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23.07.2025 15:58 Alter: 131 days

Bidding Zone Review: Studie zu oberflächlich

„Eine Aufteilung der Preiszone schafft Gewinner und Verlierer und riskiert die Akzeptanz für die Energiewende in der Gesellschaft.“


Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer, VKU
Foto: VKU/Chaperon

Die europäischen Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E) haben am 28.04.2025 ihren Bericht (Bidding Zone Review) zur möglichen Neukonfiguration der europäischen Stromgebotszonen vorgelegt. Der Verband Kommunaler Unternehmen VKU warnt vor negativen Folgen bei Teilung der bisher einheitlichen Stromgebotszone. Eine Wortmeldung von Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des VKU.

Die Studie kommt zum Ergebnis, dass eine Aufteilung der einheitlichen deutsch­luxemburgischen Gebotszone in fünf deutsche Gebotszonen im Vergleich zum Status quo mit 339 Millionen Euro den höchsten Wohlfahrtsgewinn erzielen würde. Als klare Empfehlung zur Neuordnung der einheitlichen Gebotszone kann dieses Ergebnis aus VKU­Sicht jedoch nicht gesehen werden. Die Studie selbst enthält den Hinweis, dass bei der Modellierung wichtige zusätzliche Aspekte nicht berücksichtigt wurden.

Übertragungsnetzbetreiber skeptisch

Mehr Klarheit verschafft das begleitend veröffentlichte Positionspapier der vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber. Darin heißt es: „Deutsche ÜNB sehen Ergebnisse nicht geeignet für Entscheidung über Aufteilung der Gebotszone“. Die berechneten Wohlfahrtsgewinne seien nicht aussagekräftig, heißt es in deren Begründung. Und weiter: Die Auswirkungen auf die Investitionssicherheit und lokale Kostensteigerungen würden das Ergebnis relativieren. Zudem würden die Modellergebnisse zukünftige Entwicklungen im Stromsystem beim Netzausbau und Erneuerbaren Energien nicht angemessen berücksichtigen. Die deutschen ÜNB warnen bei einer Aufteilung vor einem Verlust der Liquidität auf dem Terminmarkt und Kostensteigerungen bei Regelenergie.

Warum lehnt der VKU ab?

Der VKU lehnt eine Aufteilung der einheitlichen deutsch­luxemburgischen Stromgebotszone entschieden ab. Eine Spaltung hätte schwerwiegende wirtschaftliche und energiepolitische Folgen und würde die angestrebte Energiewende gefährden. Der im Bericht unter rückwärtsgewandten und unvollständigen Kriterien berechnete Wohlfahrtsgewinn steht in keinem akzeptablen Verhältnis zu den Schäden, die entstehen würden. Wir setzen uns dafür ein, dass die Bundesregierung und die EU­Kommission alternative Lösungen finden, um die Netzstabilität zu gewährleisten, ohne die Strompreiszone zu teilen.

Ein europaweiter Strombinnenmarkt erhöht die Versorgungssicherheit in Deutschland und senkt die Gesamtkosten der Energieversorgung. Die Einheitlichkeit der Stromgebotszone ermöglicht stabile Marktbedingungen, sichert die Planbarkeit für Stadtwerke und Unternehmen und gewährleistet eine hohe Liquidität auf den Großhandelsmärkten. Zudem sorgt sie für eine gleichmäßige Verteilung von Risiken und Kosten über das gesamte Bundesgebiet.

Aufspaltung ist keine Lösung

Die aktuell diskutierte Aufspaltung der liquiden deutsch­luxemburgischen Gebotszone zur Anpassung an bestehende Netzengpässe schafft dagegen kleinere Marktfragmente mit niedrigerer Liquidität im Stromhandel und riskiert die Vorteile eines großen Marktgebiets. Die Handelskosten und der operative Mehraufwand steigen.

Eine Aufteilung würde auch bestehende Probleme, wie Netzengpässe, nicht lösen, sondern zusätzliche Herausforderungen schaffen – insbesondere durch neue Unsicherheiten für Investitionen und eine höhere Marktvolatilität. Eine Aufteilung der Preiszone schafft Gewinner und Verlierer und riskiert die Akzeptanz für die Energiewende in der Gesellschaft. Niedrigere Strompreise in den Bundesländern mit viel Windenergie stehen dann höheren Strompreisen in den industriestarken Bundesländern gegenüber. Forderungen nach Kompensationszahlungen und unnötige Verteilungsdebatten wären die Folge.

Volkswirtschaftlichen Gesamtblick nicht ausblenden

Deutschland zählt im internationalen Vergleich bereits jetzt zu den Ländern mit den höchsten Strompreisen für Verbraucher. Stromintensive Industrien würden ihren Standort daher kaum innerhalb Deutschlands verlegen. Vielmehr droht eine Abwanderung ins Ausland. Ein weiterer Anstieg infolge getrennter Preiszonen steht im Widerspruch zum politischen Ziel, die Stromkosten für alle Verbraucher deutlich zu senken.

Hinzu treten die praktischen Schwierigkeiten einer Gebotszonenaufteilung: Die Umsetzung wäre hoch komplex und würde mehrere Jahre dauern. Dabei müssten wichtige Fragen beantwortet und die Märkte grundlegend neu geordnet werden. Dies birgt erhebliche Unsicherheitsrisiken für alle Marktteilnehmer in Zeiten dringend benötigter Transformation.
Der physische Netzausbau ist die langfristig nachhaltige Lösung für strukturelle Engpässe im deutschen Stromnetz. Kurzfristige Netzengpässe können durch mehr angebots­ und nachfrageseitige Flexibilitäten reduziert werden. Zudem kann eine verstärkte europäische Kooperation im Stromhandel helfen, Engpässe effizienter zu managen, ohne den deutschen Markt künstlich zu zerschneiden.

Fazit

Natürlich kostet all das Geld, erhält am Ende aber einen liquiden Strommarkt, von dem alle profitieren. Mit einem guten Rahmen kann die Realwirtschaft privates Kapital für die ambitionierte Fortsetzung der Energiewende mobilisieren, parallel gute Beschäftigung aufbauen und so mehr Wertschöpfung in Deutschland organisieren.

Ziel sollte sein, die Kräfte weiter auf die Beschleunigung des Netzausbaus zu richten und die hohe Marktliquidität der einheitlichen Stromgebotszone zu erhalten. Das ist insgesamt zielführender als kurzfristige Markteingriffe von ungewissem Ausgang. Die Aufrechterhaltung einer einheitlichen Stromgebotszone bleibt aus Sicht des VKU daher die beste Lösung für eine verlässliche, bezahlbare und nachhaltige Energieversorgung in Deutschland.

www.vku.de

VDA und BDEW zum Bidding Zone Review: Bundesregierung muss sich weiter für eine einheitliche deutsche Stromgebotszone einsetzen

VDA­Präsidentin Hildegard Müller und Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des BDEW, anlässlich der Veröffentlichung des Berichts der europäischen Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO­E) zum Bidding Zone Review:

„Der Bidding Zone­Review zeigt klar, dass die Idee einer Aufteilung der deutschen Strompreiszone ökonomisch nicht überzeugen kann und kurzfristig nur sehr geringe Einsparungen zu erwarten wären. Demgegenüber würde eine Aufteilung des deutschen Strommarktes in mehrere Preiszonen zu massiven Unsicherheiten für die Industrie führen und zudem das Investitionsklima für Erneuerbare Energien erheblich eintrüben – ohne dass den erheblichen Risiken und signifikanten Kosten nennenswerte ökonomische Vorteile gegenüberstünden.

Damit ist klar: Eine Aufteilung des deutschen Strommarkts ist weder sinnvoll noch verhältnismäßig. Automobilindustrie und Energiewirtschaft erwarten, dass sich die Bundesregierung weiterhin nachdrücklich für den Erhalt der einheitlichen Stromgebotszone einsetzt. Der Industriestandort Deutschland braucht Verlässlichkeit, Planungssicherheit und bezahlbare Energie – keine neuen Unsicherheiten.

Eine Aufteilung des deutschen Strommarktes würde insbesondere die industriestarken Regionen in Hochpreiszonen für Elektrizität wandeln. Die im internationalen Vergleich ohnehin bereits sehr hohen Stromkosten würden weiter in die Höhe getrieben, die dort ansässigen Unternehmen erheblich benachteiligt und in ihrer Wettbewerbsfähigkeit massiv geschwächt – mit entsprechenden negativen Folgen für Wohlstand und Beschäftigung. Gleichzeitig würde der durch eine Teilung niedrigere Strompreis in Norddeutschland die Erlöse für Erneuerbare Energien reduzieren und damit die Anreize für Investitionen in Erneuerbare Energien. Der weitere Ausbau Erneuerbarer Energien würde sich stärker auf staatliche Förderung verlassen müssen. Eine höhere Belastung des EEG­Kontos beziehungsweise des Bundeshaushaltes wäre die Folge.

Die Umsetzung einer Gebotszonenteilung wäre hochkomplex und würde sich über Jahre hinziehen. Diese lange Übergangsphase würde zu enormer Planungsunsicherheit sowohl bei Anlagenbetreibern erneuerbarer Energieerzeuger als auch Industrieunternehmen führen. Die Folge: Investitionsentscheidungen könnten verschoben oder sogar ganz überdacht werden – ein Risiko, das sich Deutschland in der Transformation zur Klimaneutralität nicht leisten kann.

Weiter Informationen

  • Bericht der Übertragungsnetzbetreiber (Biding-Zone-Review 2025)
  • Positionspapier der deutschen Übertragungsnetzbetreiber
  • VKU-Stellungnahme zum Koalitionsvertrag