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18.04.2023 12:21 Alter: 1 year

Gigabitförderung 2023: Wir werden ein Jahr verlieren

„Die vorliegenden Verfahrensgrundlagen werden den Ausbau entschleunigen, statt ihn zu beschleunigen. Auch Erwartungen hinsichtlich eines verstärkten eigenwirtschaftlichen Ausbaus werden sich nicht erfüllen.“ Dirk Fieml


Dirk Fieml, CEO tktVivax Group Foto: Jens Frank

Die Gigabitrichtlinie 2.0 des Bundesministeriums für Digitalisierung und Verkehr (BMVD) ist nun amtlich, der Glasfaserspezialist tktVivax erwartet einen drastischen Einbruch und deutliche Verzögerungen beim geförderten Ausbau der deutschen Glasfasernetze. Im Gespräch mit THEMEN!magazin erläutert Dirk Fieml, CEO der tktVivax Group, warum die Gigabitrichtlinie als „realitätsfremd“ einzuschätzen ist.

Herr Fieml, warum sehen Sie die Gigabitrichtlinie 2.0 kritisch?

Die Kritik bezieht sich auf eine ganze Reihe von Punkten. So bildet die Potenzialanalyse für den eigenwirtschaftlichen Ausbau keineswegs die Wirklichkeit ab. Schaut man sich die entsprechende Deutschlandkarte an, sieht vieles nach einem Paradies für den eigenwirtschaftlichen Ausbau aus, da immer ganze Gebiete betrachtet werden, teilweise sogar nur auf Ebene der Landkreise bzw. Verbandsgemeinden. Ausgeblendet wird, dass eine Unterversorgung oft nur einzelne Adresspunkte wie den Aussiedlerhof oder das kleine Dorf weit draußen betrifft. Die werden aber über diese Analyse nicht erfasst und somit nicht berücksichtigt. Auch hat sich die Marktsituation verändert: die Zinsen steigen und das Bauen wird teurer. Das macht Investitionen in das deutsche Glasfasernetz zunehmend unattraktiv. Erste Investoren haben sich bereits vom deutschen Markt verabschiedet oder sind insolvent gegangen.

Sie kritisieren auch das Verfahren?

Das Verfahren ist einfach falsch aufgebaut. Zwar sind jetzt theoretisch mehr Adressen förderfähig, weil die Grenze auf 200 Mbit/s angehoben wurde. Ob diese dann aber tatsächlich gefördert werden, steht frühestens in neun Monaten nach Antragsstellung fest. Außer man befindet sich in der sogenannten Fast-Lane, die für Kommunen mit einer maximal schlechten Versorgung und sehr vielen weißen Flecken, also eine Versorgung unter 30 Mbit/s leben müssen. Bis dahin müssen eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen und umgesetzt werden. Dies betrifft die Antragsstellung für Beratungsleistung, den Branchendialog (ab 2024 verpflichtend, in 2023 freiwillig) und die Markterkundung bis zur Vorvermarktung durch teilnehmenden Telekommunikationsunternehmen (TKU), die nun Pflicht werden soll. Es folgen noch Ausschreibung und Vergabe bis dann irgendwann der Bau beginnt. Mit dem Förderstopp des vergangenen Jahres verlieren wir damit mindestens ein bis zwei Jahre im geförderten bzw. kombinierten Ausbau.

Auch der verpflichtende Branchendialog mit Telekommunikationsanbietern hat Schwächen?

Den verpflichtenden Branchendialog mit den Telekommunikationsanbietern haben wir ja im vergangenen Jahr mit unserem Konzept für einen bedarfsorientierten Ausbau gefordert. Da entgegen dem Entwurf jetzt in der veröffentlichten Gibabitrichtlinie 2.0 bereits erfolgreiche geführte Dialoge anerkannt beziehungsweise in diesem Jahr nicht verpflichtend sind, sehen wir diese Maßnahme als sinnvoll an und sehen auch keinen Grund für Verzögerungen. Bei der geforderten Vorvermarktung sehen wir jedoch massive Probleme auf uns zukommen. Die Mechanik sieht vor, dass Gebiete, bei denen eine Vorvermarktung nicht erfolgreich war – also anscheinend kein Bedarf bei den Bürgern vorhanden ist – dann doch förderfähig werden.

Dies geht an einer bedarfsorientierten Förderung leider voll vorbei. Es kann also passieren, dass der unterversorgte „Hühnerstall“ mit Glasfaser ausgestattet wird, während ganze Gemeinden abgehängt bleiben, weil ihre Punktezahl zu niedrig war und sie erst gar nicht in den Genuss der Fördermöglichkeit kommen.