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13.08.2025 15:34 Alter: 4 days

Frauen in Führung – es braucht keine Quoten sondern Normalität

„Wenn wir über Führung nachdenken, sollten wir über Haltung, nicht nur über Positionen sprechen.“


Dr. Ralf Biele, Partner & Director, Mercuri Urval (links) Therèse Klingmann, Senior Consultant, Mercuri Urval (rechts)

Erfolgreiche Unternehmen sind heute darauf angewiesen, agiler, schneller und vorausschauender zu handeln. Frauen in Führungspositionen können hier wesentliche Impulse geben. Es braucht aber keine Heldinnen oder Quoten, sondern Normalität. Ein Erfahrungsbericht für THEMEN!magazin von Dr. Ralf Biele, Partner & Director und Therèse Klingmann, Senior Consultant bei Mercuri Urval.

In zahlreichen Auswahlverfahren für (Geschäfts-)Führungspositionen in Stadtwerken erleben wir dasselbe: Es bewerben sich fast ausschließlich Männer. Der Anteil an Bewerberinnen liegt häufig im einstelligen Prozentbereich – nicht selten sogar unter fünf Prozent. Dabei ist das Ziel klar formuliert: Viele unserer Auftraggebenden wünschen sich ausdrücklich mehr Diversität und Inklusion in ihren Führungsgremien. Sie sind offen für Kandidatinnen und zunehmend sensibilisiert für Chancengleichheit. Und trotzdem gelingt es oft nicht, im Resultat eine Frau für Managementpositionen zu gewinnen. Warum ist das so? Es ist nicht, weil sie nicht geeignet wären – sondern weil die strukturellen Voraussetzungen oft gegen sie arbeiten.

Vielfalt ist kein Zielbild – sondern eine strategische Notwendigkeit.

Wir sind überzeugt: Inklusion ist keine Floskel, sondern die Möglichkeit zu einem entscheidenden Beitrag zum Unternehmenserfolg. Unterschiedliche Perspektiven erhöhen die Qualität von Entscheidungen, machen Organisationen resilienter und stärken ihre Zukunftsfähigkeit – gerade in einer Branche, die sich so sehr im Umbruch befindet wie die Energiebranche. Es geht eben nicht um Quoten oder einfach nur „mehr Frauen um jeden Preis“. Es geht darum, das volle Potential auszuschöpfen – weder sichtbares noch verborgenes. Wenn wir bestimmte Karrierewege, Sichtweisen oder Rahmenbedingungen systematisch ausschließen, verzichten wir auf Innovationskraft, Gestaltungswille und Führungskompetenz, die längst vorhanden ist – aber noch immer zu selten erkannt oder gefördert wird.

Karrierewege von Frauen verlaufen anders – aber nicht weniger ambitioniert.

Unsere breitgefächerte Erfahrung zeigt: Frauen bringen im selben Maß wie Männer Führungskompetenz, strategisches Denken und Ergebnisverantwortung mit – auch wenn ihre Biografien nicht immer so geradlinig verlaufen. Verschiedene persönliche und familiäre Hintergründe führen zu Lebensläufen, die nicht dem klassischen Muster entsprechen – aber genauso viel Qualität und Potenzial enthalten können.
Zusätzlich scheitern viele Frauen an veralteten Vorstellungen, wie Führung auszusehen hat. Noch immer wird sie insbesondere auf Geschäftsführungslevel in Teilen der Branche mit einer 24/7 Verfügbarkeit, physischer Präsenz und dominanter Durchsetzungskraft gleichgesetzt. Wer diesem Bild nicht entspricht, fällt durch das Raster – obwohl moderne Führung längst andere Stärken verlangt, wie z. B. strategisches Denken, Veränderungsbereitschaft, Kommunikationsstärke und Kooperationsfähigkeit.
Gerade Mütter erleben in diesem Kontext häufig, dass Verantwortung und Flexibilität als Widerspruch gelten. Dabei ist es gerade diese Flexibilität, die in komplexen Arbeitswelten einen besonderen Mehrwert schafft – für das gesamte Unternehmen. Und die Entscheidung, sich nicht um jeden Preis in ein starres Führungsmodell zu fügen, ist kein Zeichen fehlender Ambition – im Gegenteil: Sie zeigt ein klares Bewusstsein für Verantwortung und Wirkung.

Strukturen prägen Auswahl – oft ohne, dass es jemand bemerkt.

Auch in sorgfältig durchgeführten Auswahlverfahren begegnen uns immer wieder unbewusste Verzerrungen. Sie sind – ganz unbeabsichtigt – in unserem Alltag präsent. In der Forschung spricht man von sogenannten Biases. Es sind durchsetzungsstarke Männer, welche häufig als „führungskompetent“ bewertet werden – bei Frauen wird dasselbe Verhalten noch immer oft als „fordernd“ wahrgenommen.
Ein weiteres Beispiel aus unserer Praxis: Eine Frau mit breitem Erfahrungs- und Führungsprofil, aber ohne formale Geschäftsführungsfunktion, gilt als nicht ausreichend qualifiziert – während Männer mit einem ähnlichen Werdegang als entwicklungsfähig eingeschätzt werden. Diese Bewertungen erfolgen weder bewusst noch böswillig. Sie sind das Ergebnis von über Jahrzehnte weitergetragenen gesellschaftlichen Mustern und damit verbundenen verinnerlichten Bewertungssystemen. Diese lassen sich nur dann ändern, wenn sie bewusst gemacht und reflektiert werden. Deshalb besteht unsere Verantwortung darin, mit Hilfe eines strukturierten und zertifizierten Auswahlprozesses Transparenz und Fairness für alle zu schaffen. Auf diese Weise helfen wir unseren Auftraggebenden dabei, Entscheidungen unvoreingenommen vorzunehmen und somit die beste Wahl für das Unternehmen zu treffen.

Netzwerke öffnen – nicht nur suchen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt: Wir verlassen uns selbstverständlich nicht nur auf eingehende Bewerbungen. Die aktive Ansprache passender Persönlichkeiten ist integraler Bestandteil unserer Arbeit. Doch auch im Rahmen der Direktansprache stellen wir fest: Viele hochqualifizierte Frauen überlegen länger, bevor sie sich auf eine Spitzenposition bewerben. Sie hinterfragen deutlich kritischer ihre Passung und Eignung. Zweifeln häufiger daran, der Aufgabe gewachsen zu sein. Sie stellen präzise Fragen zur Unternehmenskultur, zur Vereinbarkeit und zur Gestaltungsmöglichkeit der Rolle. Nicht aus Unsicherheit, sondern aus einem reflektierten Anspruch an Führung und Verantwortungsübernahme. Außerdem sind viele Männer in beruflichen Netzwerken nach wie vor besser positioniert – die oft über viele Jahre hin informell gewachsen sind. Das ist kein Zufall! Wer Frauen sichtbar machen möchte, muss daher gezielt Raum dafür schaffen.

Was hilft, damit sich das ändert?

Foto: Mercuri Urval

Wir sind überzeugt: Es braucht intelligentere Bedingungen, keine Sonderbehandlungen. Dazu gehöre

  • Transparente Auswahlprozesse, die Führungspersönlichkeiten jenseits von Stereotypen erkennen
  • Passende Anforderungsprofile, ausgerichtet auf die spezifische Unternehmenssituation – frei von traditionellen Mustern
  • Strukturelle Offenheit für verschiedene Karrierewege
  • Vorbilder, die Orientierung geben, ohne instrumentalisiert zu werden
  • Geöffnete Netzwerke, die aktiv auch jenseits gewachsener Strukturen denken.

 

 

Was bleibt, ist Verantwortung.

Wenn wir über Führung nachdenken, sollten wir über Haltung, nicht nur über Positionen sprechen. Wer heute Verantwortung in Stadtwerken übernimmt, steht vor komplexen Aufgaben: Investitionsbedarf, Digitalisierung, Demografie, Dekarbonisierung, Margenverfall etc.. Vielfalt in der Führung muss deshalb umso mehr ein Kernthema sein – Vielfalt ist eine bedeutende Antwort auf genau diese Herausforderungen und deren Komplexität.
Dass Frauen in Spitzenpositionen der Energiewirtschaft noch immer unterrepräsentiert sind, bleibt ein zentrales Entwicklungsprojekt – in der Gesellschaft, in der Branche, in Auswahlprozessen und in individuellen Denkmustern. Gefragt sind Auswahlverfahren, die nachvollziehbar, chancengerecht und zugleich passend im Sinne der Unternehmensziele sind. Persönlichkeiten, die in klassischen Auswahlprozessen häufig übersehen werden, verdienen mehr Sichtbarkeit. So können Karriereschritte geöffnet werden, die ebenso vielfältig sind wie die Herausforderungen, denen sich die Energiebranche heute stellen muss. Was es dafür braucht? Die Bereitschaft, gewohnte Pfade zu hinterfragen – und die Entscheidung, neue Perspektiven nicht nur zu fordern, sondern wirklich zuzulassen.

www.mercuriurval.com