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05.12.2018 15:32 Alter: 5 yrs

Efficiency First mit Leben füllen

Gute Slogans sind wichtig, ihre Wirkung jedoch eingeschränkt, sofern sie nicht mit Leben gefüllt werden. Denn am Ende zählt nicht die gute Absicht, sondern die Farbe der Medaille. Das gilt auch in der Energiepolitik.


„Efficiency First“ war und ist ein richtiger und wichtiger Gedanke, doch der Slogan muss endlich zum tatsächlichen Handlungsprinzip werden, unterstreicht Carsten Müller, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (DENEFF) und Mitglied der CDU/CSUFraktion im Deutschen Bundestag in seinem Gastbeitrag.

Foto: Jan Kopetzky

Bereits im Energiekonzept 2010 warf die Bundesregierung die „Schlüsselfrage Energieeffizienz“ auf. Die Szenarien dahinter zeigen klar, dass eine erfolgreiche und wirtschaftlich sinnvolle Energiewende die Halbierung des Energiebedarfs vorrausetzt. Mit dem Klimaschutzplan wurde dann das Prinzip „Efficiency First“ ausgerufen.

Von der Schlüssel- zur Kernfrage

Der Gedanke: Wann immer über die Art und Weise der Erzeugung nachgedacht wird, sollten zuerst wirtschaftliche Effizienzpotenziale mitadressiert werden. Eine aktuelle Folgenabschätzung des Bundesumweltministeriums bestätigte, dass eine nationale Klimaschutzstrategie, die ihren Schwerpunkt auf Energieeffizienz legt, die wirtschaftlich Beste ist. Erst kürzlich hat auch die Internationale Energie Agentur die Dringlichkeit von „Efficiency First“ noch einmal unterstrichen. In ihrem Report „Efficiency 2018“ betont sie, wie wichtig und wirksam Energieeffizienzpolitik ist – aber auch, dass die Regierungen noch deutlich mehr tun müssen.

Politische Beantwortung steht noch aus

Von höchster Priorität der Energieeffizienz sind wir weit entfernt. Nehmen wir zum Beispiel die sogenannte Kohlekommission: Hier wird über Versorgungssicherheit und den Strukturwandel in den Braunkohleregionen diskutiert. Energieeffizienz kann hier Antworten liefern – doch sie ist dort (bisher) kein Thema. Ein geordneter Ausstieg aus der Braunkohleverstromung kann – wenn überhaupt – nur gemeinsam mit einer konsequenten Energieeffizienzstrategie gelingen, wenn wir künftig die Versorgungssicherheit gewährleisten und die Kosten im Griff behalten wollen. Aber nicht nur das: Schon heute beschäftigt die Branche weit über 600.000 Menschen – wieso nicht bald noch mehr und auch in der Lausitz?

Doch wichtige politische Vorhaben werden weiterhin auf die lange Bank geschoben. Seit über fünf Jahren diskutieren wir über die steuerliche Förderung energetischer Gebäudesanierungen. Im aktuellen Koalitionsvertrag hat sich die Große Koalition geeinigt, einen weiteren Anlauf zu wagen – doch die dafür notwendigen Haushaltsmittel wurden für das Baukindergeld verausgabt. Planungssicherheit für Eigenheimbesitzer in Deutschland: Fehlanzeige. Eine ähnliche Tragödie spielt sich bei der Sanierung der Bundesliegenschaften ab. Bereits ab 2013 hätten diese nach einem „Sanierungsfahrplan Bundesliegenschaften“ energetisch ertüchtigt werden sollen. Bisher wurde jedoch keines der 2.400 Gebäude angefasst. Die anvisierte Vorbildwirkung bleibt da natürlich aus.

Alles andere als ruhmreich war auch die monatelange Hängepartie um das sogenannte 100-Tage-Gesetz, das gerade erst nach deutlichen Verzögerungen und damit erheblichen Planungsunsicherheiten für Investoren und Betreiber als Energiesammelgesetz umgesetzt wurde. Die darin mitverhaftete Kraft-Wärme- Kopplung wurde damit in ihrer Entwicklung zurückgeworfen. Dabei ist sie als flexible Technologie wichtig für die Netzstabilität.

Ein Blick über den Tellerrand lohnt sich

Eine Top-Platzierung auf den Medaillenrängen ist dieser Tage in weite Ferne gerückt. Im EUVergleich liegt Deutschland mittlerweile nur noch auf Platz vier hinter dem Vereinigten Königreich, Irland und Spanien. Unterm Strich wird Deutschland im Bereich der Energieeffizienz seiner Rolle als Hochtechnologieland nicht gerecht. Unternehmen brauchen stabile politische Rahmenbedingungen, sonst werden sie auch in Zukunft nicht in Energieeffizienzmaßnahmen investieren – ganz gleich wie wichtig und lohnenswert dies wäre.

Die im Koalitionsvertrag angekündigte Energieeffizienzstrategie ist die große Chance zur Kurskorrektur. Schluss mit dem bisherigen klein-klein und Stop-and-Go! Künftig müssen Maßnahmen an ihrem Beitrag zu den gesetzten Zielen ausrichtet werden. Hürden für Energieeffizienz müssen beseitigt werden, statt ständig neue zu schaffen. Politiken der Energieversorgung und -effizienz müssen sorgfältiger ausbalanciert werden („efficiency mainstreaming“). Der Weg muss freigemacht werden für politische Innovationen (NAPE 2.0).

Dabei lohnt sich auch der Blick ins Ausland – sogar in Richtung von Ländern, die bislang nicht als Vorreiter bekannt sind, aber teilweise in großen Schritten aufholen. Wir sollten Ausschau nach Politiken halten, die andernorts große Wirkung entfalten und prüfen, ob diese auch in Deutschland anwendbar sein könnten. Dies hatte die DENEFF bereits im Jahre 2013 mit den wettbewerblichen Ausschreibungen für Stromeffizienz gemacht, die in einzelnen US-Bundesstaaten wie Vermont und Maine, aber auch in der Schweiz und Portugal bereits erfolgreich angewendet wurden. Seit 2016 wird dieser Ansatz endlich unter dem Namen „Step-Up!“ auch in Deutschland erprobt – wenngleich aber noch Kinderkrankheiten, wie ein zu hoher Antragsaufwand, zu beklagen waren.

Ein anderes gutes Beispiel, wie man Investitionen in der Industrie unbürokratisch und mit geringem Förderaufwand anschieben kann, hat Irland umgesetzt. Mit einer beschleunigten AfA (Abschreibung für Abnutzung) wurde die Beschaffungspraxis für Produkte wie effiziente Antriebe und Motoren von möglichst billig auf hocheffizient, quasi als „default“, umgestellt. Die DENEFF hat diesen Vorschlag auch in Deutschland eingebracht. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Verband der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V. (VDMA) haben sich diesem bereits angeschlossen.
Bei der DENEFF-Jahresauftaktkonferenz am 9. April 2019 wollen wir unter dem Motto „Energieeffizienz aus aller Welt. Das Beste einfach machen!“ daran anknüpfen. Herausragende Politiken und Lösungen aus aller Welt müssen global bekannter werden. Denn letztlich sollte es unser Ziel sein, mit dem Thema Energieeffizienz möglichst viele Menschen zu erreichen. Dafür müssen wir mehr erzählen als Geschichten über Amortisationszeiten, U-Werte und Terawattstunden. Denn: Energieeffizienz kann und muss auch Spaß machen.

Neue Geschichten braucht das Land

Die Digitalisierung ist dabei ein Schlüsselfaktor – davon zeugt die steigende Anzahl von Start-Ups unter den über 160 Mitgliedsunternehmen der DENEFF. Um Nachwuchstalente zu begeistern, haben wir 2017 den Energieeffizienz-Hackathon ins Leben gerufen. In diesem Jahr haben dort über 160 Studierende aus 18 Ländern an zwei Tagen drei Challenges gelöst und gezeigt, wie Energiesparen noch einfacher, intelligenter und attraktiver wird. Nächstes Jahr geht dieses Format in die dritte Runde!

Punktum: Mit einem attraktiven politischen Rahmen und spannenden Geschichte rund um die eingesparten Kilowattstunden auf der ganzen Welt klappt es auch mit der Goldmedaille für die „energieeffizientesten Volkswirtschaft der Welt“, die uns im Koalitionsvertrag versprochen wurde.

Informationen zur Energieeffizienz unter: Opens external link in new windowwww.deneff.de