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< Denken wir in der Wärmewende zu kurz?
03.05.2024 09:11 Alter: 85 days

Blick aus dem Maschinenraum der Energiewende

„Politik erstellt das Rahmenkonstrukt für die Energiewende, doch wir setzen um. Machen ist wie wollen, nur krasser.”


Foto: Andreas Lander Andreas Reinhardt, Geschäftsführer, Stadtwerke Lutherstadt Wittenberg GmbH

Der Aufbau eines klimaneutralen Stromsystems, das gleichzeitig Versorgungs- und Systemsicherheit gewährleistet, ist ohne die Stadtwerke nicht zu realisieren. Mit ihrer tragenden Rolle in der Nah- und Fernwärmeversorgung nehmen sie zudem eine Schlüsselrolle für eine erfolgreiche Wärmewende ein. Doch es darf nicht bei Absichtserklärungen bleiben, merkt Andreas Reinhardt, Geschäftsführer der Stadtwerke Lutherstadt Wittenberg GmbH in einem Gastbeitrag für THEMEN!magazin an.

Fernwärme soll die klimaneutrale Wärmeversorgung sichern, so die Kernaussage des Fernwärmegipfels im Sommer 2023. Deshalb hat sich ein breites Bündnis aus der Wärmewirtschaft, der Wohnungs- und Bauwirtschaft, der Industrie sowie aus dem Umwelt- und Verbraucherschutz für einen verlässlichen Rahmen, den Abbau von Hemmnissen und mehr Tempo beim klimaneutralen Um- und Ausbau der Wärmeversorgung ausgesprochen. Für die Wärmeversorgung stellt Politik die Forderung, die bislang dominierenden fossilen Energieträger Erdgas und Heizöl innerhalb von rund 20 Jahren zu ersetzen. Bis 2030 soll die Hälfte der Wärme in deutschen Wärmenetzen klimaneutral erzeugt werden. Diese tiefgreifende Transformation stellt Gebäudeeigentümer, die Energiewirtschaft und gewerbliche Wärmekunden vor erhebliche Herausforderungen.

Wärmenetze – eine kostengünstige Option

Wärmenetze können eine flexible und – im Vergleich mit anderen Heizungsarten - besonders kosteneffiziente klimaneutrale Lösung für die Wärmeversorgung von Kommunen oder Stadtquartieren sein. Denn sie ermöglichen, den Wärmebedarf ohne Neuinstallation einer Einzelheizung aus zentralen, zukünftig erneuerbaren Quellen zu decken. Sie können verschiedene erneuerbare Energiequellen und unvermeidbare Abwärme in die Wärmeversorgung integrieren und effizient die Nutzung von Strom und Wärme miteinander verbinden. Damit sind sie bestens geeignet für eine schrittweise und sozialverträgliche Transformation. Zahlreiche Studien zeigen, dass Wärmenetze in vielen – vor allem städtischen und verdichteten – Gebieten die kostengünstigste Option für klimaneutrale Wärme bieten. Nahwärmenetze sind zudem eine bürgernahe Option, um Wohnquartiere gemeinschaftlich mit klimaneutraler Wärme zu versorgen. 2022 wurden rund 6,1 Millionen Wohnungen mit Fernwärme versorgt. Das entsprach etwa 14,2 Prozent aller Wohnungen. Aktuell liegt der Anteil Erneuerbarer Energien an der Fernwärme noch bei rund 20 Prozent, bei uns in Wittenberg bei rund 25 Prozent. Im Fernwärmenetz der Stadtwerke Lutherstadt Wittenberg sind aktuell 750 Gebäude angeschlossen, worüber rund 9.000 Wohnungen und Gewerbekunden versorgt werden. Theoretisch steht der Anschluss von 2.250 Gebäuden bis 2045. Aber die genaue Anzahl der Gebäude und die erforderlichen Investitionen wissen wir erst, wenn die kommunale Wärmeplanung für unsere Kommunen steht. Und da wir ein Regionalversorger sind, muss die Planung zudem mit mehreren Kommunen erfolgen. Hierfür muss die Gesetzgebung zunächst noch in Landesrecht überführt werden. Erst dann kann die kommunale Wärmeplanung im Detail beginnen. Rechtlich verbindlich ist sie dann aber dennoch nicht, muss sie aber aus unserer Sicht, sowohl planungs- als auch baurechtlich.

Investitionen und Förderkulisse

Damit Wärmenetze ihre Vorteile ausspielen können, bedarf es eines verlässlichen Rahmens für Anbieter und Kunden. Dieser sollte einerseits die notwendigen Anreize für den Ausbau und die Dekarbonisierung der Wärmenetze setzen, Investitionen anreizen und zugleich eine kosteneffiziente Versorgung von Wohn- und Nichtwohngebäuden gewährleisten. Der aktuelle rechtliche und förderpolitische Rahmen entspricht dieser Forderung aktuell nicht. Die gesetzlichen Regelungen müssen Kommunen und kommunale Unternehmen befähigen, die notwendigen Investitionen in den Ausbau und die Erzeugung sowie Erschließung klimaneutraler Wärmequellen zu stemmen. Dabei muss allen Beteiligten eine Rolle zugeordnet werden - der Kommune die rechtlich verbindliche Planungshoheit, dem Energieerzeuger bzw. Netzbetreiber die Umsetzung und dem Endverbraucher die Nutzung. Dafür sind wirksame finanzielle Förderungen notwendig, die flexibel und vor allem bedarfsgerecht gestaltet sind. Ein Beispiel: Unserer Ansicht nach sollte in ausgewiesenen Fernwärmegebieten der Ausbau von Fernwärme gefördert werden und nur außerhalb von diesen die Wärmepumpe. Wenn die Förderkulisse richtig aufgebaut ist, kann ein Anschluss- und Benutzungszwang verhindert werden. Der Umbau von Etagen- zu Zentralheizungen ist ein weiterer großer Hebel. Hier ist jedoch die Frage zu stellen, wieviel Investition eine Wohnungswirtschaft auf die Kaltmiete umlegen darf. Aktuell ist das über den §556c BGB deutlich reglementiert. In Summe muss der Förderrahmen (KWKG und BEW) zielgerecht ausgestalten werden, mit richtiger Kombination von Planung und Anreizen. Und das BEW muss sich an die Geschwindigkeit für den Fernwärmeausbau anpassen, Verwaltungsprozesse müssen vereinfacht und optimiert werden. Wenn man bedenkt, dass in unserer Region aktuell ein Meter Fernwärmetiefbau rund 2.000 Euro kostet, ein Kilometer also rund zwei Millionen Euro, wird deutlich, dass vor allem das Fördervolumen erheblich aufgestockt werden muss.

Verfügbarkeit von Anlagen und Fachkräften

Ein wichtiges Thema der Wärmewende bleibt die Verfügbarkeit von Anlagen und Fachkräften. Hersteller und Betreiber von Anlagen müssen einen Schwerpunkt auf den Bau von Anlagen zur erneuerbaren Wärmeerzeugung und -verteilung legen, die zur Fernwärmeversorgung beitragen können und die Investitionen in Produktionsanlagen deutlich erhöhen. Dazu werden bei der Planung sowie im Leitungs-, Anlagen- und Tiefbau absehbar erhebliche zusätzliche Personalressourcen benötigt. Der Bedarf an neuen Fachkräften und Fachbetrieben ist zu adressieren. Es sind Maßnahmen zu identifizieren, um der Knappheit insbesondere durch Aus- und Weiterbildung wirksam zu begegnen und die Attraktivität der Branche für Beschäftigte sicherzustellen.

Foto: SW Lutherstadt Wittenberg

Die Stadtwerke Lutherstadt Wittenberg investierten im Jahr 2019 in das Repowering des BHKWs 8 Mio. Euro. Bei einer elektrischen Leistung von 4 x 1.425 kW beträgt die thermische Gesamtleistung 9,5 MW mit einem Gesamtwirkungsgrad von 95,4 %. Durch das Lambda1-Verfahren werden sehr geringe Abgasemissionen erzielt.

Fazit: Die Wärmetransformation erfordert das Mitwirken aller Akteure

Als Stadtwerk arbeiten wir an der Transformationsplanung für Fernwärme und setzen diese bereits aktiv um. In Bezug auf die kommunale Wärmeplanung empfiehlt sich aus der Erfahrung zwingend das Erfordernis einer abgestimmten und gemeinsamen Kommunikationsstrategie zwischen allen Akteuren. Die Betroffenen, wie Verwaltung, Wohnungswirtschaft, Handwerker, Schornsteinfeger, Endverbraucher etc. müssen frühzeitig in den Prozess einbezogen werden. Wir befinden uns in Wittenberg bereits in einem aktiven und regelmäßigen Austausch dazu. Das BMWK und das BMWSB wollen eine Kampagne entwickeln, die das öffentliche Bewusstsein für die positive Rolle klimaneutraler Fern- und Nahwärme als verbraucherfreundliche Dekarbonisierungsoption stärkt und zur Akzeptanz für Ausbaumaßnahmen beiträgt. Lassen wir uns überraschen!

www.stadtwerke-wittenberg.de