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< GuD-Kraftwerke gehören zum Energieversorgungssystem
13.03.2018 14:18 Alter: 6 yrs

Energiepolitische Grundrichtung neu definieren

Ich hatte eigentlich vor, erst im kommenden Jahr wieder bei dieser zweifelsohne wichtigsten Energietagung in Deutschland zu sprechen, habe aber dann aus drei Gründen doch zugesagt: Erstens war in den Diskussionen der letzten Monate über die Energiewende und die deutsche Klimapolitik Skepsis und auch Mutlosigkeit spürbar, der ich gerne widersprechen möchte. Zweitens zeigt sich in den Sondierungsergebnissen für eine Große Koalition eine energie- und klimapolitische Grundrichtung, die ich für noch nicht ausreichend fundiert halte. Und drittens komme ich ohnehin immer wieder gerne zu diesem, dem 25. Jahrestreffen einer Branche, die vom stolzen Hüter einer vergangenen Zeit zum Seismografen einer aufregenden Zukunft geworden ist. Mich erstaunt immer wieder, wie sehr wir uns in Deutschland in Debatten über vergangene Fehler, Umwege und Ineffizienzen verbeißen können. Erst ist die Energiewende toll und Kritik verboten, dann ist sie gescheitert. Ein kühler Kopf hilft hier sehr. Es wird heute völlig übersehen, was für eine überwältigende Dynamik in den Technologien und Energiemärkten bereits entfesselt wurde.


Von einer künftigen Bundesregierung erwartet die Energiewirtschaft eine fundierte energie- und klimapolitische Grundrichtung. Skepsis und auch Mutlosigkeit sind fehl am Platz. 

Diese Botschaft vermittelte Dr. Johannes Teyssen, CEO E.ON SE in seiner Keynote-Rede auf der 25. Handelsblatt-Jahrestagung in Berlin. 

Wir freuen uns, in einem Gastbeitrag Kernaussagen der Rede von Dr. Teyssen für die Leser unserer Business-Publikation themen|:magazin aufzunehmen. 

 

 

Foto: E.ON SE, Martin Leclaire, Bochum

Das wichtigste Kennzeichen des technischen Fortschritts in den Energiemärkten ist eine Machtverschiebung vom Anbieter zum Kunden. Das ist die eigentliche Revolution in unserem Geschäft: Von der paternalistischen Fürsorge zu einer Gestaltungspartnerschaft mit und für die Kunden. Von der Systemenergie zur Bürgerenergie. Das hat disruptive Konsequenzen für unsere Branche.

Wer glaubte, der Wandel sei bereits getan, wenn man Windparks und Solaranlagen hat, eine Innovationsabteilung mit Startup-Flair und ein paar neue Vertriebsleute, der wird sich noch wundern. Das Konzept des Energieunternehmens muss heute in allen Fasern vom Kunden her neu verstanden werden. Nur noch möglichst viel Energie zu verkaufen, ist kein nachhaltiges Geschäftsmodell mehr.

Energielösungen neu gedacht

In unserem Geschäft mit Energielösungen für gewerbliche und industrielle Kunden ist es für uns oft wirtschaftlich interessanter, beim Kunden eine Kilowattstunde einzusparen, als ihm eine zu verkaufen. Unser Vorteil ist, dass wir schon lange in diesem Geschäft tätig sind. Es gibt nur wenige Energieunternehmen, die wie wir für einen Kunden europaweit große Projekte umsetzen können. Dies reicht bis hin zur komplett automatisierten datengetriebenen Steuerung und der Optimierung von Betriebsstätten.

Mit unseren Projekten erzielen wir bei unseren Kunden gewöhnlich Energieeinsparungen in Höhe von 30 bis 50 Prozent. Mit unserer Hilfe haben unsere Kunden im vergangenen Jahr etwa eine Million Tonnen CO2 eingespart – so viel, wie eine Stadt mit 100.000 Einwohnern im Schnitt emittiert.

SolarCloud – ein Beispiel

Unsere Solarkunden können mit unserer SolarCloud Solarenergie virtuell speichern und nutzen, wann immer sie wollen – und sogar mit Familie und Freunden teilen. Wie gesagt: ohne physischen Speicher! Wir werden dieses Produkt dahin weiter entwickeln, dass man seinen Strom wieder ausspeisen kann, wo immer und wann immer man mag.

Die SolarCloud kann zu einer wichtigen Anwendung der Blockchain-Technologie werden. Unsere Kunden können dann ihre Energie direkt an andere verkaufen. Das zeigt, welchen disruptiven Charakter unsere SolarCloud hat. Mit einer Wachstumsrate von 250 Prozent innerhalb eines Jahres sind wir im Geschäft mit Solar-Angeboten das am schnellsten wachsende Solar-Unternehmen in Deutschland.

Elektrifizierung der Mobilität

Einige Gedanken zur Elektrifizierung der Mobilität. Diese ist klimapolitisch nur sinnvoll, wenn sie mit grünem Strom erfolgt. Dafür arbeiten wir an einer vernetzten Lösung: Photovoltaikanlage, Batterie und Ladeinfrastruktur in einer Hand. Wir wollen es dem Kunden so ermöglichen, eine Strecke von 1.000 Kilometern für 40 Euro zurückzulegen. Für unsere Geschäftskunden haben wir mit unserem Partner Sixt ein modulares Service-Paket entwickelt. Damit können die Kunden ihre gesamte Firmenflotte elektrifizieren.

Eine Weltpremiere konnten wir im Dezember letzten Jahres in Schweden vorstellen. Dort arbeiten wir mit dem Start-up Uniti zusammen, das mit dem Uniti One einen spannenden elektrischen Kleinwagen entwickelt hat. Er wird nur 15.000 Euro kosten. Und im Kaufpreis ist bereits Solarstrom von E.ON für 5 Jahre oder 60.000 Kilometer enthalten.

Erdgas ist klimaschonend

Ob all diese Entwicklungen dereinst in einer all electric society enden werden und wann wir diese erreichen, ist heute aus unternehmerischer Sicht nicht wichtig. Entscheidend ist, dass wir inmitten einer breiten Welle der Elektrifizierung sind. Daneben bleibt Erdgas als klimaschonende Energie in der Stromerzeugung und insbesondere in der Industrie und im Wärmemarkt noch lange unverzichtbar. Und die Gasinfrastruktur noch sehr viel länger, wenn wir an Biogas und vor allem an Power-to-Gas denken.

Energiewende findet im Verteilnetz statt

Die vorwiegend elektrische, intelligent vernetzte Energiezukunft braucht eine entsprechende Infrastruktur. Und wer hier immer noch nur an die Übertragungsnetze denkt, dem sei gesagt, dass die Energiewende in den Regionen und damit im Verteilnetz stattfindet. Hier werden über 90 % der Kapazität der Erneuerbaren angeschlossen.

Etwa ein Drittel dieser Kapazität nehmen allein die E.ON-Netze auf. Damit steigt auch die Verantwortung der Verteilnetzbetreiber: So haben wir z. B. zur Vermeidung von Netzengpässen 2016 rund 435.000 Mal in unseren Netzen eingreifen müssen, in den weitaus meisten Fällen aufgrund von Engpässen im Übertragungsnetz.

Die Verteilnetzbetreiber sind nicht nur weiterhin für kosteneffiziente Versorgungssicherheit verantwortlich. Sie werden zunehmend Systemstabilitätsaufgaben übernehmen und die wachsende Komplexität der Energieflüsse und Flexibilitätsoptionen managen müssen. Dafür entwickeln wir digitale Lösungen auf der Basis neuer Technologien.

Vor allem sind es die Verteilnetze, die eine Verzahnung von Strom, Wärme und Mobilität überhaupt erst möglich machen. So wird etwa die Ladeinfrastruktur für Elektromobilität nahezu komplett im Verteilnetz angeschlossen.

Allein mit dem Instrumentenkasten von gestern – neue Leitungen bauen, alte ersetzen oder erneuern – ist es heute nicht mehr getan. Kosteneffizienz bei diesen Maßnahmen reicht allein nicht aus, um die Energiewende zu ermöglichen. Nötig sind heute intelligente, digitale Lösungen. Auch in den Verteilnetzen stehen wir vor disruptiven Technologien und Geschäftsmodellen. So entwickeln wir bei E.ON eine digitale Plattform, die unterschiedlichste Marktpartner miteinander verbinden, Angebot und Nachfrage von Kleinstanlagen ausgleichen und so das System schon im Verteilnetz optimieren kann.

Mein Appell an die Politik: Die bisherige Regulierung gibt keine ausreichenden Anreize für die Schaffung intelligenter Netze, gefordert ist mehr Raum für Innovationen. Außerdem muss die Netzentgeltsystematik angepasst werden. Das derzeitige System der Kostenverteilung ist nun über 15 Jahre alt und wird dem zunehmend erneuerbar und dezentral geprägten Stromsystem nicht mehr gerecht. Wir brauchen eine Beteiligung der Einspeiser an den Kosten des durch ihre Einspeisung verursachten Netzausbaus. Und ebenso eine stärkere Kapazitätsorientierung der Netzentgelte, um Kunden mit Eigenerzeugung fairer an den Netzkosten zu beteiligen.

Energiewende verlangt eine neue Politik

Eine neue Perspektive ist auch nötig bei den politischen Rahmenbedingungen der Energiewende insgesamt. Lassen die vorliegenden Papiere für eine Große Koalition den nötigen Perspektivwechsel erkennen? Die Richtung stimmt, aber zu vieles ist noch unklar.

Zunächst ist es zweifellos richtig, das deutsche Klimaziel für 2020 mit neuem Realismus zu betrachten. Minus 40 % CO2 gegenüber 1990 sind bis 2020 kaum noch zu schaffen. Und ob wir dieses Ziel nun ein paar Jahre später erreichen, spielt für das Klima in unserer Welt keine wirkliche Rolle. Wichtiger sind ohnehin die Ziele für 2030 und 2050. Wie wollen wir vermeiden, dass wir 2028 erneut sagen müssen: Sorry, das 2030er Ziel ist leider nicht realistisch! Auf diese Fragen brauchen wir überzeugende Antworten.

»Wer sich in den Märkten und bei den Kunden umschaut, der kann am Fortgang der Energiewende nicht ernsthaft zweifeln. Wenn der technologische Fortschritt die Kunden erfasst hat, ist er nicht mehr aufzuhalten. Die Kunden wollen nicht mehr zurück in die fossile, von übermächtigen, anonymen und undurchschaubaren Großstrukturen beherrschte Vergangenheit. Sie wollen nicht mehr versorgt werden. Sie sind erwachsen geworden. Nichts bringt sie ins Gitterbett zurück. Sie wollen ihre eigene Energiewelt erschaffen: erneuerbar, lokal und digital.«
Dr. Johannes Teyssen, CEO E.ON SE

Klimaschutz ist weit mehr als Kohleausstieg

Erforderlich sind weitere Fortschritte bei der Energieeffizienz. Nötig ist auch, dass wir erneuerbaren Energien – und das heißt vor allem: erneuerbarem Strom – einen breiten Zugang zu den Märkten für Wärme und Mobilität öffnen. In diesen Märkten trifft Strom noch nicht auf faire Wettbewerbsbedingungen. Deshalb brauchen wir eine CO2- orientierte Reform der deutschen Energiesteuern und -abgaben. Ich sehe nicht, wie wir es sonst auf effiziente und marktkonforme Weise schaffen können, unsere CO2-Emissionen bis 2030 um 55 % zu reduzieren. Statt Technologieverboten, Vorschriften oder Eingriffen in den Wärme- und den Transportmarkt kann und sollte dies alles marktwirtschaftlich gelöst werden. Auch im Europäischen Emissionshandel brauchen wir einen CO2-Mindestpreis, der wirksame Anreize für den Klimaschutz gibt.

Wir bei E.ON erleben jeden Tag, wie selbstbewusste Kunden den Markt verändern, innovative Lösungen wollen, sich Energie zu eigen machen. Das ist ermutigend für den Klimaschutz, weil erneuerbare, lokale und intelligente Energie auch dem Klima hilft. Es ist aber auch ermutigend für Unternehmen wie E.ON, die sich dem Ziel verschrieben haben, das Leben ihrer Kunden zu verbessern.

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