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< Entsorgungswirtschaft - privat und kommunal - ist systemrelevant
28.04.2020 17:32 Alter: 4 yrs

Daseinsvorsorge war nie so aktuell und wertvoll

Systemrelevante Wirtschaftszweige stehen seit Wochen im Mittelpunkt gesellschaftlicher Aufmerksamkeit. Auch die Mitarbeiter von Stadtwerken erbringen täglich außergewöhnliche Leistungen, um die Ver- und Entsorgung der Bürger in den Städten und Gemeinden zu sichern. Ein Beispiel dafür sind die Stadtwerke Görlitz AG (SWG), die sich in den zurückliegenden Jahren „vom Versorger zum Umsorger“ ausgerichtet haben. Eine Grundlage, um die schwierigen Prozesse der Versorgungssicherheit zu meistern. Im Gespräch Matthias Block, Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke Görlitz AG.


Matthias Block, Vorstandsvorsitzender Stadtwerke Görlitz AG

„In unserer Verantwortlichkeit für alle Einwohner in Görlitz und dem Umland müssen wir uns mehr und mehr neuen Herausforderungen stellen. Längst werden vom Energie­versorger nicht mehr nur Standardleistungen der Daseinsvorsorge gefordert.

Deshalb haben wir früh begonnen, nicht nur Strom und Gas anzubieten, sondern unsere Kunden rundum zu betreuen. Wir wollen als Stadtwerke für unsere Kunden ein attraktives Angebot bereithalten und Leistungen aus einer Hand anbieten. Also nicht nur Ver­sorger, sondern „Um­sorger“ unserer Kunden zu sein. Denn wir sind als Stadtwerke Görlitz seit nunmehr 30 Jahren hier verwurzelt und ansprechbar.“ Matthias Block

Herr Block, auch für Unternehmen der Versorgungswirtschaft ist die Situation nicht einfach. Welche Schwerpunkte setzen momentan die SWG?

Als Teil der kritischen Infrastruktur ist die Sicherstellung einer uneingeschränkten Ver- und Entsorgung aller Bürger und Unternehmen unsere oberste Priorität. Dabei bildet der Schutz unserer Mitarbeiter die Basis unseres Handelns. Denn ohne gesunde Mitarbeiter können wir unsere Anlagen nur schwer betreiben. Auch wir wurden von dem Virus nicht verschont. Doch dank unseres Pandemieplans konnten wir  jederzeit  unseren Regelbetrieb aufrecht erhalten und unserem Versorgungsauftrag gerecht werden.

„Der Wandel fördert den Innovationsgeist“ ist Leitmotiv der SWG. Was steht hinter diesem Anspruch? .

Vor gut 10 Jahren erkannten wir, dass unser bisheriges Konzept eines Energieversorgers nicht mehr tragfähig war und der Veränderung der Branche angepasst werden musste. Deshalb haben wir im Rahmen unseres Programms „Marktfit 2012“ eine runderneuerte Strategie erarbeitet, mit der wir im gesamten Unternehmen Innovationsfelder erschließen und sie für unsere Versorgungsaufgaben nutzen. Dies erfolgt ganz praktisch, indem Innovationsscouts in allen Firmenfeldern potenziell wertschöpfende Ideen aufgreifen. Unterstützt werden sie seit 2017 durch drei zu 50 Prozent freigestellte, speziell geschulte Mitarbeiter, die gemeinsam mit dem Vorstand das Basisgeschäft optimieren und laufend neue Produkte und Services entwickeln.

Gibt es Beispiele dafür?

Beispiele aus jüngerer Zeit sind Dienstleistungen wie schnelles Internet verbunden mit IT-Dienstleistungen, Elektromobilität gekoppelt mit Carsharing nach dem Motto „Nutzen statt Besitzen“, der Bau öffentlich geförderter Anlagen zur dezentralen Energieversorgung in drei Görlitzer Altstadtquartieren und zahlreiche Contracting-Projekte für das energetische Modernisieren von in der Regel Einfamilienhäusern.

Das Glasfasernetz ist für uns ein weiteres Standbein neben der Versorgung unserer Kunden mit Strom, Gas, Wärme und Wasser. Wer viel im Netz unterwegs ist, benötigt eine schnelle Internetverbindung. Deshalb sind wir seit längerem unterwegs, die Stadt Görlitz mit schnellem Internet auszustatten und uns damit ein zukunftsfähiges Geschäftsfeld zu erschließen. Der Vorteil liegt auf der Hand. Wir stärken unsere ortsansässigen Unternehmen gegenüber Mitbewerbern, können dank kurzer Wege schnell reagieren und unsere Kunden hängen bei einer Störung nicht in der Warteschleife fest.

SWG wurden 2018 und 2019 als TOP- Innovationsunternehmen ausgezeichnet. Welche Botschaft war das für die Region?

In einer Zeit, in der Branchen und Unternehmen auch in der Region um Görlitz mit Problemen kämpfen, nicht nur angesichts der aktuellen Herausforderungen durch die Corona-Pandemie, enthält die Auszeichnung als innovatives Unternehmen für die Stadtwerke eine wichtige Botschaft: Entwicklung bringt Stabilität. Denn nur wer sich stets dem Markt anpasst und mit Innovationen punktet, kann auch weiterhin die Arbeitsplätze sichern und sein lokales Engagement erhalten.

Wir sind sehr stolz, dass wir zu den 100 besten Innovationsunternehmen des deutschen Mittelstandes gehören und sehen dies gleichzeitig als Herausforderung, unsere Innovationskraft weiter zu stärken und Jahr für Jahr auszubauen. Ergänzt immer mit dem klaren Ziel, den bestmöglichen Service für unsere Kunden zu schaffen.

Seit 2017 beliefern die Stadtwerke übrigens alle privaten und kleingewerblichen Kunden ausschließlich mit Ökostrom und klimaneutralem Erdgas und setzen damit die Energiewende für Görlitz fast im Alleingang um. In unserer vom Kohletagebau geprägten Gegend war die komplette Umstellung ein Wagnis und deshalb bin ich froh, dass die Kunden mitziehen.

Als Partner der Görlitzer Unternehmen sind Sie in Sachen Energieeffizienz gefragt. Mit welchen Angeboten können Sie punkten?

Die umweltschonendste Energie ist jene, die man gar nicht erst verbraucht, weil diese nicht erzeugt und transportiert werden muss. Und für Unternehmen sind Investitionen in Einsparmaßnahmen zusätzlich wirtschaftlich sehr attraktiv. Energieeffizienz sehen wir deshalb als eine wichtige Säule unseres Dienstleistungsgeschäftes und können hier für die regionale Wirtschaft ein wichtiger Partner sein.

Ein Beispiel ist das bereits dritte Görlitzer Energie-Effizienz-Quartier EEQ3-Ind. im Industriebereich. Für die Bombardier Transportation GmbH & Co. KG wurden bereits 2015 moderne Dampferzeugungsanlagen eingesetzt, diese sind mit einer hocheffizienten Mikro-Gasturbine gekoppelt. Der produzierte Strom wird direkt im Werk verbraucht, wodurch Bombardier deutlich weniger Strom am Markt einkaufen muss. Mittels Kraft-Wärme-Kopplung konnte so die Wärmeversorgung individuell an die Produktionsprozesse von Bombardier angepasst und umweltfreundlicher gestaltet werden.In Summe wird so eine Energieeffizienzsteigerung und eine jährliche CO2-Bruttoeinsparung von rund 1000 Tonnen erreicht.


SWG setzt auch ein Energieeffizienz-Controlling ein?

Für Unternehmen ist die Messung und Verarbeitung energierelevanter Daten Voraussetzung, um systematisch Fehlfunktionen aufzeigen, Einsparmaßnahmen gezielt einzuleiten und Einsparerfolge auch nachzuweisen. Hier sollte in Ergänzung zu einem Verbrauchscontrolling auch ein Energieeffizienz-Controlling durchgeführt werden, bei dem die Effizienz von Anlagen und Prozessen im Fokus steht. Beispiel dafür ist der Einsatz der Softwarelösung „Energieeffizienz-Controlling“ für Industriekunden und Kommunen. Diese Lösung steht uns als SWG mit dem von ÖKOTEC entwickelten EnEffCo® -System über eine webbasierte Softwarelösung als Mitglied der Veolia-Gruppe zur Verfügung.

SWG haben auch ausreichend Energie, um über Grenzen zu gehen?

Als etabliertes Unternehmen in Verantwortlichkeit für alle Einwohner in Görlitz und dem Umland, müssen wir uns mehr und mehr neuen Herausforderungen stellen, die uns aber auch neue Perspektiven eröffnen.  Deshalb erweitern wir kontinuierlich unser Dienstleistungsspektrum und erschließen neue Märkte in Zgorzelec und Westpolen.  Aber wir betreten als Stadtwerke mit diesem Schritt sprichwörtlich „Neuland“ – denn östlich der Neiße gelten eben andere gesetzliche und geschäftliche Rahmenbedingungen als auf deutscher Seite. Neben Energieangeboten für Geschäfts­kunden auf dem polnischen Markt haben wir, ergänzend zu den bestehenden Görlitzer flex-eBike-Leihstationen, auch in Zgorzelec einen Verleihpunkt mit zwölf E-Bikes eingerichtet. Das kostengünstige Angebot „flex eBike“ funktioniert bequem über eine App und die hochwertigen E-Bikes können dank einer Reichweite von bis zu 150 km für ausgiebige Entdeckungstouren in der Europastadt und im Umland genutzt werden.

Abschließend ein Blick nach vorn, wird für SWG auch künftig Nachwuchs vorhanden sein?

Diese Aufgabe haben wir seit langem im Blick und bauen die Kooperation mit Görlitzer Schulen ständig aus. Davon profitieren schließlich beide Seiten. Als Unternehmen nutzen wir dies für die gezielte Fachkräftegewinnung. Wir stellen uns als SWG in Schulen vor und informieren über die vielfältigen Berufsbilder in einem Energieversorgungsunternehmen. Unsere Angebote reichen vom Bewerbertraining bis zum Projekttag.

Ein simulierter Bewerbungsprozess unterstützt die Schüler höherer Klassenstufen durch das fachliche Feedback unserer Personalreferentin. Es gibt Angebote für Betriebserkundungen, beispielsweise im Wasser- oder Klärwerk. Es besteht die Möglichkeit für Schülerpraktika oder Projekttage vor Ort, bei denen sich mögliche Ausbildungsberufe und betriebliche Abläufe hautnah erleben lassen. 


Vielen Dank für das Interview.

www.stadtwerke-goerlitz.de

Blick von Zgorzelec über die Neiße auf Görlitz: Die Stadtwerke Görlitz AG haben ausreichend Energie, um über die Grenze zu gehen und neue Märkte in West­polen zu erschließen. Foto: www.punkt191.de