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27.02.2023 10:52 Alter: 1 year

Energiekrise: Für eine Entwarnung ist es noch zu früh

„Gerade in der Energiekrise hat sich die solide und nachhaltige Beschaffungsstrategie von Stadtwerken und kommunalen Energieversorgern bewährt. Wenn Stadtwerke stattdessen immer aktuell einkaufen würden, hätten Verbraucher im vergangenen Jahr ein Vielfaches der auf den Strom- und Gasrechnungen ausgewiesenen Preise bezahlen müssen.“


Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer Verband kommunaler Unternehmen e. V. Foto: VKU/Chaperon

Die Nachrichten klingen zunächst erfreulich: Die Gaspreise sind im Strommarkt über die letzten Wochen gesunken. Das wird durch ungewöhnlich milde Temperaturen, eine moderate Nachfrage, geringe Verbräuche, sehr gut gefüllte Gasspeicher und die fertiggestellten LNG-Terminals begünstigt. Zum Thema Energiekrise gibt Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer Verband kommunaler Unternehmen e. V. (VKU) in THEMEN!magazin im Vorfeld der VKU-Verbandstagung 2023 einen Überblick zur aktuellen Lage und Einschätzung der künftigen Entwicklung.

Wir müssen uns klar sein: Die erfreuliche Entwicklung der Gas- und Strompreise ist eine Momentaufnahme und die Energiekrise damit noch nicht überwunden. Deshalb ist es für eine Entwarnung noch zu früh. Vor allem im kurzfristen Stromgroßhandel - dem so genannten Spotmarkt - waren zuletzt Preisrückgänge zu beobachten. Warum davon bei den Verbraucherpreisen vorerst nichts zu merken sein wird, hat hauptsächlich mit der Beschaffungsstrategie der Stadtwerke zu tun: An deren oberster Stelle steht nämlich nicht der kurzfristige Profit, sondern die Versorgungssicherheit der Bevölkerung.

Die Kurzfristmärkte spielen für die Beschaffung der Stadtwerke nur eine vergleichsweise untergeordnete Rolle, denn sie kaufen ihren künftig erwarteten Energiebedarf in vielen kleinen Teilmengen zu verschiedenen Zeitpunkten ein. Diese bewährte Beschaffungsstrategie schützt die Energiekunden vor großen Preissprüngen – das heißt, federt Preisspitzen ab und streckt Preissteigerungen zeitlich. Die Billiganbieter, die vor allem am Spotmarkt einkaufen, mussten schon vor einem Jahr die Segel streichen, haben ihren Kunden gekündigt und sie den Stadtwerken vor die Tür gestellt.

Beschaffungsstrategie schützt vor extremen Preisschwankungen

Derzeit profitieren Kunden kommunaler Energieversorger unverändert von den bedeutend günstigeren Preisen der zurückliegenden drei Jahre vor der Energiekrise. Die aktuellen Spotmarkt- und Terminpreise sind noch nicht so günstig, dass sich das bereits nachhaltig preissenkend auswirkt. Das heißt für die Endkunden: Erst wenn sich günstige Preise auch wieder am Terminmarkt beständig durchsetzen, wird das in der Folge die Verbraucherpreise senken. Dafür müssten sie an den Großhandelsmärkten noch weiter und vor allem dauerhaft sinken.

Je unbeständiger der Markt desto höher die Sicherheitsleistungen

Auch die große Unsicherheit auf den Energiemärkten wirkt sich auf die Preise aus. Nicht nur für Stadtwerke, für alle Energieeinkäufer, gilt: Je unbeständiger die Märke und sprunghafter die Preise sind, desto höher sind die geforderten Sicherheitsleistungen, um Gas und Strom zu kaufen. Mit diesen Sicherheitsleistungen sichert die Börse die Vertragsparteien gegen mögliche Ausfallrisiken ab. Bei sinkenden Marktpreisen müssen an der Börse vor allem die Energiekäufer Sicherheiten stellen. Aber auch in der außerbörslichen Beschaffung fordern Verkäufer zunehmend Sicherheiten von den Stadtwerken.

Der Staatseinstieg bei Uniper war richtig. Indem der Bund die Handlungsfähigkeit des Unternehmens sichert und Gaspreise auf der Importstufe stützt, schützt er auch die Endkunden. Aber: Dass Uniper als Staatskonzern dennoch erhebliche Sicherheitsanforderungen an die Energieunternehmen stellt und damit die Energiepreise treibt, ist in der aktuellen Situation schlicht absurd und kontraproduktiv. Die exorbitant gestiegenen Energiepreise haben die Risiken in der Energie­ beschaffung und im Energievertrieb stark erhöht. Stadtwerke kommen zunehmend an ihre Grenzen, wenn es darum geht, die Bedarfe ihrer Gewerbe- und Industriekunden zu decken. Das hat Folgen für die gesamte Wirtschaft und Arbeitsplätze - und zwar langfristig, wie Berichte über Überlegungen der Wirtschaft zu Standortverlagerungen zeigen.

Deshalb fordern wir schon seit Sommer einen Schutzschirm für Stadtwerke. Denn Schutz für die Stadtwerke bedeutet auch Schutz und Versorgungssicherheit für die gesamte deutsche Wirtschaft. Bereits im Sommer 2022 haben wir darauf hingewiesen, dass die bisherigen Preisanpassungen aufgrund der langfristigen Beschaffung der Stadtwerke moderat ausgefallen sind und größere Preisanpassungen erst noch bevorstehen. Dies war auch der Hauptgrund für die Ende 2022 beschlossenen Energiepreisbremsen.

Energieangebot mit neuen Anlagen steigern

Die Preisentwicklung für Energie wird auch davon abhängen, wie sich der Krieg in der Ukraine entwickelt. Deutschland wird zwar in absehbarer Zeit den Wegfall des russischen Gases kompensieren können, der damit verbundene Umbau der Infrastruktur ist allerdings zeitintensiv und mit hohen Kosten verbunden. Grundlage für niedrige Energiepreise ist ein großes Energieangebot. Deshalb müssten die erneuerbaren Energien massiv und schnell ausgebaut werden. Und wir brauchen weiterhin regelbare Transformationskraftwerke, die flankierend zum Ausbau von erneuerbaren Energien für eine sichere Stromversorgung sorgen.

Hoher Beratungsbedarf in Kundenzentren

In den Kundenzentren der Stadtwerke herrscht ein anhaltend hoher Beratungsbedarf. Im Mittelpunkt stehen Fragen zur Gas- und Wärme- sowie Strompreisbremse. Die Preisbremsengesetze lassen derzeit keinen Spielraum für individuelle Lösungen. Stadtwerke und kommunale Versorger müssen sich an die gesetzlichen Vorgaben halten, die den Handlungsrahmen definieren. Gerade in Bezug auf Vergünstigungen für die Verbraucher haben die Preisbremsengesetze strenge Vorschriften und engen den Spielraum der Versorger ein. Damit soll Missbrauch verhindert werden.

Vor dem Sommer 2021 kostete Gas im Großhandelsmarkt im Schnitt etwa 20 Euro/MWh, Strom durchschnittlich 50 Euro/MWh. Aktuell liegen die Preise für Gas bei etwa 66 Euro/MWh und für Strom bei etwa 175 Euro/MWh (Stand: Mitte Januar 2023).

Die Behörden haben ausreichende Befugnisse, um ein missbräuchliches Verhalten zu untersuchen und zu ahnden. Und sie sollten diese Aufsicht auch wahrnehmen. Die Herausforderungen der kommunalen Energiewirtschaft liegen im Moment eher im erneuten Aufkommen der Billiganbieter, die Phasen fallender Preise erneut nutzen könnten, um Kunden mit nicht abgesicherten Angeboten anzulocken.

Abschließend lässt sich mit Blick auf die Energiemärkte und Versorgungssicherheit sagen: Die Situation hat sich verbessert, aber vorüber ist die Energiekrise definitiv nicht: Die Preise fallen zwar aktuell seit Mitte Dezember, zumindest auf dem Spotmarkt, liegen aber immer noch deutlich über dem Niveau der Vorjahre. Nachdem sie im Sommer 2022 ungefähr bei Faktor 10 gegenüber den Vorkrisenjahren datierten, liegen sie im Moment immer noch bei etwa Faktor drei. Damit ist langfristig von einer Verdoppelung der Gas- und Stromtarife im Vergleich zum Preisniveau in der Zeit vor den Krisen auszugehen.

Natürlich wollen auch die Stadtwerke die Tarife senken und machen das, sobald Spielraum da ist. Ich warne aber vor falschen Hoffnungen.

www.vku.de