Nachricht
Digitale Transformation: Logistiker agieren, aber skalieren nicht
„Angesichts eines herausfordernden Wettbewerbsumfeldes eröffnen digitale Technologien neue Möglichkeiten und müssen als strategischer Hebel begriffen werden.“
Die Transport- und Logistikbranche steckt in einem Digitalisierungsparadox: Während 96 % aller Unternehmen angeben, ihre digitale Transformation angestoßen zu haben, schaffen es lediglich 10 %, neue Technologien in der Breite zu optimieren und skalieren. Das zeigt die Studie „Transport und Logistik im Wandel: Stand der digitalen Transformation 2025“ von Strategy& Deutschland, der globalen Strategieberatung von PwC, und der Bundesvereinigung Logistik (BVL) auf. Studienleiter Sebastian Pieper informiert für THEMEN!magazin zu Kernaussagen der Untersuchung.
Als zentrales Element globaler Wertschöpfungsketten versteht sich die Transport- und Logistikindustrie zunehmend als digital vernetzt und datengetrieben. Die Branche hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt: digitale Prozessketten ohne Medienbrüche, vom Auftragseingang über Disposition und Transport bis hin zur Abrechnung. Dazu gehört eine vollständig elektronische Abwicklung von Dokumenten wie Frachtbriefen oder Zolldeklarationen sowie die Echtzeitverfolgung von Sendungen über alle Verkehrsträger hinweg.
Diese Leitbilder stehen nicht nur für Effizienzgewinne, sondern spiegeln den Anspruch wider, Logistikleistungen auf ein hohes digitales Niveau zu heben. Deshalb ist der intendierte Digitalisierungsschub nicht nur aus Effizienzgründen notwendig, sondern auch, um die Branche angesichts des tiefgreifenden Wandels zukunftsfähig zu machen.
Ein Überblick
Obwohl 96 % aller Logistikunternehmen inmitten ihrer digitalen Transformation stecken, skaliert bislang nur jedes zehnte erfolgreich. Der Fokus der Branche liegt vor allem auf internen Effizienzgewinnen, die Erschließung innovativer Geschäftsfelder bleibt oft aus.
Demnach stufen rund zwei Drittel der 115 befragten Logistikdienstleister vorrangig aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ihren eigenen digitalen Reifegrad als niedrig bis mittel ein. Zwar verfügen 69 % der Unternehmen über strategische Leitplanken zur Digitalisierung, doch nur knapp ein Drittel schafft es, diese auch operativ in den Geschäftsalltag zu überführen. Die Folge: Der erhoffte Mehrwert für Geschäft und Kunden bleibt für die Mehrheit der Branche trotz steigender Ausgaben bislang aus.
Fokus auf Effizienz verschleppt Innovation
Viele Logistiker setzen laut Studie vor allem Maßnahmen um, die sich durch Effizienzgewinne direkt im Betrieb auszahlen. So automatisieren 76 % der Unternehmen ihre Abläufe, etwa bei der Tourenplanung, im Lager oder in der Verwaltung. Etwas mehr als die Hälfte nutzt Business-Intelligence- Lösungen, die zum Beispiel die effektive Kapazitätssteuerung ermöglichen. Und 44 % investieren in ihre IT- und Cloud-Infrastruktur.
Langfristig zahlen sich digitale Investitionen aber nur aus, wenn sie auch Innovationsprojekte finanzieren. Ein besonders großes Transformationspotenzial sieht die Branche hierbei in GenAI. Je nach Marktsegment rechnen Unternehmen mit Profitabilitätssteigerungen von 1,4 bis 4,4 Prozentpunkten. Allerdings offenbart sich auch hier das Digitalisierungsparadox: Zwar beschäftigen sich nahezu 80 % aktiv mit GenAI, aber nur 3 % haben die Technologie unternehmensweit integriert und skaliert.
Transformation braucht Führung – nicht nur Technologie
Die größten Hürden der digitalen Transformation sind laut Studie nicht technischer, sondern organisatorischer Natur. Etwas weniger als die Hälfte der Unternehmen identifiziert fehlende strategische Prioritäten als zentrales Hindernis. Rund ein Drittel scheitert an Vorbehalten der eigenen Belegschaft. Als Erfolgsfaktoren nennen 70 % eine klare Strategie, 49 % ein klares Bekenntnis der Führungskräfte und 41 % konsequentes Change Management.
Bemerkenswert ist, dass viele Unternehmen ihre Digitalisierung im Blindflug antreten. Etwa ein Viertel der Logistiker hat bislang keine Erfolgsmessung etabliert und besitzt keine Transparenz über die Realisierung geplanter finanzieller Effekte. Fast jedes fünfte Unternehmen stellt zudem erhebliche Lücken zwischen geplanten und realisierten Effekten fest. Um diese Lücken zu schließen, sollten Logistiker laut Studie ihre digitale Transformation konsequent an den Geschäftsanforderungen ausrichten und eine strategische Programmleitung etablieren, die Entscheidungen vorantreibt, ein aktives Risikomanagement leistet und den Business Case im Blick hat.
GenAI als Hebel für digitale Transformation

- Knapp 80 % der Logistiker befassen sich aktiv mit GenAI-Anwendungen, aber nur 3 % haben GenAI bereits unternehmensweit in ihre Abläufe integriert.
Grafik: Strategy&.
Logistikunternehmen setzen große Hoffnungen in GenAI als Hebel für ihre digitale Transformation. Bislang kommt die Technologie aber vor allem dort zum Einsatz, wo es erprobte Lösungen gibt, etwa in Funktionen wie Finanz- und Rechnungswesen und Marketing und Vertrieb. Allerdings müssen eigene Use Cases für die logistischen Kernprozesse stärker in den Fokus rücken. Viele der Befragten halten Anwendungsfälle im Bereich Tourenplanung und Routenoptimierung oder der Analyse von Kunden- und Wettbewerbsdaten für hochrelevant. Wer solche Potenziale erschließt, kann sich einen realen Wettbewerbsvorteil sichern.
Digitale Technologie ist unverzichtbar
Die Transport- und Logistikindustrie ist ein zentrales Bindeglied unserer globalen und hochvernetzten Wertschöpfungsketten. Logistiker agieren demzufolge in einem herausfordernden Marktumfeld, das durch steigende Kundenanforderungen an Effizienz, Geschwindigkeit und Digitalisierung geprägt ist. Um sich in diesem Kontext zu behaupten, müssen sie effizienter arbeiten und zugleich Innovationen vorantreiben. Digitale Technologie ist ein Schlüssel, um beides erfolgreich anzugehen – allerdings nur, wenn sie richtig eingesetzt, klug gesteuert, und kontinuierlich kontrolliert wird.
Schon heute zeichnet sich dabei ein Gefälle innerhalb der Branche ab. Während digitale Vorreiter klare Roadmaps verfolgen und von signifikanten Effizienz- und Umsatzsteigerungen profitieren, riskieren die reaktiv handelnden Unternehmen ohne formalisierte Strategie, den Anschluss zu verlieren. Besonders für kleine bis mittelgroße Unternehmen wird das zum existenziellen Risiko. Ihnen droht eine strategische Lücke – denn ohne Skalierung bleibt Digitalisierung ein Kostenfaktor, statt zum Wettbewerbsvorteil zu werden.
Die Studie bietet einen Überblick zu Fortschritten, Herausforderungen und Prioritäten der digitalen Transformation und ist abrufbar unter: www.strategyand.pwc.com/de
Kernergebnisse der Untersuchung
- Die Transport- und Logistikbranche treibt den digitalen Wandel aktiv voran, steht bei der operativen Umsetzung digitaler Prozesse allerdings noch vor Hürden.
- Digitalisierung muss langfristig über Effizienzsteigerungen hinaus als strategisches Werkzeug genutzt werden, um neue Geschäftsfelder zu erschließen und Potenziale auszuschöpfen.
- Cloud-Anwendungen werden zum Standard für eine leistungsfähige IT und sind essenziell für datengetriebene Anwendungen sowie den Betrieb digitaler Ökosysteme.
- Generative Künstliche Intelligenz (GenAI) wird zwar erforscht, doch die breite unternehmensweite Nutzung befindet sich bislang in der Startphase.
- Die digitale Transformation muss wertfokussiert ausgerichtet und anhand eines klaren Business Case konsequent nachverfolgt werden.
- Auch „weiche“ Faktoren, wie der strategische Fokus und ein effektives Change Management entscheiden maßgeblich über den Erfolg der Digitalisierung mit.
- Wer es bei der Digitalisierung vernachlässigt, langfristig und umfassend zu agieren, riskiert Wettbewerbsnachteile gegenüber digitalen Vorreitern.



