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04.12.2018 16:52 Alter: 5 yrs

Energie-Initiative Halle (Saale): Partnerstrategie für die Region

Energie„ Energiewende entscheidet sich vor Ort. Die ‚Energie-Initiative Halle (Saale)‘ stellt die Frage in den Mittelpunkt: Wie gestalten wir die Energiewende so, dass alle dabei gewinnen? Entstanden ist daraus eine Absichtserklärung von Erzeuger und Verbrauchern. Das Bündnis ist in dieser Art und Größenordnung bemerkenswert, weil es alle großen Energieabnehmer in Halle miteinschließt. Es belegt zudem, dass sich wirtschaftliche und gesellschaftliche Ziele der Energiewende im Interesse der Verbraucher verbinden lassen“,


Olaf Schneider, Geschäftsführer der EVH GmbH zum Projekt Energie-Initiative Halle (Saale).

Foto: Falk Wenzel

Die Kernfrage bei der Umsetzung der Energiewende bleibt: Wie lassen sich Nachhaltigkeit und Bezahlbarkeit der Energieversorgung langfristig sichern?

Antworten aus der Stadtwerke- Community vermittelt der STADTWERKE AWARD. Er wird jährlich im Rahmen des VKUStadtwerkekongresses verliehen und prämiert Vorzeigeprojekte aus der Stadtwerke-Landschaft. Darunter fallen interne Prozessoptimierungen, technische Neuerungen, Kommunikations- oder Marketingstrategien, neue Geschäftsmodelle, wissenschaftliche Projekte - kurz: Ideen und Projekte, welche die Zukunft der Energiewelt von morgen gestalten. Zu den von einer Jury ausgewählten nominierten Unternehmen für den STADTWERKE AWARD 2018 zählte auch die Energieversorgung Halle (EVH) mit dem erfolgversprechenden Modell einer Energie-Initiative.

Angesichts wachsender Volatilität in der Erzeugung und hohen Investitionsbedarfs in der Energiewende brauchen städtische Energieerzeuger sowohl eine hohe Flexibilität, als auch Investitionssicherheit. Mit dem Projekt „Energie-Initiative“ Halle (Saale) organisiert die EVH ein Bündnis aller großen Energieabnehmer in der Händelstadt Halle und schafft so den Rahmen für eine zukunftsfähige Energieversorgung. Zugleich stärkt die EVH die Fernwärmeinfrastruktur in Halle und baut diese zukunftsfähig aus.

Es handelt sich um ein ganzheitliches Projekt von der Integration der erneuerbaren Energien bis zur Modernisierung der Wärmenetze. Das Zusammenwirken von Erzeuger und Verbraucher wird dabei über klare Nutzenargumente für alle neu definiert. Ziel ist es, die Nachhaltigkeit und Bezahlbarkeit der Energieversorgung langfristig zu sichern und wirtschaftliche und gesellschaftliche Ziele der Energiewende mit dem Interesse des Verbrauchers zu verbinden.

Der Start der Energiewende verlief in der Händelstadt wie anderswo auch. Überall wurde nach Projekten für CO2-Einsparungen im Quartier gesucht. Erst die Diskussion mit der Wohnungswirtschaft zu Lösungen für die Wärmeversorgung der Stadt mit Fernwärme gab den Anstoß für ein neues Miteinander von Erzeuger und Verbrauchern in der Stadt.

Die Gesamtbilanz der Stadt und die Effizienz vorhandener Infrastrukturen hatten nur Wenige im Blick. Bis im Zuge einer notwendigen Wärmemodernisierung im Quartier Halle-Süd durch die Stadtwerke das Thema angestoßen wurde, wie die Interessen verschiedener Wohnungsunternehmen und ihrer Mieter und so der Anspruch nach einer zukunftsfähigen, sicheren und bezahlbaren Wärmeversorgung unter Berücksichtigung vorhandener Infrastrukturen unter einen Hut gebracht werden können.

Fernwärme mit exzellentem Wirkungsgrad

Die Stadtwerke Halle (SWH) und deren Tochter EVH und der Gesellschafter Stadt selbst haben die Fernwärme nie infrage gestellt. Aber allen Beteiligten war klar, angesichts der vielen Umbrüche innerhalb der Energiewende braucht es Verlässlichkeit und einen breiten gesellschaftlichen Konsens. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, wie sich möglichst viel Wärme sicher im System halten lässt, um den exzellenten Wirkungsgrad von 1,2 und damit u. a. attraktive Preise für diese Versorgungsform und damit für die Verbraucher zu sichern.

Daraus wuchs die Überzeugung, die gesamte „Energielandkarte“ Halle neu zu gestalten. Analyse und intensiver wissenschaftlich begleiteter Dialog zeigten dafür positive Faktoren auf: die Entwicklung mit Fernwärme aus Kraft-Wärme-Kopplung (u. a. durch den niedrigen Primärenergiefaktor), die Nachfrage bei Modernisierungen und Neubau aber auch die positive Resonanz auf Verdichtungsbemühungen für Fernwärmeanschlüsse.

Positive Prognose

Die Prognose hieß: Der aktuelle Absatz von 600 GWh lässt sich moderat weiter steigern. Hierbei kann der Wohnungsmarkt von dem mit dem Fernwärmeausbau weiterhin günstigen Primärenergiefaktor bei Neubau und energetischer Sanierung profitieren. Hinzu kommen langfristig bezahlbare Wärmepreise für die Nutzer dank großer Wärmemenge und hohem Wirkungsgrad. Eine Grundvoraussetzung für attraktive Preise auch in der Zukunft, was alle Beteiligten überzeugte.

Bereits 2015 hatte der Stadtrat ein energieund klimapolitisches Leitbild beschlossen. Der Anspruch: die Gebäudeeffizienz, die Anlagentechnik und soziale Aspekte miteinander zu verbinden und so die Kraft-Wärme-Kopplung auch künftig in einer Schlüsselrolle zu sehen. Denn bereits seit den 1960er Jahren wird ein Großteil der Stadt mit aus KWK gewonnener Fernwärme für Heizung und Warmwasser versorgt. Heute sind es mit fast 74.000 Wohnungen fast 50 % des Bestandes. Neben dem hohen Wirkungsgrad in der Erzeugung sorgt die KWK maßgeblich mit dafür, dass beispielsweise Feinstaubbelastung und CO2- Emissionen im öffentlichen Raum reduziert werden und so bestehende Umweltzonen nicht ausgeweitet werden müssen.

Eine erste Verabredung

Die Erkenntnis, gemeinsam Lösungen zu finden von denen später alle Beteiligten profitieren, führte in der Folge zu einem Energie-Pakt zwischen Wohnungswirtschaft, Industrie, Wissenschaft, Institutionen, Verwaltung und den Stadtwerken/EVH. Inzwischen vereint das Bündnis 26 Partner.

In einer „ersten Verabredung“ wurde festgelegt: Die EVH ertüchtigt abschnittsweise die wichtigsten Fernwärme-Haupttrassen und modernisiert das vorhandene Leitungsnetz, erschließt weitere städtische Areale mit Fernwärme, modernisiert die vorhandenen Kraftwerke Dieselstraße und Trotha (200 MWel/450 MWth) bis 2021 und errichtet einen Energiespeicher mit 50.000 m3, der die Erzeugung optimiert und Erneuerbare in wachsendem Maße integriert. Nach knapp zwei Jahren Bauzeit ist der derzeit weltweit größte „Energie- und Zukunftsspeicher“ dieser Bauart im Energiepark Dieselstraße errichtet und wurde am 19. September 2018 gemeinsam mit den Partnern der Energie - Initiative feierlich eingeweiht.

Besonderes Augenmerk der ersten Etappe gilt der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) und zielgerichteten EVH-Investitionen in deren Wärmeerzeugungs- und Verteilanlagen innerhalb der nächsten zehn Jahre. Damit soll einerseits die ökologisch hochwertig erzeugte Wärmemenge im Fernwärmesystem stabil gehalten und anderseits der sehr gute Primärenergiefaktor erhalten werden. Denn beides hat unmittelbar Einfluss auf Kosten und Preise der Energieversorgung.

Partnernutzen angesagt

Das Vorgehen für ein solches Bündnis ist modellhaft: Basierend auf einer wirtschaftlichen Betrachtung der konkreten Versorgungssituation vor Ort wird dialogorientiert und transparent nach einer Gesamtlösung gesucht. Diese hat neben wirtschaftlichen Lösungen für alle Beteiligten auch im Blick, die Ökobilanz für die gesamte Stadt zu verbessern. Hierbei stehen klare Nutzensargumente im Mittelpunkt. Auch wurden Kunden nicht „gekauft“, vielmehr wurde ihnen von Beginn an auf Augenhöhe begegnet, ergänzt von einem transparenten Reporting über wichtige Entwicklungen, Zusammenhänge und Kennziffern.

Die Offenheit und das gewachsene Knowhow auf allen Seiten ermöglichte es inzwischen auch, strategische Infrastrukturkonzepte gemeinsam zu erarbeiten. Den Stadtwerken wurde ermöglicht, das nötige Infrastrukturinvestitionsprogramm auf ein solides Fundament zu stellen. Das betrifft sowohl die Kapazitätsplanung als auch die Finanzierung. So fragten Banken beispielsweise bei Vorlage der Zukunftsplanungen für den Infrastrukturausbau, wie man den prognostizierten Absatz langfristig sichern wolle. Die gegenseitigen Verpflichtungen in der Initiative beantworteten die Frage eindeutig und führten zu erstklassigen Finanzierungskonditionen.

Der Energieversorger EVH sieht das Bündnis von Erzeuger und Verbrauchern als wichtigen strukturellen Impuls für die Umsetzung des energie- und klimapolitischen Leitbildes der Stadt. Mit dem Gesamtansatz von Erzeugung, Gebäudeeffizienz, Anlagentechnik und sozialen Aspekten kann die EVH gezielt in den Umbau der Energieerzeugung und -versorgung investieren und gleichzeitig ihre Flexibilität zu erhöhen.

Dabei wird nicht nur die gegenwärtige Wärmemenge im System gehalten, die Energie- Initiative führt bereits jetzt zu Wachstum (>10 MW/a). Hinzu kommt, die EVH erhöht mittels gezielter Investitionen ihre Flexibilität in einem volatilen Markt. Der hohe Anteil der Wärmeversorgung mit Fernwärme (ca. 50 %) senkt dauerhaft die Feinstaubbelastung in der gesamten Stadt und CO2-Emissionen, verbunden mit wachsender Energieeffizienz.

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Lothar Müller, Dynamik2000