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Industrielle Transformation verlangt Planungs- und Investitionssicherheit
„Die ohnehin schon hohen Energiekosten in Deutschland werden auch im nächsten Jahr nach oben getrieben und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen weiter gefährdet.“
Die Erreichung der Ziele bei der industriellen Transformation zur Klimaneutralität verlangt Planungs- und Investitionssicherheit. Es geht um die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Industrie und Transformation brauchen Verlässlichkeit, die Kraftwerksstrategie ist hierbei ein zentraler Faktor, unterstreicht Christian Seyfert, Hauptgeschäftsführer des VIK Verband der Industriellen Energie- & Kraftwirtschaft in seinem Gastbeitrag für THEMEN!magazin.
Die aktuelle Haushaltskrise konnte durch die Einigung in der Bundesregierung gelöst werden, jedoch wirken sich die getroffenen Entscheidungen massiv auf die Zukunftsfähigkeit des Standortes Deutschland aus. Viele lange angekündigte Maßnahmen haben sich weiter verzögert und sorgen für Stillstand. Diese anhaltende Unsicherheit gefährdet nicht nur die wirtschaftliche Stabilität, sondern auch die ambitionierten Ziele unserer Industrie bei der Transformation zur Klimaneutralität. Wenn wir als Wirtschaftsstandort diese hochgesteckten Ziele erreichen wollen und gleichzeitig eine Deindustrialisierung verhindern möchten, bedarf es zu Beginn zwei akuter Maßnahmen:
1. Zügige Vorlage grundlegender Zukunftsstrategien:
Die Unternehmen fordern schnellstmöglich die seit Monaten überfälligen Grundlagen wie die Kraftwerksstrategie, die Wasserstoffimportstrategie und die Carbon-Management-Strategie vorzulegen. Diese Strategien sind essenziell für Planungen, Investitionen und die Sicherung des geplanten Kohleausstiegs. Und auch bei den Differenzverträgen herrscht noch zu viel Unklarheit und Verunsicherung.
2. Erhalt der geplanten Entlastungen:
Die vergangenen Haushaltsdiskussionen haben bereits angekündigte Entlastungen für die energieintensive Industrie wieder zurückgenommen. Für die Transformation werden große private und öffentliche Investitionen in Infrastruktur und Produktionsanlagen notwendig sein. Dafür sind Planungs- und Investitionssicherheit unverzichtbar.
Energiepreise belasten energieintensive Industrie
Ohne verlässliche Unterstützung bei der Bewältigung der gestiegenen Energiepreise ist eine Umstellung auf CO2 -arme Herstellungsverfahren nicht umsetzbar. Maßnahmen wie Streichung der Netzentgeltzuschüsse stellen erhebliche zusätzliche Belastungen für die energieintensive Industrie in einer ohnehin schon angespannten Situation dar. Damit wird die Umstellung auf grüne Produktionsverfahren weiter erschwert. Und der starke Anstieg der Netzentgelte könnte sich zudem als Transformations- und Investitionsbremse erweisen. Vielerorts stellt sich sogar die Standortfrage. Diese Maßnahmen erhöhen also die Standortnachteile für eine hiesige Erzeugung energieintensiver Produkte der Grundstoffindustrie. Wenn es die Politik ernst meint mit dem Erhalt von Wertschöpfungsketten in Europa und einer gleichzeitigen Reduktion des CO2 Ausstoßes, wenn Resilienz und „Derisking“ nicht nur wohlfeile Schlagworte in Sonntagsreden bleiben sollen, müssen dringend Standortnachteile beseitigt oder ausgeglichen werden. Zu diesen Faktoren gehören die Bürokratie und die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, aber auch offensichtliche Faktoren wie die im internationalen Vergleich viel zu hohen Energiepreise. Ohne bezahlbare Strompreise können Produktionsprozesse nicht elektrifiziert und somit klimaneutral gestaltet werden. Das bedeutet, um Wertschöpfung und damit Wohlstand und Arbeitsplätze in Europa zu erhalten benötigen wir bezahlbare, grüne und konstant verfügbare Energie.
Kraftwerksstrategie ist zentraler Faktor für Versorgungssicherheit
Die Versorgungssicherheit wird in den kommenden Jahren eine entscheidende Rolle spielen, denn nur wenn es die Regierung schafft, den Bau einer ausreichenden Anzahl von neuen regelbaren Kraftwerkskapazitäten anzureizen, wäre ein Abschalten der bestehenden Kohlekraftwerke realistisch und verantwortbar. Neben den Genehmigungsverfahren ist die seit langem angekündigte und immer wieder verschobene Kraftwerksstrategie der Bundesregierung der zentrale Faktor für die Energieversorgung in Zukunft. Der Betrieb dieser neuen Gaskraftwerke soll später auf klimafreundlichen Wasserstoff umgestellt werden. Diese positive Ambition wird von der Industrie klar unterstützt, allerdings bleiben auch hier noch viele ungeklärte Fragen bei der Umsetzung. Die ebenfalls seit einiger Zeit angekündigte Wasserstoffimportstrategie ist bis heute noch nicht veröffentlicht und lässt damit aktuell in vielen Fällen kaum eine verlässliche Zukunftsplanung zu, bspw. für den Bau neuer Produktionsanlagen.
Technologieoffenheit gewährleisten
bonmanagementstrategie der Bundesregierung wird ebenfalls jeden Moment erwartet. Hier müssen verlässliche gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, um im Anschluss, ähnlich wie beim Wasserstoff die notwendige Infrastruktur zu schaffen. Einige gute Fortschritte sind aber auch zu sehen. Der Ausbau erneuerbarer Energieerzeugung geht voran, die Fertigstellung wichtiger Übertragungsnetze, wie Südlink, wird hoffentlich die Redispatchkosten senken und der Ausbau des Wasserstoffkernnetzes wird in diesem Bereich neue Impulse setzen. Auch das klare Bekenntnis der Bundesregierung zur Beibehaltung einer einheitlichen Strompreisgebotszone ist ein positives Zeichen. Insgesamt sieht die Industrie durchaus positive Ansätze und Konzepte, jedoch sind wir hier in Deutschland und Europa oft zu spät, zu langsam, bürokratisch und halbherzig, wenn es um neue Technologien geht. Wir brauchen mehr Technologieoffenheit, dies betrifft sowohl die Erzeugung von Wasserstoff, als auch die Verwendung von ebenjenen Derivaten und auch Technologien wie das Auffangen und Speichern oder Wiederverwenden von CO2 (CCU/CCS). Zudem müssen dringend die offenen Fragen geklärt und insbesondere die Zusagen zur ausstehenden Kraftwerksstrategie, Wasserstoffimportstrategie und Carbon-ManagementStrategie eingehalten werden.
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