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< Neujustierung des Strommarktdesigns ist zentrale Herausforderung der Energiebranche
18.04.2023 16:43 Alter: 1 year

Der Wärmemarkt braucht klimaneutrale Gase

„Die Diskussion um eine möglichen Abwrackprämie für alte Heizungen zugunsten von elektrischen Wärmepumpen würde in die grundsätzlich falsche Richtung führen und für zusätzliche Irritationen sorgen.“ Prof. Dr. Gerald Linke


Prof. Dr. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender DVGW Foto: Tatiana Kurda

Der Koalitionsausschuss hat mit Blick auf den sogenannten „Heizungsstreit“ beschlossen, dass Wasserstoff und klimaneutrale Gase beim Heizen in Zukunft eine bedeutende Rolle spielen werden. Es gibt eine Klimaneutralitätsoption, die schneller sein kann als die Wärmepumpe, wie Prof. Dr. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) in seiner Wortmeldung für THEMEN!magazin unterstreicht.

Das Koalitionsziel einer klimaneutralen Energiewende kann ohne die Gasinfrastruktur im Wärmemarkt nicht erreicht werden. Die Regierung hat spät, aber gerade noch rechtzeitig erkannt, dass Technologieoffenheit gegenüber einer Verbotspolitik immer den Vorzug erhalten muss. Verbraucher und Industrie gleichermaßen benötigen Lösungen, die mit Sozialverträglichkeit und Investitionsanreizen in Einklang zu bringen sind. So lassen sich wirtschaftliches Wachstum und damit auch Arbeitsplätze und das Erreichen der Ziellinie Klimaneutralität bis 2045 in unserem Land sichern. Unsere Branche liefert verlässliche und verbindliche Vorschläge, wie zukünftig in Deutschland mit klimaneutralen Gasen geheizt werden kann. Wir sind mit Blick auf Maßnahmen, die den ökologischen Zielen gerecht werden, auf Augenhöhe mit anderen. Nur mit Elektronen alleine – also der Elektrifizierung des Wärmemarktes – wird es nicht funktionieren.

Gasnetz kann kostengünstig und klimaneutral Energie liefern

Mit grünen Gasen kann der Klimaschutz in Gebäuden schneller, kostengünstiger und weniger disruptiv als mit Wärmepumpen erreicht werden, weil bestehende Infrastrukturen und Technologien weiter genutzt werden können. Auch aus volkswirtschaftlicher Vernunft sollten wir die bestehende Gasinfrastruktur in Deutschland im Gesamtwert von vielen Milliarden Euro für Wasserstoff nutzen. Denn Millionen Haushalte und Unternehmen mit Gasanschluss sind bereits H2-ready oder können mit verhältnismäßig geringem Aufwand H2-ready gemacht werden und so über die bestehende Infrastruktur schrittweise mit bis zu 100 Prozent mit klimaneutralem Wasserstoff versorgt werden. Damit für diese Umstellung vollständige Handlungsund Rechtssicherheit besteht, hat der DVGW sein Regelwerk für den Einsatz von bis zu 100 Prozent Wasserstoff angepasst und ergänzt es aktuell um noch wenige weitere Standards.

Realität des Gebäudebestandes

2021 gab es in Deutschland rund 19,4 Millionen Wohngebäude, davon 16,1 Millionen Einfamilienhäuser. Dabei wurden knapp zwei Drittel aller Gebäude vor 1979 erbaut. Das durchschnittliche Alter der Heizungsanlagen lag im Jahr 2019 bei rund 17 Jahren. Das Gros des Gebäudebestands ist für Wärmepumpen schlicht nicht geeignet. Die Heizungsflächen sind zu klein, die Vorlauftemperaturen zu hoch. Mehr als die Hälfte der Gebäude sind nicht für die elektrische Wärmepumpe geeignet. Die Prämie kommt daher nur für jene Gebäudeeigentümer infrage, die sich auch eine Sanierung leisten können oder schon saniert haben. Zudem wirkt die Abwrackprämie wie ein Brandbeschleuniger für die Probleme des Stromsystems. Schon heute ist klar, dass das Stromnetz nicht auf eine Elektrifizierung der Wärmeversorgung ausgelegt ist. In vielen Großstädten müsste das Stromnetz mindestens verdoppelt werden. Auch fehlen uns die Kraftwerke, die im Winter genügend Strom bereitstellen. Eine neue Energiekrise wäre vorprogrammiert – das können wir uns nicht leisten.