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< Das Verteilnetz ist die Grundlage der Energiewende
24.04.2019 14:29 Alter: 5 yrs

Die Legislaturperiode der Energienetze

Die Energienetze sind wichtige Lebensadern und Drehscheibe unseres künftigen Energiesystems. Politisch gesetzt sollen 65 Prozent Erneuerbare Energien bis 2030 in das System integriert werden.


Auf Deutschlands größtem Energienetzbetreiber-Kongress „TREFFPUNKT NETZE ‘19“, sprachen wir mit Thomas Bareiß, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie zu den Herausforderungen an unser Energiesystem.

Foto: Jan Kopetzky

Herr Staatssekretär, die Integration der Erneuerbaren Energien verlangt den weiteren Netzausbau. Wie kann dieser beschleunigt werden?

Mit dem „Aktionsplan Stromnetz“ im August 2018 sowie der im Bundestag beschlossenen Novelle des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes (NABEG) hat das Bundeswirtschaftsministerium bereits entscheidende Schritte zur Beschleunigung des Netzausbaus unternommen. Wir werden künftig eine Doppelstrategie verfolgen. Zum einen sollen bestehende Netze mit neuen Technologien und Betriebskonzepten optimiert werden. So werden beispielsweise Netzbetreiber in die Lage versetzt, vorausschauend zu planen und Leerrohre von vornherein mit zu planen. Das spart Zeit und Kosten und schont darüber hinaus Umwelt und Anwohner.

Zum anderen sollen vereinfachte Planungsverfahren und ein vorausschauendes Controlling weitere Verzögerungen beim Netzausbau verhindern. Hierbei arbeiten Bund und Länder eng zusammen. Bereits beim Netzgipfel im September letzten Jahres haben wir zum gemeinsamen politischen Ziel erklärt, bis zum Jahr 2021 Leitungsbauvorhaben von mindestens 4.000 Kilometern zu genehmigen. Dabei ist wichtig, dass sowohl die materiellen Umweltstandards – Stichwort u. a. Abstände zur Wohnbebauung – beibehalten werden als auch die Öffentlichkeit weiterhin frühzeitig und umfassend einbezogen wird.

Wie sieht das Ministerium den Netzausbaubedarf der nächsten Jahre?

Der konkrete Ausbaubedarf des Übertragungsnetzes für die kommenden Jahre wurde zu Beginn des Jahres von den vier deutschen Übertragungsnetzbetreibern ermittelt und im sogenannten Netzentwicklungsplan vorgelegt. Hierbei werden noch keine konkreten Trassenverläufe beschrieben, sondern zunächst zukünftige Leitungsverbindungen definiert und Empfehlungen für den Aus- und Neubau der Übertragungsnetze in Deutschland geliefert. Insgesamt haben die Übertragungsnetzbetreiber progressive Annahmen bei der Bedarfsermittlung der Netzentwicklung zu Grunde gelegt. In allen Szenarien wurde erstmalig das Ziel eines Anteils von 65 Prozent Erneuerbarer Energien sowie eine zunehmende europäische Energiemarkt-Integration berücksichtigt.

Auch wurde bereits gemäß der Ergebnisse der von der Bundesregierung eingerichteten Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ zum Ausstieg aus der Kohleverstromung eine signifikante Reduktion des Kohlekraftwerksparks angenommen.

Nach einer öffentlichen Konsultation befindet sich der Netzentwicklungsplan derzeit in der Überarbeitungsphase. Eine Bestätigung des finalen Netzentwicklungsplans durch die Bundesnetzagentur ist für Ende 2019 vorgesehen.

Wettbewerbliche Ausschreibungen wirken kostensenkend: Durchschnittliche Zuschlagswerte der Ausschreibungsergebnisse für Photovoltaik- Freiflächenanlagen. Hohe Realisierungsraten bei Photovoltaik- Freiflächenanlagen aus den ersten fünf Ausschreibungsrunden von durchschnittlich rund 95 Prozent zeigen, dass die bezuschlagten Projekte in der Regel auch realisiert werden.

Energiewirtschaft und digitaler Wandel – bleiben wir am Puls der Zeit?

Mit dem Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende wurde der Grundstein für verlässliche sowie zukunftssichere Rahmenbedingungen im Energiesektor gelegt. Wir setzen bei der Digitalisierung der Energiewende auf den Rollout von Smart-Meter-Gateways als sichere Kommunikationsplattform für alle relevanten Anwendungsfälle. Das erste BSIZertifikat für ein Smart-Meter-Gateway wurde im Dezember 2018 übergeben. In diesem Jahr müssen weitere folgen. Deutschland braucht die Digitalisierung dringend für die Energiewende. Es ist in unser aller Interesse, dass das vernünftig gemacht wird. Natürlich wäre es mir am liebsten, wir hätten schon eine Handvoll Hersteller mit zertifizierten Gateways. Um hier Optimierungspotenzial auszuloten, haben wir unser „Barometer Digitalisierung der Energiewende“ eingeführt, als jährlichen Blick von außen auf den Digitalisierungsprozess.

Der Netze-Kongress fordert, die Zertifizierung der weiteren Smart Meter Gateways zügig abzuschließen. Wird der Smart Meter Rollout zur Chefsache? Warum sind wir noch nicht weiter?

Es braucht seine Zeit, große Technologiesprünge zu vollziehen. Die Entwicklung vom Telefon mit Wählscheibe zum Smartphone kam auch nicht von heute auf morgen. Hinzu kommt der starke Fokus auf IT-Sicherheit, das war neu für viele. Regulatorische Hürden abzubauen hieße, das Sicherheitsniveau abzusenken. Das wäre kurzfristig gedacht, denn es hieße letztlich, das Risiko der Vernetzung kleinzureden, den Schutz der Energieversorgung außeracht zu lassen, Datenschutz nicht wirksam zu gestalten. Das kann nicht unsere Vorstellung von der Digitalisierung der Energiewende sein.

Intelligente Netze der Zukunft benötigen eine sichere Kommunikation. Hat die Energiebranche bei der Vergabe von 450-MHz-Frequenzen eine Chance?

Für die Digitalisierung der Energiewende ist natürlich eine leistungsfähige und zuverlässige Telekommunikationsinfrastruktur entscheidend. Deshalb hat die Energiewirtschaft auch gegenüber der Bundesnetzagentur ihren Bedarf an der Nutzung von 450-MHz- Frequenzen angemeldet. Gleiches taten so wichtige Bedarfsträger wie Bundeswehr und die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben. Grund genug für die Bundesregierung und das federführende Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur zusammen mit dem Bundesverteidigungsministerium, dem Bundesinnenministerium und uns, eine Untersuchung aufzusetzen und für die jeweiligen Anwendungen die Geeignetheit der Frequenzen zu untersuchen. Ich habe großes Vertrauen in diesen Prozess; die Energiewirtschaft ist da selbstverständlich eingebunden.

Welche Zukunftstrends bestimmen die Energieforschung der Bundesregierung?

Mit der Verabschiedung unseres 7. Energieforschungsprogramms im vergangenen Herbst hat die Bundesregierung die Themen der nächsten Jahre gesetzt. In den einzelnen Elementen des Energiesystems wie Anlagen zur Erzeugung Erneuerbarer Energien oder Technologien für die Stromnetze, aber auch im Gebäudebereich sind wir schon ein gutes Stück vorangekommen. Deswegen liegt ein Schwerpunkt nun auf der Systemintegration und dazu notwendiger Technologien z. B. zur Sektorkopplung. Neu hinzugekommen sind auch das Thema Digitalisierung und die Schnittstellen zum Verkehrssektor, in denen gemäß des Prinzips der Technologieoffenheit Batterien, Brennstoffzellen aber auch biogene und synthetische Kraftstoffe erforscht werden.

Neben neuen Themen findet sich im 7. Energieforschungsprogramm eine Ausweitung der Förderformate und des Antragstellerkreises. Mit den „Reallaboren der Energiewende“, die auf einen ganzheitlichen Ansatz zur Erprobung technischer und nicht-technischer Innovationen im realen Umfeld abzielen, soll der Technologie- und Innovationstransfer beschleunigt werden. Start-ups sollen die Möglichkeit erhalten, unter angepassten Bedingungen am Energieforschungsprogramm teilzunehmen, um ihre Innovationskraft zu nutzen.

Der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch wächst beständig: von rund sechs Prozent im Jahr 2000 auf rund 36 Prozent im Jahr 2017. Bis zum Jahr 2030 sollen 65 Prozent des in Deutschland verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien stammen. Insgesamt stellt sich die Stromerzeugung in Deutschland wie in der nebenstehenden Grafik dar: Bruttostromerzeugung in Deutschland 2017 in TWh; Stand: Februar 2018

Der EuGH hat bestätigt, dass die deutsche EEG-Umlage keine staatliche Beihilfe ist. Ein Erfolg auch des Wirtschaftsministeriums?

Natürlich freuen wir uns, dass der EuGH unsere Auffassung bestätigt hat. Die jahrelange Diskussion ist nun hoffentlich beendet. Wir werden die genauen Auswirkungen des Urteils analysieren und gemeinsam mit den betroffenen Akteuren darüber sprechen, wie wir mögliche Spielräume, die das Urteil uns eröffnet hat, nutzen wollen.

Die EU-Energieminister haben sich kürzlich zur künftigen Ausgestaltung des Energiesystems der Energieunion verständigt. Welche Schwerpunkte setzt Deutschland?

Der Fokus liegt in den kommenden Jahren auf der gemeinsamen Umsetzung des Gesetzespakets „Saubere Energie für alle Europäer“ und auf der Erreichung der 2030-Ziele der EU für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz. In den vergangenen Jahren haben wir vor allem an der Energiewende im Stromsektor gearbeitet, daran, Erneuerbare Energien in den Markt zu integrieren. Jetzt steht die Systemintegration an: Das Stromsystem muss flexibler werden, der Netzausbau beschleunigt und die Synergien aus der Digitalisierung und der Sektorkopplung genutzt werden. Hierfür braucht es die Akzeptanz in der Bevölkerung und wir müssen die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und Industrie im Blick behalten. Mir ist wichtig, dass wir die Energiewende als Modernisierungs- und Technologiestrategie für unsere Wirtschaft begreifen und auch die Rahmenbedingungen entsprechend setzen.

Herr Staatssekretär, wir bedanken uns für das Gespräch.

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Foto: Amprion

Isolatoren und Leiterseile: Aufgehängt werden die Seile nicht direkt an den Traversen der Strommasten, sondern an Isolatorenketten. Diese bestehen meist aus Porzellan, können aber auch aus Glas oder Kunststoff sein.