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29.09.2025 15:45 Alter: 17 days

Flexibilität im Fokus: Jetzt strategisch aufstellen

„Stadtwerke sollten jetzt die Chance ergreifen, sich als „Flexibilitätsmanager“ zu positionieren.“


Frank Neubauer, Bereichsleiter Vertrieb & Marketing, Trianel GmbH, Foto: Trianel GmbH

Grüne Flexibilität ist ein Zukunftsfeld mit enormem Potenzial. Die Ideen sind da, doch erst skalierbare Ansätze und marktwirtschaftliche Anreize werden die Umsetzung von mehr Projekten ermöglichen. Zu diesem Ergebnis kommt die Marktstudie „ZUKUNFTS-MARKT GRÜNE FLEXIBILITÄT“, erstellt von der Stadtwerke-Kooperation Trianel gemeinsam mit der Unternehmensberatung Arthur D. Little. THEMEN!magazin sprach mit Frank Neubauer, Bereichsleiter Vertrieb & Marketing Trianel GmbH zu Kernaussagen der gemeinsamen Untersuchung.

Herr Neubauer, warum gewinnt das Thema „Grüne Flexibilität“ an Bedeutung?

Die Energiewende und vor allem der Ausbau der Erneuerbaren haben in den letzten Jahren an Fahrt aufgenommen. Im Jahr 2024 haben die erneuerbaren Energien erstmals über 55 Prozent des Bruttostromverbrauchs gedeckt – ein Rekord, der zeigt, wie schnell sich das System verändert. Gleichzeitig verschwinden Schritt für Schritt konventionelle Kraftwerke aus dem Markt. Allein im vergangenen Jahr sank die gesicherte Leistung im System um fast sechs Gigawatt. Das macht die Stromversorgung anspruchsvoller: Während Sonne und Wind nicht planbar einspeisen, fehlen uns zunehmend die konventionellen Kapazitäten, die früher Versorgungssicherheit gewährleistet haben.
Flexibilität wird damit zum zentralen Instrument, um Angebot und Nachfrage ins Gleichgewicht zu bringen. Sie ist das Bindeglied, das Erzeugung und Verbrauch in Einklang bringt. Unsere Studie zeigt sehr klar: Ohne flexible Lösungen lassen sich Versorgungssicherheit und Systemstabilität künftig nicht gewährleisten.

Kann „grüne Flexibilität“ ein Game Changer sein?

Grüne Flexibilität bedeutet, dass wir Nachfrageschwankungen und volatile Einspeisung zunehmend mit klimafreundlichen Technologien ausgleichen. An die Stelle fossiler Reserven treten dann vor allem Batteriespeicher, hochflexible Biogasanlagen, innovative KWK-Anlagen und grüner Wasserstoff.
Der entscheidende Punkt: Mit dem kontinuierlich steigenden Anteil fluktuierender Erzeugung wächst auch der Bedarf an Flexibilität, und damit entsteht für Marktakteure ein neues, attraktives Geschäftsfeld. Hier kommen insbesondere die Stadtwerke ins Spiel. Sie sind regional verankert, nah am Kunden und besitzen bereits viele der relevanten Anlagen. Für sie bietet sich die Chance, Flexibilität als eigenes Geschäftsfeld zu entwickeln und ihre Rolle als zentrale Akteure der Energiewende vor Ort weiter auszubauen. Flexibilität verändert die Spielregeln der Energiewirtschaft und wird so zum entscheidenden Game Changer.

Welche zentralen Ergebnisse liefert die Studie „Zukunftsmarkt grüne Flexibilität“?

Die Ergebnisse der Studie sind eindeutig: 80 Prozent der Befragten sehen in Flexibilität ein substanzielles wirtschaftliches Potenzial. Für ein Drittel ist sie sogar der größte langfristige Werttreiber für ihr Unternehmen. Gleichzeitig zeigt die Studie aber auch die andere Seite der Medaille: 40 Prozent der Unternehmen befinden sich noch in der Analysephase, konkrete Projekte gibt es bislang nur vereinzelt. Und lediglich gut zehn Prozent sehen sich selbst bereits mit einem Wettbewerbsvorteil am Markt.

Das verdeutlicht: Wir stehen am Anfang einer Entwicklung, die gerade erst Fahrt aufnimmt. Genau darin liegt auch die Chance. Wer jetzt die Weichen stellt, kann sich in einem weitgehend noch unsortierten Umfeld strategisch positionieren und damit einen langfristigen Vorsprung aufbauen.

Wo liegen aktuell die größten Herausforderungen?

Die im Rahmen der Studie befragten Teilnehmer sind sich weitgehend einig: Die größte Hürde ist eindeutig die Regulatorik. Komplexe, sich ständig ändernde Regelwerke erschweren Investitionsentscheidungen. Hinzu kommt die Wirtschaftlichkeit: Vergleichsweise hohe Anfangsinvestitionen, fehlende Marktanreize und unsichere Erlösperspektiven machen viele Projekte schwer kalkulierbar. Ergänzt wird das Bild der Umfrage auch durch den Fachkräftemangel, der natürlich auch die Energiebranche betrifft.

Doch den Herausforderungen stehen ebenso große Chancen gegenüber. Strategisch eingesetzt ermöglicht Flexibilität die bessere Integration erneuerbarer Energien und birgt dabei enormes wirtschaftliches Potenzial. Sie senkt Kosten, reduziert CO2-Emissionen und stärkt zugleich die Netzstabilität. Kurz: Sie eröffnet neue Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsebenen.

Welche Technologien und Anwendungen bieten die passenden Antworten?

Die passenden Technologien sind bereits da. Ganz vorne mit dabei sind Batteriespeicher. Das sehen auch 87 Prozent der Studienteilnehmer so und bezeichnen sie als dominierende Technologie in diesem Markt. Sie sind schnell, vielseitig und vom Frequenzausgleich bis zum Peak Shaving einsetzbar. Steuerbare BHKWs bringen durch die Kopplung von Strom- und Wärme zusätzliche Flexibilität ins System. Demand-Side-Management setzt an der Verbraucherseite an und eröffnet Unternehmen die Möglichkeit, Lasten gezielt zu verschieben und dadurch Kosten spürbar zu senken. Besonders großes Potenzial birgt zudem die Sektorenkopplung mit dem Wärmemarkt, die fast 70 Prozent der Befragten als zentralen Einsatzbereich nennen.

Unterm Strich zeigt sich: Es gibt Herausforderungen, aber mit den richtigen Technologien und Anwendungen lassen sie sich meistern. Jetzt müssen die regulatorischen Rahmenbedingungen noch attraktiv genug gestaltet werden, damit die Potenziale grüner Flexibilität auch wirklich gehoben werden können. So entsteht Schritt für Schritt ein robustes, klimaneutrales und wirtschaftlich tragfähiges Energiesystem.

Was empfehlen Sie Stadtwerken und kommunalen Unternehmen jetzt konkret?

Unsere Empfehlung ist eine klare und strukturierte Vorgehensweise. Zuerst sollte jedes Stadtwerk eine systematische Analyse der vorhandenen Flexibilitätspotenziale durchführen – egal ob in der Erzeugung, bei Speichern oder beim Verbrauch. Zweitens gilt es, diese Potenziale zu bewerten und Prioritäten zu setzen: Welche Assets bringen den größten Mehrwert, wo entstehen die größten Synergien? Drittens braucht es einen klaren Plan, wie Flexibilität Schritt für Schritt erschlossen und in die Unternehmensstrategie integriert werden kann. Kooperationen sind über den gesamten Prozess hinweg ein wichtiger Hebel, um Know-how und Geschwindigkeit zu gewinnen. Wer diese Schritte konsequent verfolgt, entwickelt sich vom Beobachter zum aktiven Flex-Player in seiner Region. Stadtwerke haben jetzt die Chance, eine entscheidende lokale Rolle einzunehmen. Und zwar als kommunale Gestalter der Energiewelt von Morgen.

Sie haben bereits den Mehrwert von Kooperation angesprochen, um die Prozesse zu beschleunigen. Wie können Sie als Stadtwerke­ kooperation dabei unterstützen?

Solarpark Letschin (Brandenburg) mit 13 MWp Leistung und rund 9 MWh Speicherkapazität. - Foto: Trianel GmbH

Kooperationen werden in diesem Marktsegment eine entscheidende Rolle spielen. Die Herausforderungen, die zunehmend volatile und dezentrale Erzeugungsseite mit dem sich ebenfalls stark verändernden Verhalten auf der Abnehmerseite zu synchronisieren, sind komplex und erfordern spezielles Know-how. Gerade kleineren bis mittleren Stadtwerken fehlt oft die notwendige Expertise. Oft ist es aus Kostenerwägungen schlicht nicht sinnvoll, die immer komplexer werdenden Prozesse im eigenen Hause aufzubauen und rund um die Uhr selbst bereitzustellen.

Netzwerke sind hier von großem Vorteil. So sind wir mit unserem großen Gesellschafterkreis und vielen weiteren Partnern in der Lage, gemeinschaftlich praxisnahe, innovative Leistungen zu entwickeln sowie als Sparringspartner für Stadtwerke zu agieren.
Dazu gehört beispielsweise die zuvor angesprochene Potenzialanalyse der regionalen Flexibilitäten oder die Multi-Market-Optimierung zur wirtschaftlichen Optimierung von Batteriespeichern und Erzeugungsanlagen, die wir gleichzeitig am Regelenergie-, Spot- und Intradaymarkt vermarkten. Auch die volatilen Mengen aus den Erneuerbaren in planbare Mengen für den Vertrieb zu strukturieren, ist ein Know-how, welches ein Stadtwerk nicht zwingend selbst aufbauen muss, um die eigenen Kunden mit regionalem Grünstrom zu versorgen.

Der Handlungsdruck steigt: Zunehmend volatile, dezentrale und bedingt steuerbare Erzeugung trifft auf schwankenden Verbrauch. Für die Integration erneuerbarer Energien und das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage sind Flexibilitätsoptionen zentral für Stabilität und Versorgungssicherheit. Die Marktstudie „ZUKUNFTSMARKT GRÜNE FLEXIBILITÄT” von Arthur D. Little und Trianel beleuchtet systematisch Potenziale und Perspektiven grüner Flexibilität. Laut der Studie erkennen 80 % der befragten Unternehmen in Flexibilität ein bislang ungenutztes ökonomisches Potenzial zur Bewältigung der energiewende-spezifischen Herausforderungen. Ein Drittel der Befragten bewertet Flexibilität bereits jetzt als den größten Werttreiber.

Die Studie steht hier zum Download zur Verfügung: www.trianel.com/flexibilitaet

Warum ist jetzt die Zeit zu handeln?

Flexibilität steht jetzt im Fokus und die Karten werden gerade erst gemischt. Das eröffnet die einmalige Chance, sich frühzeitig zu positionieren und dadurch langfristige Wettbewerbsvorteile aufzubauen. Flexibilität entwickelt sich zum Joker der Energiewende. Sie stabilisiert das System und schafft gleichzeitig vielversprechende Geschäftsmodelle. Für Stadtwerke und kommunale Unternehmen bedeutet das: Wer jetzt handelt, profitiert in zweifacher Hinsicht. Zum einen als Garant für Versorgungssicherheit und als aktiver Gestalter der Energiewende in seiner Region und zum anderen auf wirtschaftlicher Ebene. Wer hingegen abwartet, riskiert, dass andere diese Positionen besetzen. Die Zeit zu handeln ist deshalb genau jetzt.