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< Die Energiewende - Herausforderung für den Wirtschaftsstandort Frankfurt
10.08.2012 15:19 Alter: 12 yrs
Kategorie: Digitalisierung

Energiewende zieht keine Regulierungswende nach sich

Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen


Foto: Andreas Friese

Trotz verbesserungswürdiger Rahmenbedingungen für die Energiewende setzen Stadtwerke und regionale Energieversorger die Energiewende bereits erfolgreich um, so das Fazit der 16. EUROFORUM-Jahrestagung „Stadtwerke 2012“. Sie wurde erstmals ergänzt mit den drei Tagungen „Wasser- und Abwasserwirtschaft“, „Abfallwirtschaft“ und „ÖPNV“, um eine Plattform für alle Leistungsbereiche öffentlicher und kommunaler Versorgung zu bieten. Etwa 100 Experten aus allen Geschäftsbereichen des Querverbunds Energie, Wasserund Abwasserwirtschaft, Abfall- und Entsorgungswirtschaft sowie öffentlichen Nahverkehrs stellten aktuelle politische, wirtschaftliche und technische Trends der öffentlichen Versorgung vor und diskutierten über anstehende Veränderungen der Versorgungs-Infrastrukturen.

Rund 700 Entscheider aus der Stadtwerke- Community diskutierten über die Folgen des Zubaus der erneuerbaren Energien für ihre Geschäftsmodelle, den Ausbau konventioneller Kraftwerke sowie für die Verteilernetze und erläuterten Chancen und Risiken. Traditionell eröffnete die Bundesnetzagentur den etablierten Stadtwerke-Treff. Jochen Homann, neuer Chef der Netzagentur, versicherte, den bisherigen Kurs fortzusetzen. Für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende sei der Netzausbau unumgänglich. Hoher Investitionsbedarf in die Energieinfrastrukturen könne steigende Netzentgelte nach sich ziehen, aber die Kontrolle der Netzentgelte werde auch weiterhin im Fokus der Bundesnetzagentur stehen. Und die Energiewende werde keine Regulierungswende nach sich ziehen. Allerdings werde die Behörde auf nötigen Anpassungsbedarf reagieren. 

Energiewende verlangt Bündelung der Kräfte 
In einer großen Podiumsdiskussion war man sich einig, die Energiewende braucht ein besseres Projektmanagement. Ob ein Energieministerium oder nicht, die Kräfte müssen jedenfalls gebündelt werden. Thomas Bareiß (Energiekoordinator der CDU/CSUBundestagsfraktion) räumte ein, dass ein Nachsteuern beim EEG in vielen Fragen notwendig ist. Sei es das Thema der Kraftwärme-Kopplung und der Gebäudesanierung oder die Finanzierbarkeit des Baus konventioneller Kraftwerke. Auch müssen die Erneuerbaren an den Markt herangeführt werden. Bereits heute haben konventionelle Kraftwerke mit dem Preisdruck durch die Erneuerbaren zu kämpfen. Fragen der Netzbelastung müssten ebenso berücksichtigt werden wie die Notwendigkeit von Reserven. Und zur Diskussion um einen Kapazitätsmarkt sieht Dr. Georg Müller (MVV Energie AG) nicht nur „ ... den einen Markt, den man vereinfachen kann“. Vielmehr sollte man mehrere Märkte mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen sehen, wie den Netzmarkt oder den Erzeugungsmarkt. Auch werden sich Märkte regional unterschiedlich verhalten. Deshalb sind Unternehmen im Moment unsicher, ob sie weiter investieren sollten. Aus Sicht der Politik wird es momentan kein neues Strommarktdesign geben, Lösungen für eine Heranführung der Erneuerbaren an den Wettbewerb und die Zukunft der konventionellen Kraftwerke sind jedoch erforderlich. 

Kapazitätsmärkte europäisch regeln
In der Diskussion um Kapazitätsmärkte und dem Bau neuer konventioneller Kraftwerke steht für Andreas Mundt als Präsident des Bundeskartellamtes die Frage nach den Anreizen. Und wie viel Freiheit ein gesetzlich festgeschriebenes Strommarktdesign den Kraftwerksbetreibern noch lasse. Mit Blick auf Europa sehen Mundt und auch Michael G. Feist, Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke Hannover AG, dass ein weiterer deutscher Alleingang die europäischen Strommärkte belasten würde. Schon heute klagen europäische Nachbarn über den deutschen Alleingang bei der Energiewende. Es müsse innerhalb Europas eine Lösung gefunden werden, da europäisch betrachtet Kapazitätslücken auch leichter auszugleichen seien. Als Unternehmen benötige man ein Level Playing Field, um auch weiterhin Strom produzieren und erfolgreich vermarkten zu können. Die Spielregeln dafür müssten für alle Marktteilnehmer gleichermaßen gelten.

Ein wirklich zukunftsträchtiges Konzept Stadtwerke-Award 2012: Sonderpreis für den Energiemonitor der MVV Energie AG v. l.: Özcan Elmas, Dr. Georg Müller, Matthias Heldmann (Foto: Wolfgang Borrs)

Betrieb konventioneller Kraftwerke wird anspruchsvoller 
Als eine Folge der vorrangigen Einspeisung von erneuerbaren Energien gab es für konventionelle Kraftwerke die durchgehende Einschätzung zunehmender Probleme bei der Auslastung. Ulrich Hartmann, Vorstandsmitglied von RWE Power verdeutlichte am Beispiel eines RWE-Gaskraftwerks, wie 2009 das Kraftwerk im Juni und Juli regelmäßig von Montag bis Freitag am Netz gewesen sei, in 2011 dagegen nur noch an einem Tag im Juli für wenige Stunden. Zudem wird der Betrieb von konventionellen Kraftwerken anspruchsvoller. Sie müssen wegen der volatilen Einspeisungen der erneuerbaren Energien häufiger rauf und runter geregelt werden. Wenn heute ein Kraftwerk in den Einsatz geht, muss es innerhalb kurzer Zeit 100 Prozent Leistung bringen – und das zuverlässig. Dieser Trend wird sich fortsetzen. Bereits 2014 wird es mit 80.000 MW Erneuerbaren-Leistung so viel Kapazität geben, wie als Maximallast in Deutschland gebraucht wird. 

Netzausbau hinkt hinterher 
Für den Chef der Deutschen Energieagentur (Dena) Stephan Kohler ist die Aufrüstung der Netze wichtig, um auch weiterhin eine sichere Energieversorgung zu gewährleisten. Den hohen Zubau an erneuerbaren Energien sieht er mit Sorge, da das Gesamtsystem immer instabiler und damit auch ineffizienter würde. So haben sich die Ergebnisse der Dena-Netzstudie 2 aus dem Jahr 2010 bereits überholt. Sei man 2010 von einer Winderzeugungsleistung an Land von 35.000 MV bis 2020 ausgegangen, würden heute bereits 55.000 bis 60.000 MW Onshore-Windkraft prognostiziert. Diese Entwicklungen ziehen höhere Kosten nach sich, die letztlich auch vom Verbraucher getragen werden müssten. Für September kündigte Kohler eine neue Dena-Studie zu den Verteilnetzen an. Von der Regulierungsbehörde forderte Kohler, nicht nur die Kostenseite zu betrachten. Vielmehr müsse die Bundesnetzagentur zu einer „Innovationsagentur“ werden, die auch Forschung und Entwicklung im Netzbereich berücksichtige und vorantreibe. 

Systemstabilität ist auch ein Thema der Verteilnetze 
Wenn heute rund 90 Prozent der Einspeisung der regenerativen Energien über die Verteilnetze erfolgt, werden diese immer mehr zu Transportnetzen. Der Netzausbau kann aber dem Ausbau der erneuerbaren Energien nicht folgen. Zudem müssen die Netze nicht nur ausgebaut, sondern auch intelligenter werden. Eine Vielzahl von kleinen Erzeugungseinheiten macht intelligente Netze notwendig, womit die Forderung an die Verteilnetzbetreiber gestellt ist, Energie, IT und TK miteinander zu verknüpfen. 

Dies wird auch die Marktrolle der Netzbetreiber verändern. „Wir werden eine neue Rolle als Energieinformationsnetz und Datendrehscheibe bekommen“, so Torsten Maus (EWE Netz GmbH). Der Betrieb eines Energienetzes entwickelt sich zu einem Datennetz und die Informationen darin stellen einen Markt dar. Investitionen in diese neue Arbeitsrealität der Verteilnetze verlangen aber für Verteilnetzbetreiber die Anerkennung von der Regulierungsbehörde. 

Dr. Nadja Thomas 
Info: Opens external link in new windowwww.konferenz.de/stadtwerke2012