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< Die „Neuerer“ der Energie-Revolution
27.02.2020 08:43 Alter: 4 yrs
Kategorie: Transformation

Klimaschutz braucht Vielfalt

Um unseren Alltag weitgehend CO2-neutral zu gestalten, geht es nicht bloß darum, unser Verhalten zu ändern oder den Energieverbrauch deutlich effizienter zu gestalten. Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, sind treibhausgasreduzierte flüssige Energieträger unverzichtbar. Sie verfügen über eine enorm hohe Energiedichte und lassen sich daher besonders gut transportieren und speichern. Die dafür notwendige Infrastruktur ist zu großen Teilen bereits vorhanden.


Adrian Willig, Geschäftsführer, Institut für Wärme und Oeltechnik (IWO), Foto: IWO

Auch nach einem verstärkten Ausbau von heimischen Windkraft- und Solaranlagen wird Deutschland einen Energiemix benötigen und auf den Import erneuerbarer Energie angewiesen sein. Diese dann in Form alternativer Kraft- und Brennstoffe wie z. B. E-Fuels.

Eine Betrachtung von Adrian Willig.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat ein Aktionsprogramm des BMU für den Einsatz von strombasierten Brennstoffen (Power-to-X/PtX) vorgelegt und betont, dass PtX in Zukunft national und international einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten wird. Auf dem Weg in eine klimaneutrale Weltwirtschaft sei es nicht ausreichend, nur die Stromerzeugung auf erneuerbare Energien umzustellen. Wir begrüßen als IWO das Aktionsprogramm des BMU als einen ersten Schritt in die richtige Richtung.

In Zukunft werden wir erneuerbare Energie auch in Form speicherbarer Energieträger nutzen müssen. Neben einer Steigerung der Energieffizienz und dem Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung hierzulande, bilden diese die dritte Säule der Energiewende.

Für die Produktion solcher Future Fuels gibt es verschiedene „Pfade“, denn bei der Herstellung alternativer flüssiger Kohlenwasserstoffe können diverse Quellen genutzt werden. Eine wichtige Rolle werden alternative Brennstoffe aus regenerativen Abfall- und Reststoffen spielen, deren Herstellung ohne Nutzungskonkurrenz zu Agrarflächen oder Nahrungsmitteln auskommt. Aufgrund des absehbar großen Bedarfs gelten zudem E-Fuels als unverzichtbar, also synthetische Energieträger, die mittels PtX-Verfahren aus regenerativ erzeugtem Wasserstoff und CO2 als Kohlenstoffquelle hergestellt werden.

Warum brauchen wir synthetische flüssige Energieträger?

Flüssige Energieträger haben viele Vorteile: Sie sind gut speicherbar und leicht zu transportieren, sie haben eine hohe Energiedichte und verfügen über eine hervorragende Infrastruktur. Um diese Vorteile auch langfristig in der Energieversorgung nutzen zu können, wird an der Herstellung treibhausgasreduzierter flüssiger Kraft- und Brennstoffe geforscht.

Ein wesentlicher Aspekt dabei ist, dass sie in heute verfügbarer Technik ohne aufwändige Umrüstungen einsetzbar sein sollen. Das erhöht die Chance auf eine breite Akzeptanz der Energiewende: Klimaschutz wird möglich, ohne Versorgungswege und Anwendungstechnik kostenintensiv umbauen zu müssen.

Für E-Fuels und andere synthetische flüssige Energieträger trifft das zu: Sie sind vielfältig einsetzbar, etwa in Flugzeugen, Schiffen sowie im Bestand der rund 57 Millionen Kraftfahrzeuge und 5,5 Millionen Ölheizungen in Deutschland.

Globale Win-win-Situation

Deutschland wird laut der dena-Leitstudie „Integrierte Energiewende“ ab 2050 voraussichtlich bis zu 900 Terrawattstunden der grünen Brenn- und Kraftstoffe pro Jahr benötigen. Mit heimischen erneuerbaren Strom lassen sich solche Mengen nicht produzieren – und das ist auch gar nicht beabsichtigt. In anderen Ländern sind die Bedingungen für die Stromproduktion aus Sonnen- und Windenergie schließlich deutlich besser.

Damit ließen sich die E-Fuels nicht nur günstiger herstellen, sondern würden auch den Volkswirtschaften vor Ort positive Perspektiven eröffnen. Deutschland würde dann, wie bisher, Energie importieren: Allerdings keine fossilen Produkte, sondern weitgehend klimaneutrale neue Kraft- und Brennstoffe. Zugleich könnte die heimische Wirtschaft in einem globalen Markt für Future Fuels die Rolle eines Technologie-, Maschinen- und Anlagenexporteurs insbesondere für deren Herstellung übernehmen. Eine weltweite Win-win-Situation, von der auch jene Länder profitieren könnten, die derzeit noch von der Förderung fossiler Energieträger abhängig sind.

Gegen PtX-Produkte wird mitunter der Einwand erhoben, sie seien im Einsatz weniger effizient als die direkte Stromnutzung. Diese Kritik zielt jedoch am Thema vorbei. Denn es geht gar nicht um ein Entweder- oder. Wir werden künftig beides benötigen, direkte Stromnutzung und E-Fuels, damit eine ausreichende, sichere und bezahlbare klimaschonende Energieversorgung gewährleistet ist: Klimaschutz braucht Vielfalt. Dass diese Energieträger perspektivisch zu wettbewerbsfähigen Preisen hergestellt werden könnten und ein globaler PtX-Markt positive Perspektiven für die deutsche Wirtschaft und den internationalen Handel eröffnet, zeigen zudem aktuelle Studien.

Verlässliche Rahmenbedingungen erforderlich

Die Bedeutung erneuerbarer Kraft- und Brennstoffe wird auch von der Bundesregierung anerkannt. Bei PtX-Produkten will die Regierung die Entwicklung unterstützen. Diese Ansätze sind gut, reichen allerdings nicht aus. Denn jetzt kommt es darauf an, mit konkreten Maßnahmen ein dauerhaft verlässliches Umfeld für Investoren zu schaffen. Neben Forschungsaktivitäten und Reallaboren sind insbesondere geeignete Markteinführungsprogramme sowie eine kluge CO2-Bepreisung erforderlich. Durch einen erfolgreichen Markthochlauf, zum Beispiel im Verkehrssektor, könnten die Vorteile der erneuerbaren Energieträger dann auch in anderen Sektoren, etwa dem Gebäudebereich, zur Erreichung der Klimaziele eingesetzt werden. Hier sollte es nicht von vornherein Beschränkungen auf bestimmte Einsatzgebiete geben. Weitere Informationen unter Opens external link in new windowwww.futurefuels.blog.