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29.09.2025 11:43 Alter: 18 days

Forschungsprojekt KlimaNetz zu Klimawandel-Folgen

„Das Wissen um das zukünftige (Extrem-) Wetter ist essentiell für die Versorgungssicherheit. Die KlimaNetz-Forschungsergebnisse leisten einen wichtigen Beitrag für die Konkretisierung individueller Reslienzmaßnahmen von Netzbetreibern.“


Alexander Lehmann, Director Business Unit Energy, UBIMET - Foto: UBIMET

Der Klimawandel verändert unser Wetter spürbar und bringt immer häufiger extreme Wetterereignisse mit sich. Besonders verletzlich sind dabei die Verteilnetze, sie können unter diesen Bedingungen schnell an ihre Grenzen geraten. Seit 2023 untersucht das nationale Forschungsprojekt KlimaNetz die Auswirkungen von Extremwetterereignissen auf Planung und Betrieb von Verteilnetzen. Mit dem Einsatz eines neuen KI-Verfahrens zur Analyse von Klimawandel-Folgen werden jetzt erste Ergebnisse für die Verteilnetzbetreiber vorgelegt. Ein Gastbeitrag für THEMEN!magazin von Alexander Lehmann, Director Business Unit Energy der UBIMET-Gruppe.

Klimawandel und die Ahrtalkatastrophe

Der Klimawandel ist längst spürbar und betrifft uns alle. Weltweit steigen die Temperaturen, wenn auch regional in unterschiedlichem Maß: So erwärmen sich beispielsweise die Pole schneller als die mittleren Breiten. Dies hat zur Folge, dass die Wettersysteme bei uns länger verharren als es früher der Fall war. In Kombination mit einem höheren Energiegehalt der Atmosphäre sorgt dies für eine deutliche Zunahme von Extremwetterlagen.
Eine dieser Wetterlagen löste auch den extremen Dauerstarkregen im Juli 2021 aus, der unter anderem die Ahrtalkatastrophe verursacht hat. Davon betroffen waren auch diverse Verteilnetzbetreiber in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Infrastruktur wurde beschädigt und gebietsweise sogar komplett zerstört. Das Extremwetterereignis hat sehr klar vor Augen geführt, dass die Herausforderung darin besteht, die Häufigkeit und das Ausmaß von zukünftig zu erwartenden Extremwetterereignissen wie Starkregen, heftige Stürme, Hitze- und Dürreperioden konkret zu erfassen, zu bewerten und in gezielte, individuelle Handlungsoptionen zu übersetzen.

Trigger für das Forschungsprojekt KlimaNetz

Hier setzt das Forschungsvorhaben KlimaNetz, gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages, an. Es soll umfassende Antworten darauf liefern, welche Anpassungen in Planung und Betrieb von Verteilnetzen notwendig sind, um diese gegenüber den Folgen künftiger Extremwetterereignisse widerstandsfähiger zu machen. Beteiligt sind neben UBIMET die Universität Wuppertal, die EWR und Westnetz. Darüber hinaus wird das Projekt von der BDEW-Landesgruppe Nordrhein-Westfalen sowie von Netze BW als assoziierter Partner unterstützt.

Die Projektpartner stehen hinter dem Projekt, wie die folgenden Stimmen belegen. „Die Ereignisse im Ahrtal haben uns deutlich gezeigt, dass wir unsere Netze besser auf die Folgen des Klimawandels vorbereiten müssen. Für uns war klar: Hier besteht akuter Handlungsbedarf“, betont Frau Alexandra Mateeva, Head of Sustainability and Resilience bei Westnetz.
Prof. Markus Zdrallek, Leiter des Lehrstuhls für Elektrische Energieversorgungstechnik an der Bergischen Universität Wuppertal erklärt: „Bislang fehlt eine fundierte Grundlage, um die Auswirkungen des Klimawandels in konkrete Maßnahmen für Verteilnetze zu übersetzen. Genau hier setzt KlimaNetz an, damit Planung und Betrieb künftig resilienter und mit wirtschaftlich sinnvollen Maßnahmen gestaltet werden können.“ Auch Netzbetreiber wie die EWR GmbH erhoffen sich wichtige Erkenntnisse: „Bei uns in der Region hat es damals ähnlich viel geregnet wie im Ahrtal, die Auswirkungen waren jedoch nicht vergleichbar, wir hatten keine dokumentierten Schäden an der Infrastruktur. Genau aber zu diesen Unterschieden bei vergleichbaren oder anderen Extremwetterlagen erhoffen wir uns wichtige Erkenntnisse im Rahmen von KlimaNetz“, so Frank Aschenbroich, Leiter Stromnetz bei der EWR.

UBIMET setzt neues KI­-Verfahren ein

Grafik links: Veränderung Anzahl der Tage mit schweren Sturmböen bis Ende des Jahrhunderts (RCP8.5)

Grafik rechts: Mittlere, jährliche Anzahl von Tagen mit schweren Sturmböen aktuell - Grafiken: UBIMET

UBIMETs Auftrag als Experte für Extremwetter- und Klimaprognosen im Rahmen des Projekts besteht darin, Klimamodelle ganz spezifisch für die Anwendungsfälle der Netzbetreiber auszuwerten. Im Fokus stehen also nicht – wie sonst üblich – das mittlere Wetter („es wird im Schnitt um X Grad wärmer“) oder rein qualitative Aussagen wie „Extremwetter werden zunehmen“, sondern konkrete Analysen, die unmittelbar auf die Praxis der Netzbetreiber einzahlen. Gemeinsam mit den Projektpartnern wurde daher untersucht, welche Art von Störungen durch welche konkreten (Extrem-)Wetter verursacht werden. Dies ist besonders relevant, weil Netze unterschiedlich aufgebaut sind und damit auch unterschiedlich anfällig auf Wettergefahren reagieren. So sind Netze mit hohem Verkabelungsgrad in der Regel resilienter gegenüber Stürmen als solche mit hohem Freileitungsanteil. Zusätzlich beeinflussen auch regionale Gegebenheiten, wie etwa die Nähe von Bäumen zu Leitungen, das Risiko von Schäden.

Das oben bereits erwähnte Starkregenbeispiel aus dem Juli 2021 zeigt – nicht allein eine bestimmte Regenmenge sorgt für Überflutungen, auch die Topographie hat einen entscheidenden Anteil an der Frage, wie extrem Folgen ausfallen können. Darüber hinaus ist die Netzresilienz natürlich auch eine Frage der Standortwahl kritischer Betriebsmittel, ebenso wie deren Auslegung. Es gibt Betriebsmittel, bei denen kann es bereits ab einer Außentemperatur von 35 °C über einen längeren Zeitraum kritisch werden, andere sind so ausgelegt, ggf. auch gekühlt, dass Hitze kein Problem darstellt.

Ansatz der Analyse

Veränderung Tage >35 Grad C bis Ende des Jahrhunderts (RCP4.5) - Grafik: UBIMET

Die gängigen Klimamodelle wurden von uns daher – im Gegensatz zu üblichen Auswertemethoden – komplett neu analysiert. Mit Hilfe eines neuartigen KI-Verfahrens gelingt der Brückenschlag von der konkreten Störungsursache über das auslösende (Extrem-)Wetterphänomen bis hin zur Antwort auf die Frage, wie sich diese störungsursächlichen Konstellationen in Intensität und Frequenz verändern werden.
Von großem Nutzen ist dabei unsere jahrzehntelange Expertise im Bereich Unwetterwarnungen und Schadensprognosen für die Versicherungsbranche. Denn Versicherer benötigen präzise Informationen, um ihre Kunden einerseits rechtzeitig zu warnen, damit diese sich entsprechend schützen können, andererseits benötigen sie Informationen darüber, mit wieviel Schäden sie bei einer bestimmten Extremwetterlage rechnen müssen. Auch hierbei ist das Verständnis darüber, welche Wetterkonstellation welche Art von Schaden auslösen kann, unabdingbar.

Konkret haben wir verschiedene Klimamodelle und deren gängige RCP-Szenarien (RCP2.6, RCP4.5 und RCP8.5) ausgewertet, also Szenarien mit verschiedenen Annahmen zur Entwicklung des CO2 -Ausstoßes.

Das sogenannte RCP2.6 entspricht dabei einem Szenario mit deutlichen Anstrengungen beim Klimaschutz. RCP8.5 entspricht einem „weiter-so-wie-bisher“-Szenario, faktisch also dem Worst Case-Szenario.

Erste Forschungsergebnisse

An oberster Stelle des Projekts stand die Frage an UBIMET, ob wir zukünftig mit mehr Schäden durch Starkregen rechnen müssen, sofern keine Anpassungs- und Schutzmaßnahmen vorgenommen werden. Zwar ist die Antwort durch die Veränderung der Wettersysteme im Zuge des Klimawandels regional unterschiedlich, unterm Strich ist es aber eindeutig: Speziell in der Westhälfte Deutschlands muss mit einer Zunahme des Risikos gerechnet werden. Im „weiter-so-wie-bisher“- Szenario (RCP8.5.) beträgt die zu erwartende Zunahme der Schäden durch Starkregen etwa 20 bis 40 Prozent. In manchen Regionen könnte ein heute noch 100-jähriges Ereignis künftig bereits alle 30 Jahre auftreten.

Nach unseren vorläufigen Ergebnissen ist im selben Szenario zudem auch mit einer signifikanten Zunahme der Tage mit schwerem Sturm von über 89 km/h (linke Abbildung S. 23) verglichen zur Referenzperiode (rechte Abbildung S.23) zu rechnen. Besonders ausgeprägt zeigt sich dieser Anstieg der Sturmtage im Bereich der Mittelgebirge. Dort ist im Schnitt mit einer Zunahme von 2 bis 5 zusätzlichen Sturmtagen zu rechnen.

Dass die Anzahl an Hitzetagen (>=30 °C) zunimmt, beobachten wir bereits seit mehreren Jahren. In Zukunft jedoch werden nicht nur diese, sondern auch die Tage mit extremer Hitze (>=35 °C) signifikant ansteigen. Im RCP4.5-Szenario steigt die Anzahl solcher Extremtage im Südwesten Deutschlands teils um zehn Tage (!) pro Jahr an – mit entsprechenden Auswirkungen sowohl auf den wachsenden Kühlbedarf als auch auf hitzekritische Betriebsmittel.

Empfehlung für Netzbetreiber

Der Klimawandel betrifft alle Netzbetreiber. Doch die Verletzlichkeit gegenüber Extremwetterereignissen unterscheidet sich je nach Netzstruktur und Standort erheblich. Deshalb ist eine individuelle Analyse unverzichtbar. Entscheidend ist, die klimatischen Belastungsgrenzen der eigenen Infrastruktur und der einzelnen Betriebsmittel systematisch zu erfassen: Ab welcher Windstärke, bei welcher Temperatur, bei welchem Wasserstand ist der sichere Betrieb beeinträchtigt oder eine Funktionsstörung wahrscheinlich? Genau hier setzt unsere Arbeit an. Wir liefern netzspezifische Analysen des künftig zu erwartenden Wetters und zeigen auf, welche Risiken für die jeweilige Infrastruktur relevant sind.

Aus dieser Grundlage, ergänzt mit einer Kosten-Nutzen-Bewertung, entstehen konkrete, umsetzbare Empfehlungen für Netzbetreiber. So werden Investitionsentscheidungen abgesichert und zielgerichtete Anpassungsmaßnahmen möglich, die Versorgungssicherheit und Resilienz auch in Zeiten zunehmender Extremwetter gewährleisten.

www.ubimet.com