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29.09.2025 14:56 Alter: 17 days

Bau-Turbo oder Leerlauf? Kommunen haben den Zündschlüssel

„Deutschland darf sich keinen weiteren Stillstand leisten. Wir müssen jetzt Tempo machen – für mehr bezahlbaren Wohnraum, für stabile Städte und für eine starke Zukunft unseres Landes.“


Axel Gedaschko, Präsident, Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW - Foto: GdW

In Deutschland dauert die Planung und Genehmigung von Bauprojekten zu lange. Mit einem „Bau-Turbo“ will die Bundesregierung nun den Weg frei machen für mehr Tempo im Wohnungsbau und für mehr bezahlbaren Wohnraum. Der von der Bundesregierung angekündigte Bau-Turbo darf kein Etikett bleiben und Kommunen haben den Zündschlüssel, unterstreicht Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW im Gastbeitrag für THEMEN!magazin.

Wohnungsbau braucht echte Geschwindigkeit

Deutschland steckt mitten in einer Wohnungsbaukrise, die längst zur sozialen und wirtschaftlichen Schicksalsfrage geworden ist. Zwar zeigen die Zahlen des Statistischen Bundesamts für Juli 2025 mit bundesweit 22.100 genehmigten Wohnungen einen auf den ersten Blick deutlichen Zuwachs von 30 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Auch im Zeitraum Januar bis Juli 2025 liegt die Zahl der Genehmigungen mit 131.800 Wohnungen um immerhin 6,6 Prozent über dem Vorjahreswert. Doch trotz dieser leichten Erholung kommt dieser Anstieg von einem historisch niedrigen Niveau und bleibt deshalb insgesamt niedrig – ein nachhaltiger Aufschwung im Wohnungsbau ist nicht erkennbar. Vor allem beim Geschosswohnungsbau, dem Herzstück einer sozialen Wohnungsversorgung, reicht das Plus von 5,6 Prozent bei weitem nicht aus, um den großen Wohnungsmangel in den Städten wirksam zu lindern.

Das bedeutet: Für die Millionen Menschen, die auf eine bezahlbare Mietwohnung angewiesen sind, gibt es weiterhin keinerlei Entlastung. Die Wohnungsmärkte bleiben angespannt, die Lage verschärft sich sogar. Dieser Stillstand gefährdet nicht nur den sozialen Frieden, sondern auch den wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes. Ohne ausreichend Wohnungen verliert Deutschland an Attraktivität für Fachkräfte, und Unternehmen werden Schwierigkeiten haben, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ballungsräumen zu halten oder neue Talente zu gewinnen.

Der Bau­Turbo darf kein Etikett bleiben

Mit dem Bau-Turbo verfolgt die Bundesregierung das Ziel, Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und Kommunen schneller in die Lage zu versetzen, Bauland bereitzustellen. Das ist ein wichtiger Schritt. Doch eines muss klar sein: Der Bau-Turbo suggeriert, dass der gesamte Bauprozess schneller und einfacher wird – das stimmt so nicht. Tatsächlich geht es vorerst nur darum, etwas schneller mehr Baugrund bereitzustellen. Die Kommunen haben dabei den Zündschlüssel in der Hand. Entscheidend ist, dass sie das neue Gesetz vor Ort anwenden und Verfahren konsequent nutzen. Nur so wird aus dem politischen Signal ein praktischer Fortschritt.

Wohnen als überragendes öffentliches Interesse

Ein zentrales Anliegen der sozial orientierten Wohnungswirtschaft ist es, die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum im Baurecht als „überragendes öffentliches Interesse“ festzuschreiben – analog zu den erneuerbaren Energien. Dieses klare rechtliche Signal würde Planungs- und Genehmigungsverfahren erheblich beschleunigen und den Vorrang des Wohnungsbaus in Mangellagen gesetzlich absichern.
Wenn der Ausbau von Windrädern oder Stromtrassen im überragenden öffentlichen Interesse steht, dann muss dies erst recht für bezahlbaren Wohnraum gelten. Wohnen ist ein Grundbedürfnis – und die Grundlage für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Deutschland braucht eine „Fast Lane“ für den Wohnungsbau.

Gebäudetyp E und flexible Standards

Kostensenkung bleibt ein weiterer Schlüssel. Der Gebäudetyp E, der flexible Bau- und Ausstattungsstandards erlaubt, ist dafür ein entscheidendes Instrument. Doch bisher fehlt seine bundesrechtliche Absicherung. Nur wenn diese jetzt zügig kommt, lassen sich Baukosten deutlich senken und Projekte wirtschaftlich darstellen.
Ein Beispiel: Durch reduzierte Anforderungen bei Stellplatzverordnungen oder geringere Ausstattungszwänge können gerade für Studierende, Auszubildende oder Senioren kostengünstige, funktionale Wohnungen geschaffen werden. Ohne eine solche Flexibilität laufen wir Gefahr, am Bedarf vorbeizubauen und gleichzeitig die Kosten weiter in die Höhe zu treiben.

TA Lärm und die Blockade durch Detailvorgaben

Ein weiteres Hindernis liegt in der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm). Hier verhindern überzogene Vorgaben vielfach die Ausweisung neuer Baugebiete – insbesondere in der Nähe von Gewerbe- oder Industrieflächen. Kommunen brauchen mehr Flexibilität, um vorhandene Flächen tatsächlich nutzen zu können. Andernfalls blockieren wir uns durch übertriebene Detailvorgaben selbst. Dabei zeigt die Praxis in vielen Städten: Wenn Wohnungsbau an bestehende Infrastrukturen anschließen soll, lassen sich Lärmbelastungen oft durch moderne bauliche Maßnahmen und intelligente Planung abfedern. Statt schematischer Grenzwerte braucht es eine Abwägung mit Augenmaß.

Dass diese Änderungen dringend notwendig sind, zeigen die aktuellen Genehmigungszahlen: Während Einfamilienhäuser zulegen, stagniert der Bau von Mehrfamilienhäusern. Gerade sie sind aber der Motor für bezahlbares Wohnen in den Städten. Jeder weitere Monat Stillstand verschärft die Krise und setzt die Zukunftsfähigkeit Deutschlands als Wohn- und Wirtschaftsstandort aufs Spiel.

Aktivieren, beschleunigen, entlasten

Die Bautätigkeit in Deutschland nimmt seit geraumer Zeit deutlich ab – ein echter Wendepunkt muss her. - Grafik: GdW

Um den Wohnungsbau tatsächlich in Schwung zu bringen, brauchen wir ein Gesamtpaket:

  • Verfahren beschleunigen: Mit einer befristeten Neuauflage der EH-55-Förderung, wie für 2025 nun beschlossen, könnten kurzfristig Wohnungen aus dem sogenannten Bauüberhang bereits genehmigter, aber noch nicht erstellter Einheiten realisiert werden. Allerdings sind die hierfür vorgesehenen Mittel von gerade einmal 59 Mio. Euro für 2025 nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein. Um bis zu 120.000 Wohnungen aus dem Bauüberhang realisieren zu können, müssen angesichts des immer massiveren Wohnungsmangels deutlich mehr Mittel bereitgestellt werden.
  • Bereits genehmigte Vorhaben aktivieren: Mit einer befristeten Neuauflage der EH-55-Förderung, wie der Haushaltsausschuss des Bundestages nun beschlossen hat, könnten kurzfristig bis zu 120.000 Wohnungen realisiert werden – bei überschaubarem Mitteleinsatz.
  • Baukosten senken: Standards, Abgaben und Steuern müssen auf den Prüfstand. Ohne spürbare Entlastungen bleibt der Neubau wirtschaftlich kaum darstellbar.
  • Planungssicherheit schaffen: Wohnungsunternehmen brauchen Verlässlichkeit, wenn es um politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen geht.
  • Ausreichend Bauland ausweisen: Ohne Flächen kein Neubau – hier sind die Kommunen in der Pflicht.

Deutschland braucht Neubau­Klima

Am Ende geht es um mehr als ein einzelnes Gesetz. Deutschland braucht ein echtes Neubau-Klima – getragen von einem klaren politischen Bekenntnis, einem entschlossenen Abbau von Bürokratie und einer verlässlichen Förderung, die sowohl den sozialen Wohnungsbau als auch das mittlere Preissegment umfasst.
Nur wenn alle Register gezogen werden – von flexiblen Bauvorschriften über gezielte Förderprogramme bis hin zu steuerlichen Anreizen – kann die Bauwirtschaft die dringend benötigte Geschwindigkeit aufnehmen. Es geht darum, endlich ein Signal an Investoren, Kommunen und Bauwirtschaft zu senden: Wohnungsbau hat höchste Priorität.
Der Bau-Turbo ist dafür ein Startsignal. Doch ob er in der Praxis wirklich zündet, hängt davon ab, ob Politik und Verwaltung den Mut aufbringen, jetzt konsequent umzusetzen, was auf dem Papier steht. Ein starker Staat beweist sich nicht in immer neuen Regulierungen, sondern in der Fähigkeit, Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen.

www.gdw.de