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24.11.2025 15:37 Alter: 2 days

Grüner Wasserstoff bis 20 Prozent teurer

„Die Kosten für die Produktion von grünem Wasserstoff in Deutschland könnten durch die EU-Kriterien deutlich steigen.”


Dr.-Ing. Ann-Kathrin Klaas, Head of Research Area und Studienleiterin, EWI
Foto: EWI

Eine neue Studie vom Oktober 2025 aus dem Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität zu Köln (EWI) zeigt, wie sich die so genannten RFNBO-Kriterien auf die Kosten einzelner Projekte sowie das Energiesystem als Ganzes auswirken. Für THEMEN!magazin skizziert Dr.-Ing. Ann-Kathrin Klaas, Head of Research Area und Studienleiterin die Kernaussage, wonach EU-Kriterien Synergien zwischen Strom- und Wasserstoffsektor verhindern und die Wirtschaftlichkeit einzelner Projekte beeinträchtigen könnten.

Für eine kosteneffiziente Energiewende braucht es neben grünem Strom weitere Energieträger – das zeigt sich immer deutlicher. Einer davon ist Wasserstoff. Mit CO2-armen Verfahren (z. B. Wasserelektrolyse mit erneuerbar erzeugtem Strom) wird er klimafreundlich hergestellt. Außerdem lässt sich Wasserstoff kostengünstig auch über längere Zeiträume speichern.
Wasserstoff kann in den Endverbrauchssektoren Wärme, Verkehr und Industrie vielfältig eingesetzt werden und zur Sektorenkopplung beitragen. So können zum Beispiel Prozesse mit schwer zu vermeidenden Emissionen in der Chemieoder Stahl-Industrie mit Hilfe von Wasserstoff klimaneutral transformiert werden. Gleichzeitig ist der Markthochlauf eine Herausforderung: Zahlreiche Fragen zur kosteneffizienten Herkunft, zum Transport und zur Verwendung sind jedoch noch offen.

EU-Kriterien für grünen Wasserstoff

Die EU-Kriterien für „renewable fuels of non-biological origin (RFNBOs) sollen sicherstellen, dass grüner Wasserstoff nachhaltig ist, aus erneuerbaren Energien stammt und das Stromsystem nicht zusätzlich belastet wird. Diese Kriterien zur Produktion von grünem Wasserstoff werden von Fachleuten immer wieder kritisiert. Man schätzt, dass die Anforderungen – insbesondere hinsichtlich Zusätzlichkeit, Gleichzeitigkeit und räumlicher Korrelation – den Markthochlauf der Wasserstoffwirtschaft erschweren und die Wirtschaftlichkeit einzelner Projekte beeinträchtigen könnten.

Die Diskussion war Anlass für das EWI, dieses Thema durch eine Studie tiefer zu analysieren. Mit unserer Studie „Green Hydrogen Production under RFNBO criteria – Analyzing the system and business case perspective“ werden so erstmals die volkswirtschaftlichen Effekte der EU-Kriterien den betriebswirtschaftlichen Herausforderungen der Elektrolyse-Betreiber gegenübergestellt. Die Analyse erfolgte hierbei mit zwei EWI-eigenen Modellen.

Die Analyse im ersten Teil der Studie wurde mit dem EWI-eigenen Energiesystemmodell HYEBRID durchgeführt. HYEBRID ist ein lineares Simulationsmodell, das Investitions- und Einsatzentscheidungen im europäischen Strom- und Wasserstoffmarkt optimiert. Im zweiten Teil der Studie kommt das neue EWI-Modell SOPHIAA zum Einsatz, um die Versorgung eines Elektrolyseurs mit Strom zu optimieren. Mit dem Modell wird das optimale Portfolio an Power Purchase Agreements mit EE-Anlagen und die Teilnahme am Strommarkt analysiert.

EU-Kriterien erschweren die Nutzung von Synergien zwischen Strom- und Wasserstoffsektor

Die EU-Kriterien für grünen Wasserstoff geben vor, dass bei der Herstellung von grünem Wasserstoff bestimmte Bedingungen erfüllt seinmüssen. Es sind vor allem folgende drei Aspekte:

  • Zusätzlichkeit bedeutet, dass der für die Elektrolyse genutzte Strom aus neu gebauten Erneuerbare-Energien-Anlagen stammen muss.
  • Gleichzeitigkeit schreibt vor, dass der grüne Strom dann erzeugt wird, wenn er auch für die Wasserstoffproduktion verwendet wird – im strengsten Fall in der gleichen Stunde.
  • Und unter räumlicher Korrelation versteht die EU, dass Stromerzeugung und Wasserstoffproduktion in der gleichen Stromgebotszone stattfinden müssen.


Diese Regeln sollen sicherstellen, dass der Wasserstoff tatsächlich klimafreundlich ist und das Stromsystem nicht zusätzlich belastet wird.

Der systemische Teil unserer Studie zeigt, dass die Kriterien (einschließlich stündlicher Korrelation) bei konstanter Wasserstoffnachfrage die Kosten für die Wasserstoffproduktion mittelfristig in Europa durchschnittlich um etwa 8 Prozent erhöhen – in Deutschland noch etwas mehr. In Europa müssten dafür ca. 25 GW mehr erneuerbare Energien aufgebaut werden. Der Kostenanstieg bei der Wasserstoffproduktion ist vor allem darauf zurückzuführen, dass diese EE-Anlagen ausschließlich für die Wasserstoffproduktion aufgebaut werden und somit Synergien mit dem Strommarkt ungenutzt bleiben. Gleichzeitig führen strengere RFNBO-Kriterien zu einer Senkung der Stromkosten, da überschüssiger Strom aus erneuerbaren Energien wieder in den Markt zurückgespeist wird. Die Effekte auf das gesamte Energiesystem sind insgesamt jedoch gering.

 

EU-Kriterien erhöhen Aufwand für Koordination und Vermarktung

Systemperspektive: Installierte Erzeugungsleistung der EE-Anlagen in Europa, aufgeteilt nach EE-Anlagen für den Strommarkt und EE-Anlagen für die Wasserstoffproduktion.
Grafik: EWI

Bei einzelnen Elektrolyse-Projekten könnten die Auswirkungen der RFNBO-Kriterien größer sein als aus Sicht des Gesamtsystems. So könnten die Wasserstoffproduktionskosten in Deutschland mit den EU-Kriterien kurzfristig bis zu 20 Prozent höher ausfallen im Vergleich zur unbeschränkten Teilnahme am Strommarkt. Die Analyse zeigt, dass die Ausgestaltung der zeitlichen Korrelation signifikanten Einfluss auf die Zusammensetzung des EE-Portfolios sowie den Aufwand für Stromeinkauf und -verkauf und damit auch auf die Kosten für die Wasserstoffproduktion haben kann. Weiterhin könnten durch die Kriterien die Marktrisiken für Wasserstoffproduzenten und der Einfluss der Unsicherheiten hinsichtlich Wetter- und Preisprognosen steigen.

Zusammenfassend könnten die Kosten für die Produktion von grünem Wasserstoff in Deutschland durch die EU-Kriterien deutlich steigen, die Preise für Strom und CO2 jedoch geringfügig sinken. Die Wasserstoffproduktion könnte um bis zu 20 Prozent teurer sein als ohne die Kriterien. Den größten Einfluss auf die Kosten zeigt die Verschärfung auf stündliche Korrelation. Weiterhin werden zusätzliche Kapazitäten an erneuerbaren Energien und Elektrolyse benötigt. Außerdem erschweren die Kriterien die Koordination zwischen Stakeholdern. Der Effekt ist dabei für einzelne Betreiber größer als aus Sicht des Gesamtsystems.

Insgesamt zeigen die Ergebnisse der Studie, dass die Anwendung der RFNBO-Kriterien die Produktionskosten für grünen Wasserstoff in Deutschland um bis zu 20 Prozent erhöhen kann. Besonders die stündliche Korrelation zwischen Erzeugung und Nutzung führt zu höheren Investitionsund Koordinationsanforderungen. Während die Effekte auf das gesamte Energiesystem insgesamt gering bleiben, entstehen für einzelne Betreiber deutliche Mehrkosten und ein erhöhter Aufwand bei der Beschaffung und Vermarktung von Strom aus erneuerbaren Energien.

ewi.uni-koeln.de