte Erhöhung aus?

95 % der Befragten sprechen sich für eine Weiterführung der Investitionen aus. Durch die gesetzten Minderungsziele sei zwar prinzipiell Planungssicherheit gegeben, die allerdings durch Widersprüche in den Klimaschutz-Gesetzen und Verordnungen beeinträchtigt wird. Etwa 80 % der Befragten erwarten weitere Klimaschutz-Zielverschärfungen. Sie beabsichtigen in diesem Fall überwiegend eine Intensivierung der Klimaschutzanstrengungen (40 %). Allerdings denken rd. 30 % über einen Rückzug aus bestimmten Geschäftsfeldern nach. Eine untergeordnete Rolle spielt dabei die Verlagerung von Geschäftsaktivitäten und/oder Investitionen in das Ausland (7 %).

Themenfeld Effektivität

Welchen Wirkungsgrad leisten die wesentlichen Elemente der Klimaschutzpolitik 2030 zur Realisierung der organisations- und sektorspezifischen Klimaschutzziele? Unmittelbar wirksamen Gesetzen und Verordnungen (z. B. BEHG, EnWG, KvbG, KWKG, TEHG sowie dem Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität) mit „spür- und messbaren“ Ergebnissen werden ein überproportionaler Stellenwert zur Erreichung der nationalen Klimaschutzziele beigemessen.

Ihre Klimaschutz-Anstrengungen in den Organisationen würden 44 % der Befragten bis 2030 um bis zu 10 % erhöhen und Investitionen mit nachteiligen Effekten für das Klima unterlassen. Im Hinblick auf Klimaneutralität 2050 werden Maßnahmen mit hoher Kausalität zur Energiewirtschaft (z. B. Steuer- und Abgaben-Anpassungen, H2-Strategie, Gebäude-Klimaschutzplan) als besonders bedeutsam eingestuft. Zur Erreichung der sektorspezifischen Emissionsziele wird die Wirksamkeit der Klimaschutzmaßnahmen in allen Sektoren außer Verkehr als unzureichend angesehen, sektorspezifische Ziele und Maßnahmen sollten dementsprechend fokussiert und geschärft werden. Annähernd die Hälfte aller Befragten (47 %) misst der CO2-Bepreisung eine unzureichende Adäquanz bei.

Themenfeld Wettbewerbsfähigkeit

"Reaktionen auf aktuell erörterte Verschärfungen der Klimaschutzziele" untere Abbildung "Auswirkungen auf Investitionsprogramme im Bereich klimafreundlicher Technologien durch die
Klimaschutzpolitik 2030, Grafiken: Celron"

Die Beeinflussung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands durch die Klimaschutzpolitik 2030 ist von essentieller Bedeutung für die zukünftige wirtschaftliche und ökologische Orientierung sowie die Beherrschung der zunehmenden Globalisierung. Aus Sicht der Befragten fördern die Klimaschutzanstrengungen tendenziell die nationale (82 %) und die europäische Wettbewerbsposition (69 %) . Mit Blick auf die internationalen Märkte wird jedoch eine erhebliche Schwächung der Marktchancen befürchtet. Allen zur „Abmilderung“ von unerwünschten Nebeneffekten der Klimaschutzpolitik vorgesehenen finanziellen Entlastungsmaßnahmen (z. B. Subventionen und steuerlichen Vorteilen) für Wirtschaft und Bürger wird lediglich ein geringer bis mittlerer Nutzen zugestanden.

Der durch die Corona-Pandemie bedingte Rückgang der Co2-Emissionen z. B. im Verkehrssektor wird als temporär gesehen. So schätzen 74 % der Befragten die Auswirkungen als neutral bis vorteilhaft (74 %) ein. Als Indikatoren für diese Einschätzung werden ein überproportionaler Anteil Erneuerbarer Energien infolge von Energieverbrauchsreduzierungen durch Einschränkungen der Industrieproduktion und weniger Reiseaktivitäten benannt.

Themenfeld Legislative

In welcher Form und mit welchen Maßnahmen sollte die Legislative zukünftig die Umsetzung der angestrebten Klimaschutzziele unterstützen? Offensichtlich besteht signifikanter Handlungsbedarf: Jeder zweite Befragte hat (teilweise sehr umfassende) Anforderungen an die Legislative zur Weiterentwicklung der Klimaschutzpolitik formuliert.

Die Erwartungen betreffen vornehmlich folgende Cluster: Die ökologischen Zielsetzungen werden insgesamt als zu wenig ambitioniert und insbesondere als zu wenig ausgerichtet am übergeordneten Ziel der angestrebten Klimaneutralität bewertet. Bisher erlassene Regulierungsmaßnahmen gelten als zu wenig konkret, praktikabel und verlässlich, das Vertrauen in Marktmechanismen ist unterentwickelt. Als unzureichend werden die vorhandenen finanziellen Anreize und Kompensationen für klimaschützendes Verhalten bewertet. So sollten die Abschreibungszyklen der erforderlichen Investitionen in klimafreundliche Technologien stärker beachtet werden. Die Administration der Klimaschutzmaßnahmen (z. B. Anträge, Berichtswesen) und deren Steuerungswirkung werden als kontraproduktiv beurteilt. Und es wird eine geringe Ausgewogenheit der eingeleiteten Klimaschutzmaßnahmen mit unzureichendem Schutz vor wettbewerbsverzerrenden Belastungen (z. B. CO2-Abgaben) und unverändert bestehenden Sektoren-Quersubventionierungen attestiert.

Fazit der Expertenbefragung

Die befragten Führungskräfte aus dem Energiesektor bestätigen mit eindrucksvoller Mehrheit die Notwendigkeit und die Zielrichtung der Klimaschutzpolitik 2030. Es stellt sich keineswegs die Frage des „ob“, sondern vielmehr des „wie“ die Zielsetzungen der Bundesregierung erreicht werden können. Die Innovations- und Investitionsprogramme der Organisationen liegen weitestgehend auf einer Linie mit den vorgegebenen Rahmensetzungen und würden auch einer fallweise notwendigen Verschärfung der Klimaschutzziele folgen.

Im Hinblick auf die angestrebten Sektor-Emissionsreduzierungen und insbesondere die Klimaneutralität 2050 werden die eingeleiteten Maßnahmen jedoch als unzureichend bewertet. Als wesentliche Voraussetzungen für erweiterte Klimaschutzanstrengungen werden signifikante Verbesserungen hinsichtlich Konkretisierung und Kausalität der entsprechenden Gesetze und Verordnungen sowie eine deutlich geringere Bürokratie bei deren Umsetzung erwartet.

Ergebnis-Vorstellung und weitere Schritte

Im Rahmen einer Veranstaltung des Forum für Zukunftsenergien am 2. Februar 2021 wurden die Ergebnisse der Expertenbefragung per Videostream vorgestellt. Alle Teilnehmer erhalten den Ergebnisbericht per E-Mail. Weiterführende Diskussionsrunden und Round Tables zur Erörterung und Kommentierung der Ergebnisse dieser Expertenbefragung mit führenden Vertretern der Energiebranche bei Veranstaltungen des Forums für Zukunftsenergien gewährleisten, dass diese Ergebnisse einem breiten Kreis von Politikern sowie Entscheidern der Energiewirtschaft zugänglich gemacht werden und bei der Weiterentwicklung der Klimaschutzpolitik Impulse geben und Berücksichtigung finden können.

Weitere Information unter: www.zukunftsenergien.de