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E-Mobilität mit oder ohne Energieunternehmen?
Welche Rolle spielen Energieunternehmen zukünftig im Bereich der E-Mobilität und wie werden sie den Markthochlauf unterstützen? Auf diese und weitere Fragen haben das Forum für Zukunftsenergien e. V. und die Celron GmbH mittels einer Expertenbefragung Antworten ermittelt. Die Ergebnisse wurden Mitte Mai 2019 in Berlin vorgestellt und mit Branchenvertretern erörtert.
Volker Flegel (l.) und Markus Teichmann, Geschäftsführer der Celron GmbH, informieren in einem Gastbeitrag für THEMEN|:magazin über ausgewählte Ergebnisse der Expertenbefragung.
Fotos: Uwe Neumann, Celron; Grafik: Celron
Die Bundesregierung hat im Klimaschutzplan das Mittelfristziel einer verpflichtenden Senkung der Treibhausgasemissionen von 1990 bis 2030 im Verkehrssektor um -40 % bis -42 % festgeschrieben. Da die verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen von 1990 bis 2017 um 5 % angestiegen sind, verbleiben nur noch 12 Jahre für eine Reduzierung um mindestens -45 % zur Erreichung der unteren Grenze der Klimaschutzziele. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welchen Beitrag Energieunternehmen im Geschäftsfeld E-Mobilität dazu leisten werden?
Im Verkehrssektor entfallen 96 % der Treibhausgasemissionen auf den Straßenverkehr. Trotz weitreichender Effizienzfortschritte zur Senkung der Schadstoffemissionen von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor wurden in den letzten 25 Jahren infolge deutlich gestiegener Verkehrsleistungen keine absoluten Emissionsreduzierungen erreicht.
Signifikant höhere Beiträge zum Klimaschutz ermöglichen alternative Antriebsformen mittels Brennstoffzellen, synthetischen Kraftstoffen (e-Fuels) oder batterieelektrischem Antrieb. Aktuell weist batterieelektrische E-Mobilität insbesondere beim Einsatz von Ökostrom die vorteilhafteste Ökobilanz, den höchsten Wirkungsgrad sowie das mit Abstand größte und wachstumsstärkste Fahrzeug- und Infrastrukturangebot auf. Führende Wirtschaftsinstitute prognostizieren ca. 4,4 Mio. E-Fahrzeuge bzw. ca. 10 % des Fahrzeugbestands in 2030.
Energieunternehmen fungieren als Katalysator der E-Mobilität: Umfassende Vorleistungen beim Ausbau der Ladeinfrastruktur haben den Markthochlauf initialisiert und das Leistungsspektrum erstreckt sich mit Ausnahme der Fahrzeugproduktion über die gesamte Wertschöpfungskette der E-Mobilität:
- Strom-/Infrastrukturbereitstellung
- Vertriebs-/Metering-/ Abrechnungsdienstleistungen
- Systemintegration durch Flexibilitätsmanagement
- „Recycling” von Batteriespeichern etc.).
Zwecks Sondierung erwarteter Entwicklungen und erfolgversprechender Handlungsoptionen für Energieunternehmen im Geschäftsfeld E-Mobilität wurden die nachfolgend auszugsweise dargestellten Einschätzungen von >400 Experten erhoben:
Stellenwert der E-Mobilität in der Unternehmensstrategie
„Mit Energieunternehmen” ist die sehr eindeutige Antwort der Befragten auf die im Titel dieses Beitrags aufgeworfene Fragestellung, lediglich 4 % verfolgen eine „Vermeidungsstrategie” (vgl. Abb.). Auffällig ist die annähernd hälftige Aufteilung der „Befürworter” in zwei Schwerpunktkategorien:
- Risikominderer (Dienstleistungspartner/ gemäßigte Folger)
- Geschäftsfeldentwickler (Full Service Provider/Innovationsführer). Interessanterweise beansprucht jedes 4. Unternehmen eine „Innovations-Führungsrolle”, jedoch nur in wenigen Fällen unter Angabe konkreter Alleinstellungsmerkmale.
Entwicklungsstand der E-Mobilität im Unternehmen
Annähernd die Hälfte aller Unternehmen befindet sich noch in einer „strategischen Orientierungsphase”. Demgegenüber bestätigen >50 % aller Befragten eine Verankerung in der Unternehmensstrategie. Umfassende Mittelfristplanungen und Investitionsprojekte lassen eine weitere Zunahme der aktiven Geschäftsfeldbearbeitung erwarten. Die Operationalisierung strategischer Zielsetzungen durch Zielvereinbarungen oder Anreizsysteme wurde aber lediglich von jedem 4. Befragten bestätigt.
Entwicklungs-Indikatoren für das Geschäftsfeld E-Mobilität
Für das Geschäftsfeld E-Mobilität werden außerordentlich hohe, durchschnittliche Wachstumspotenziale im Zeitraum 2018 bis 2023 attestiert:
- Umsätze +1.000 %
- Investitionen +700 %
- Beschäftigung +300 %.
Auffällig sind die besonders ambitionierten und nur in wenigen Fällen politisch motivierten Umsatz- und Investitionsziele der Gruppe von Energieunternehmen mit einem Unternehmensumsatz <100 Mio. EUR/a. Umsätze und Investitionen weisen in allen Unternehmensgrößenkategorien sehr hohe Spannbreiten auf. Energieunternehmen mit einem Unternehmensumsatz >5.000 Mio. EUR/a verweisen insbesondere auf die Wirkung von Skaleneffekten.
Strategische Zielsetzungen für das Geschäftsfeld E-Mobilität
Wachstum durch „Kunden- und Umweltorientierung” gilt als übergeordnetes strategisches Leitmotiv. Bündelprodukte sind für die Hälfte aller Befragten erfolgskritisch, bisher jedoch nur in wenigen Fällen im Angebotsportfolio präsent. Exogene Faktoren (wie z. B. Gesellschafter-/Netzinfrastrukturanforderungen) nehmen eine nachgeordnete Position ein.
Erfolgskritische Geschäftsmodelle
Standardisierung und Leistungssteigerung der Ladeinfrastruktur sowie komplementäre Systemleistungen stehen im Vordergrund der relevanten Geschäftsaktivitäten. Ladestrom- Vermarktung wird eine mittlere Priorität beigemessen. Dem Ladevorgang vor- und nachgelagerte Wertschöpfungsbereiche nehmen (noch) eine untergeordnete Position ein, partielle Innovationen stellen z. B. mobile Ladestromerzeugung sowie Flexibilitätsmanagement dar.
Integration der E-Mobilität in die Stromnetze
Für eine möglichst reibungslose Systemintegration sieht man marktbasierte Flexibilitätsprodukte wie z. B. pretiale Ladesteuerung als die beste Lösung. Bidirektionaler Ladung (Vehicle-to-Grid) wird lediglich eine untergeordnete Bedeutung beigemessen.
Unternehmensinterne Handlungserfordernisse
Strategische Partnerschaften und die Entwicklung eines wettbewerbsfähigen Angebotsportfolios werden priorisiert. Als besonders erfolgskritische Partner gelten Kommunen, auch E-Fahrzeug- und Ladeinfrastruktur- Aggregatoren. Fördermittelakquisition beurteilt die Hälfte aller Befragten als notwendig. Die Optimierung personeller und materieller Ressourcen wird nachrangig bewertet.
Externe Anreize und politische Maßnahmen zur Intensivierung der E-Mobilität
Vorrangig gewünschte Maßnahmen zur Forcierung der E-Mobilität sind finanzielle Vorteile (Fördermittel sowie Steuer-/Abgabenentlastungen für E-Fahrzeuge und Ladestrom). Mehrheitlich wird auch die Konkretisierung der politischen Rahmenbedingungen als notwendig erachtet. Eine Vorbildfunktion der öffentlichen Hand betrachtet lediglich ein Viertel der Befragten als erforderlich.
Fazit
Weder Leistungsfähigkeit noch die Leistungsbereitschaft von Energieunternehmen stellen einen limitierenden Faktor für die Systemintegration der für 2030 prognostizierten 4,4 Mio. E-Fahrzeuge in Deutschland dar. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur erfolgt im Rahmen der EU-Richtwerte. Der für eine derartige Flotte benötigte Ladestrombedarf beträgt ca. 2 % des Ist-Stromverbrauchs bzw. <10 % der 2018 in Deutschland erzeugten Ökostrommenge, eine Systemintegration ist weitgehend unproblematisch.
Allerdings wird ein 10 %-E-Fahrzeug-Anteil am Fahrzeugbestand auch nur etwa -10 % der Senkung von verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen ermöglichen. Für die verbleibende „Klimaschutzplan- Deckungslücke” von weiteren -35 % sind deutlich weitergehende, ganzheitliche Verkehrskonzepte zwingend erforderlich.
Der vollständige Ergebnisbericht der Marktstudie „E-Mobilität mit oder ohne Energieunternehmen?” kann per E-Mail unter office@celron.de unentgeltlich angefordert werden.
www.celron.de