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27.02.2023 10:57 Alter: 1 year

Für klimafreundlichen Lkw muss politisch mehr passieren

Heutige Nutzfahrzeuge könnten zunehmend mit treibhausgasneutralem Diesel fahren. Doch dieser Weg wird in Deutschland vom zuständigen Bundesumweltministerium verwehrt.“ Prof. Dr. Christian Küchen


Prof. Dr.-Ing. Christian Küchen, Hauptgeschäftsführer en2x Foto: Sebastian Engels

Zahlreiche Verbände u.a. aus dem Mobilitätssektor sowie Fahrzeughersteller wenden sich in einem offenen Brief gemeinsam an die Bundesregierung und fordern die Marktöffnung für nachhaltige Kraftstoffe. Zu dieser Allianz aus Wirtschaft und Politik zählt als Partner für die Unterstützung zur Transformation von Unternehmen der bisherigen Mineralölwirtschaft ins Zeitalter der Klimaneutralität auch der en2x – Wirtschaftsverband Fuels und Energie e. V. Zum Anlass der Wortmeldung befragten wir Prof. Dr.-Ing. Christian Küchen, Hauptgeschäftsführer des Verbandes.

Herr Prof. Küchen, warum die Forderung nach mehr nachhaltigen Kraftstoffen?

Neben einem beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energieproduktion hierzulande brauchen wir unbedingt auch einen globalen Markt für klimaschonende, grüne Moleküle. Schließlich importiert Deutschland heute rund 70 Prozent seiner Energie und wird auch künftig nicht autark werden können. Zu diesen Molekülen zählen CO2 -neutraler Wasserstoff, nachhaltige Biokraftstoffe und E-Fuels.

Ein Hauptpunkt der aktuellen Forderung ist, so genannten paraffinischen Diesel, der aus biogenen Restund Abfallstoffen oder strombasierten Kraftstoffen gewonnen wird, als Reinkraftstoff zuzulassen. Vor allem geht es um so genannte HVO, also Hydrotreated Vegetable Oils – hydrierte Pflanzenöle.

Wo sehen Sie aktuell Hemmnisse?

Bislang ist HVO in Deutschland nur als Beimischung in begrenzter Menge zu fossilem Diesel zugelassen, was jedoch für die Erreichung der Klimaschutzziele völlig unzureichend ist und überdies an der Marktnachfrage vorbeigeht. Gemäß des deutschen Klimaschutzgesetzes muss der Verkehrssektor in Deutschland bis zum Jahr 2030 seinen CO2 -Ausstoß im Vergleich zum Jahr 2019 nahezu halbieren. Mit den bestehenden Maßnahmen wird allein das nicht gehen. Ebenso wichtig für das Erreichen der CO2 -Sektorziele im Verkehr sind geeignete Rahmenbedingungen für eine deutliche Ausweitung des Angebots nachhaltiger Kraftstoffe. Das ist leider noch nicht der Fall.

Was brauchen wir denn dann?

Zum Erreichen dieser ambitionierten Ziele werden alle verfügbaren Defossilisierungsoptionen benötigt und vor allem muss auch der Kraftfahrzeugbestand, der absehbar auch zukünftig vom Verbrennungsmotor dominiert wird, in die Klimaschutzbemühungen einbezogen werden. Wir dürfen nicht vergessen, dass 2022 mehr als 80 Prozent aller Neufahrzeuge noch einen Verbrennungsmotor an Bord hatten. Dafür sind klimafreundliche Kraftstoffe, also grünstrombasierte E-Fuels wie auch Biokraftstoffe, unverzichtbar.

Welche Forderung stellen die Unterzeichner im offenen Brief?

Der öffentliche Verkauf dieses Kraftstoffs an der Tankstelle in reiner Form, der paraffinische Kraftstoff, ist in Deutschland – anders als in anderen Staaten Europas – nicht zugelassen. Dabei ist dieser Kraftstoff seit Jahren in der DIN EN 15940 für Diesel genormt.

Rechtlich gesprochen: Es bedarf der Aufnahme dieser Kraftstoffnorm in den §4 der 10. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes. Dieser Punkt stellt die Kernforderung der Unterzeichner des offenen Briefs an die Bundesregierung dar. Und wir erwarten nunmehr eine Reaktion.

Passt dieser Klima-Diesel überhaupt technisch zu heutigen Lkw-Motoren?

Ja. Wir verweisen darauf, dass nahezu alle Fahrzeughersteller den paraffinischen Diesel für die von ihnen produzierten Dieselmotoren freigegeben haben. Mehr noch: Der Kraftstoff wird aus nachhaltigen Rest- und Abfallstoffen hergestellt, steht also nicht in Konkurrenz zu Futter- und Nahrungsmitteln. Mit der rechtlichen Zulassung für den Straßenverkehr könnten die CO2 -Emissionen zahlreicher Dieselfahrzeugflotten bereits heute dauerhaft, nachhaltig und vergleichsweise kosteneffizient gesenkt werden.

Wo klemmt es konkret?

Wir erleben das Bundesumweltministerium in seinem Handeln als widersprüchlich. Für die notwendige Aufnahme der Dieselkraftstoffnorm EN 15940 in die 10. BImSchV wäre das dafür zuständige Umweltministerium jetzt am Zug. Stattdessen blockiert es diesen Weg aber. Das steht wiederum im eklatanten Widerspruch zu der vom Ministerium selbst vor wenigen Tagen propagierten Steigerung des Einsatzes von Kraftstoffen aus Abfall- und Reststoffen und natürlich auch zu der beklagten ‚Klimaschutzlücke‘ im Verkehrssektor.

Es gibt ja noch die herkömmlichen Biokraftstoffe?

Die brauchen wir auch, allerdings: Die Umweltministerin hatte jüngst ja den Willen bekundet, bis zum Jahr

Blick auf die Raffinerie Lingen vom DortmundEms-Kanal. „Wir könnten in der Transformation weiter sein, würden uns Politik und Regulierung in Europa und Deutschland nicht ausbremsen.“ Prof. Dr. Christian Küchen

2030 aus Biokraftstoffen aussteigen zu wollen, die auf Nahrungs- und Futtermittelpflanzen basieren. Wir sehen dies kritisch, denn wir sind vielmehr auf sämtliche Optionen an grünen Kraftstoffen angewiesen. Den Ausstieg aus einer Kraftstoffoption voranzutreiben und gleichzeitig den Einstieg allen Lippenbekenntnissen zum Trotz in eine andere zu verhindern, legt den Schluss nahe, dass es dem Bundesumweltministerium gar nicht allein um technische Lösungen für einen klimaschonenden Straßenverkehr geht, sondern ebenso gegen die bezahlbare individuelle Automobilität.

Prof. Küchen, wir danken für das Gespräch.

www.en2x.de

Das Projekt Lingen Green Hydrogen führt zu nachhaltigeren Kraftstoffen – Quelle und Foto oben: BP Europa SE