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< Sichere Stromversorgung in unsicheren Zeiten
29.04.2020 13:36 Alter: 4 yrs

Daseinsvorsorge – Kommunale Unter­nehmen und Stadt­werke sind unverzichtbar

Gegenwärtig erleben wir tiefe Einschnitte im privaten und öffentlichen Leben. In dieser bisher nicht gekannten Situation zeigt sich einmal mehr deutlich: Kommunale Unternehmen und Stadtwerke haben eine grundlegende gesellschaftliche Bedeutung für die Versorgung der Bevölkerung. Sie sorgen für Strom, Wasser, Wärme und schnelles Internet und entsorgen unsere Abwässer und Abfälle – und das rund um die Uhr, jeden Tag im Jahr, in Stadt und Land, sicher und bezahlbar. All das ist Daseinsvorsorge. Hinter diesem etwas sperrigen Begriff verbirgt sich die Stärke unserer kommunalen Unternehmen und Stadtwerke, gerade in der gegenwärtigen Krisensituation.


Michael Ebling, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Mainz, Präsident Verband kommunaler Unternehmen e. V. (VKU) Foto: Alexander Heimann

Im Interview mit themen!magazin spricht Michael Ebling als Oberbürgermeister
und Verbandspräsident über Leistungen der Daseinsvorsorge und
Herausforderungen, welche die Corona-Pandemie an die Kommunal­wirtschaft stellt.

Herr Ebling, Stadtwerke und kommunale Unternehmen halten Deutschland am Laufen. Doch wie sieht es damit in Krisensituationen wie diesen aus?

Gerade in der Krise zeigt sich der Wert einer starken Kommunalwirtschaft. Wir tragen als Betreiber kritischer Infrastrukturen und Erbringer von verschiedenen Leistungen der sogenannten Daseinsvorsorge eine besondere Verantwortung. Die Menschen werden zuverlässig mit Strom, Wärme und Wasser versorgt, ihr Abfall und ihr Abwasser wird sicher entsorgt. Im Alltag wird das oft als Selbstverständlichkeit wahrgenommen. Aber auch in der Krise können sich die Menschen auf uns verlassen. In der aktuellen Lage, die bei Vielen aus nachvollziehbaren Gründen für Verunsicherung sorgt, hat eine gesicherte Ver- und Entsorgung einen ganz besonderen Stellenwert.

Natürlich ist der Umgang mit einer Krise dieser Art für alle neu, aber es trifft uns nicht unvorbereitet. So haben die kommunalen Unternehmen und Stadtwerke ihre Krisenstäbe aktiviert und arbeiten eng mit den Kommunen und relevanten Behörden zusammen. Ihre Krisen- und Pandemiepläne werden auf die gegenwärtige Situation vor Ort angepasst und bei neuen Erkenntnissen entsprechend aktualisiert. Dabei gilt es auch, die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor einer Infektion zu schützen. Home-Office und andere Lösungen wie der Einsatz von getrennt agierenden Teams erweisen sich als hilfreich. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Ver- und Entsorgung gefährdet ist. Aber die Menschen vor Ort können einen Beitrag dazu leisten, dass das auch so bleibt!

Können Sie das an einem Beispiel verdeutlichen?

Gern.  Nehmen wir die Abwasserentsorgung. Hier gilt: Die Toilette ist kein Mülleimer! Das ist sonst natürlich auch so, aber zu diesen Zeiten besonders. Durch den zeitweiligen Engpass an Toilettenpapier mag es nahe liegen, auf Alternativen wie feuchtes Toilettenpapier oder auch Küchenpapier oder Taschentücher zurückzugreifen. Die haben aber in der Toilette nichts zu suchen.  

Feuchttücher sind beispielsweise reißfest, weshalb sie sich im Wasser nicht zersetzen. Das führt zu technischen Problemen bei den Abwasseranlagen. Im schlimmsten Fall legen sie sogar Pumpen lahm. Und das Entfernen ist nur mit erheblichem Aufwand möglich. Das, was die Abwasserbetriebe nun gerade gar nicht gebrauchen können, sind zusätzliche Reinigungseinsätze bei verstopften Pumpen.  

Vielerorts sind Recyclinghöfe geschlossen. Was möchten Sie den Bürgerinnen und Bürgern hier raten?

Die Recyclinghöfe wurden mancherorts zeitweilig geschlossen, weil dort der gebotene Mindestabstand nicht mehr gewährleistet werden konnte und die Betriebe nicht mehr mit der Entsorgung nachkamen. Wir haben von einigen Kommunen gehört, in denen in vier Tagen so viel abgegeben wurde wie sonst in einem Monat.

In der letzten Zeit habe ich öfters als Tipp gegen die Langeweile zu Hause gehört, doch nun mal kräftig zu entrümpeln und den eigenen Haushalt auf Vordermann zu bringen. So verständlich das ist – es ist im Moment aber nicht das Gebot der Stunde. Denn wohin mit dem ganzen Sperrmüll, Elektroschrott und anderen Abfällen? Wer auf das Aufräumen trotzdem nicht verzichten möchte, kann sich vorher überlegen, wie der Sperrmüll zwischengelagert werden soll, also zum Beispiel im Keller.

Und wie ist es um die Sicherheit der Energieversorgung bestellt?

Da besteht kein Anlass zur Sorge. Die Energieversorgung ist gegenwärtig weder gefährdet noch beeinträchtigt. Stadtwerke und Verteilnetzbetreiber treffen wie bereits gesagt geeignete Maßnahmen, um für eine stabile Energieversorgung bei möglichst geringer Gefährdung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sorgen. Wenn möglich, wird auf das Home-Office zurückgegriffen und der persönliche Kontakt zu Kunden auf ein Minimum heruntergefahren. Wer nicht von daheim arbeiten kann, weil sie oder er beispielsweise in einem Kraftwerk tätig ist, arbeitet in einem festen Team, um so das allgemeine Infizierungsrisiko zu senken. Mögliche Engpässe werden so früh wie möglich identifiziert, um auch im Infektionsfall die betrieblichen Kernfunktionen aufrecht zu erhalten.

Die Krisensituation zeigt auch, dass der weitere Ausbau der digitalen Infrastruktur dringend notwendig ist. Doch was unter­nehmen Stadtwerke und kommunale Unternehmen hier, damit ihre Kunden nicht auf dem „Trockenen” sitzen bleiben?

Die Corona-Pandemie hat noch einmal unterstrichen, wie wichtig eine moderne und leistungsfähige digitale Infrastruktur für schnelles Internet ist. Aus diesem Grund ergreifen kommunale Unternehmen zahlreiche Maßnahmen, wobei der Fokus auf dem Netzstabilitätsmanagement liegt: Kommunale Unternehmen beobachten genaustens die Auslastung der Glasfasernetze, um Engpässe frühzeitig zu erkennen und entsprechend eingreifen zu können.

Unsere jetzige Erfahrung zur Bedeutung von schnellem Internet zeigt: Wir müssen den Ausbau der Glasfasernetze zügig weiter voranbringen. Von Investitionen in diese digitale Infrastruktur für schnelles Internet in Stadt und Land profitiert der Wirtschaftsstandort Deutschland nachhaltig. Zudem macht schnelles Internet unseren Wirtschaftsstandort krisenfester: Ohne leistungs­fähige digitale Infrastruktur wie Glasfaser ist etwa Home-Office in vielen Branchen gar nicht möglich. Heute sind vor allem urbane Ballungsgebiete weitgehend gut mit schnellem Internet versorgt. Wichtig ist jedoch, dass der ländliche Raum hier nicht weiter abgehängt wird – weder die Bürgerinnen und Bürger, noch die vielen Mittelständler und auch Hidden Champions, die hier ihren Sitz haben.

Eine stabile Netzverbindung für schnelles Internet ist in der Corona-Krise sowohl für die Wirtschaft als auch für die Gestaltung des Privatlebens daheim besonders wichtig – man denke etwa an Telekonferenzen mit Kunden und Kollegen oder Video-Anrufe bei Familie und Freunden. Der Zugang zu schnellem Internet ist auch Teil der Daseinsvorsorge.

Welche Bedeutung kommt den Stadtwerken und kommunalen Unternehmen noch zu?

Ich glaube, einer der langfristigen Effekte aus der Corona-Pandemie wird sein, dass der Daseinsvorsorge in der öffentlichen Wahrnehmung wieder mehr Ansehen zukommt. Es zeigt sich doch, dass der Glaube, ein enthemmter Markt könne alle Fragen beantworten, in der Krise schnell an die Grenze gelangt ist. Ein handlungsfähiger Staat, eine zuverlässige Infrastruktur sowie ein sicheres Ver- und Entsorgungssystem haben einen Wert, welcher nicht nur marktwirtschaftlichen Regeln unterliegen darf.   
 
Und auch jenseits der Corona-Krise: Daseinsvorsorge ist entscheidend für den Zusammenhalt, der im Moment auch so wichtig für unser Miteinander ist. Wir blicken neben der aktuellen Situation auch auf die kommenden Herausforderungen. Denn neben der Pandemie erleben wir ja grundlegende, rapide Veränderungen durch den demografischen und gesellschaftlichen Wandel, Digitalisierung, Urbanisierung und Klimawandel. Viele Bürgerinnen und Bürger suchen nach Orientierung und Sicherheit.

In dieser Zeit, in der so vieles hinterfragt wird, braucht es Institutionen, auf die sich die Bürgerinnen und Bürger ohne Wenn und Aber verlassen können. Hier zeigt das aktuelle Institutionen-Ranking von RTL und n-tv auf Basis einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage von Forsa: Mehr als Zweidrittel der Deutschen vertrauen den kommunalen Unternehmen (67 Prozent). Damit kommen sie auf Platz sechs und gehören zur Spitzengruppe der vertrauenswürdigsten Institutionen in Deutschland.

Noch eine abschließende Frage: Corona bestimmt die Medien­bericht­erstattung dieser Tage. Doch welche Themen dürfen aus Ihrer Sicht nicht aus den Augen verloren werden?

Das stimmt, trotz der Pandemie dürfen andere Themen nicht zu kurz kommen. Das gilt vor allem für die Klimapolitik. Wir können uns jetzt nicht erlauben, hier zu zögern oder die Corona-Pandemie als Grund für die Verschiebung wichtiger Maßnahmen anzuführen. Der Klimawandel macht wegen Corona keine Pause. Daher sollten wir weiterhin entschlossen den Kohleausstieg und den Ausbau der erneuerbaren Energien angehen. Klar: Die Corona-Krise überschattet momentan alles. Der Klimawandel stellt uns aber vor Herausforderungen, die unsere Gesellschaft auf lange Sicht weitaus stärker in Atem halten werden. Daher dürfen wir hier nicht nachlassen!

 

Herr Ebling, wir danken für das Gespräch.

www.vku.de

Daseinsvorsorge – Die kommunalen Unternehmen halten Deutschland am Laufen, Grafik: © Verband kommunaler Unternehmen (VKU)

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) vertritt rund 1.500 Stadtwerke und kommunalwirtschaftliche Unternehmen in den Berei­chen Energie, Wasser/Ab­wasser, Abfallwirtschaft sowie Telekommunikation. Mit mehr als 268.000 Beschäftigten wurden 2017 Umsatzerlöse von mehr als 116 Milliarden Euro erwirtschaftet und rund 10 Milliarden Euro investiert. Im Endkundensegment haben die VKU-Mitgliedsunternehmen
große Marktanteile in zentralen Ver- und Entsorgungs­bereichen: Strom 61 %, Erd­gas 67 %, Trink­wasser 86 %, Wärme 70 %, Abwasser 44 %.

Sie entsorgen jeden Tag 31.500 Tonnen Abfall und tragen entscheidend dazu bei, dass Deutschland mit 68 % die höchste Recyclingquote in der Europäischen Union hat.

Immer mehr kommunale Unternehmen engagieren sich im Breitband-Ausbau. Seit 2013 steigern sie jährlich ihre Investitionen um rund 30 % und bauen überall in Deutsch­land zukunfts­fähige Infrastrukturen (beispielsweise Glasfaser oder WLAN) für die digitale Kommune aus.