Nachricht

< IT-Lösungen für Mieterstromprojekte
28.04.2016 10:30 Alter: 8 yrs
Kategorie: Nachhaltigkeit

Aufbruch der Stadtwerke: Ihr Kapital ist die Nähe zum Kunden

Nie zuvor kam es zu einer derart umfassenden Machtverschiebung innerhalb von Gesellschaft und Wirtschaft wie durch die technologischen Entwicklungen der vergangenen fünf bis zehn Jahre. Nie hatte der Einzelne mehr Gestaltungsmacht. Wie nahezu jedes Unternehmen und jede Branche müssen auch Stadtwerke mit dieser veränderten Situation umgehen lernen. Norbert Reichert, Geschäftsführer der Kreutz & Partner GmbH, meint, dass ihnen dies auch gelingen wird. Sofern sie sich konsequent mit allen Treibern der neuen Energiewelt auseinandersetzen – und dazu zählen ihre Kunden.


Foto: Kreutz & Partner GmbH

Das Stadtwerk der Zukunft ist agil, innovativ und vor allem: dem Kunden zugewandt. Die Zeiten, als diese Aussage belächelt wurde, sind vorbei. Heute spürt man Aufbruchsstimmung unter den Stadtwerken. Und immer mehr trauen sich, neue Wege auszuprobieren und die neue Energiewelt aktiv mitzugestalten. Mit dem Gesetzentwurf zur Digitalisierung der Energiewende ist der Startschuss für die zweite Phase der Energiewende gefallen. Stadtwerke haben ihn gehört und antworten mit unterschiedlichen, teilweise bemerkenswerten Ideen für die Umsetzung. Von den rund 800 kommunalen EVUs in Deutschland haben sich bereits seit Beginn der Marktliberalisierung zahlreiche Zusammenschlüsse gebildet. Mittlerweile gibt es rund drei Dutzend Kooperationsgesellschaften in einer Größenordnung von zwei bis über 70 Gesellschaftern. Diese setzen Schritt für Schritt um, was im „top down”-Stil von Klimagipfeln, EU-Richtlinien oder nationaler Gesetzgebung zum Pflichtprogramm erhoben wird.

Gut in der Pflicht, stark in der Kür?

In der Pflicht waren die Stadtwerke schon immer gut. Sich jetzt auf die Kür zu konzentrieren, würde neue Stärke zeigen. Zusammenschlüsse wie etwa Thüga, Trianel, SüdWestStrom, smartOPTIMO, fünfwerke oder 8KU beweisen auf ihre Art, dass Stadtwerke- Chefs und -Mitarbeiter die vier großen D‘s der Energiewirtschaft buchstabieren lernen:

» Demokratisierung,
» Dekarbonisierung,
» demografischer Wandel
und
» Digitalisierung.

    „Energieversorger können nicht länger lediglich für die Infrastruktur sorgen, sie müssen zu einem massenmarktfähigen Dienstleister werden“, fasst Dr. Michael Maxelon, bis Ende 2015 Geschäftsführer der Stadtwerke Stuttgart GmbH, die Herausforderung für Stadtwerke zusammen. In Stuttgart nehmen die Stadtwerke bereits eine neue, gestaltende Rolle in der Umsetzung der Urbanen Energiewende ein. Stadt und Stadtwerke wollen in Stuttgart dabei den großen Vorteil der kommunalen Versorger nutzen: die technologische, soziale und vertriebliche Nähe zu ihren Kunden. Eine der entscheidenden Aufgaben ist es jetzt, dieses Kapital nicht zu verspielen, sondern in den neu zu formierenden Wertschöpfungsnetzwerken zu investieren und wachsen zu lassen.

    Die Dinge konsequent anders sehen

    Das gelingt nicht ohne einneues Kundenbild und neue, kundenzentrierte Geschäftsmodelle. Was sich so leicht sagen lässt, ist keineswegs leicht umgesetzt. Denn der Perspektivwechsel der Stadtwerke auf ihre Kunden muss ernsthaft und konsequent sein, um sich zu lohnen. Stadtwerke müssen aufstehen, sich auf die andere Seite des Tisches und in die Position ihrer Kunden begeben.

    »Das Ziel muss sein, zu verstehen, warum Kunden so handeln wie sie handeln.«

    Das „Warum“ ist dabei sehr viel wichtiger als das „Was“. Denn nur das „Warum“ berichtet über die Motive, Wünsche, Werte und Bedürfnisse des Menschen. Was er daraufhin tut, hängt heute vor allem auch von den technischen Möglichkeiten ab – und die verändern sich unentwegt.

    Die Bedeutung gemeinsamer Werte

    Wie erkennt man aber nun das „Warum“? Simon Sinek, der Begründer der Goldenen- Kreis-Methode, fragte sich: Warum ist gerade Apple – eine Computerfirma wie viele andere auch – so erfolgreich? Oder andere Firmen in ihrer jeweiligen Branche, die nicht unbedingt das meiste Geld oder die besten Leute mitbringen? Seine Antwort:


    »Die erfolgreichsten Unternehmen sind die, die in ihrer Kommunikation auf ein gemeinsames Werte-Set mit ihren Kunden setzen.«1

    Das ist nur zum Teil eine Image- Maßnahme. Vielmehr ist es ein Bewusstsein darüber, warum Kunden sich dazu entscheiden könnten, das Angebot des Unternehmens annehmen zu wollen.

    Für was sich Menschen am Ende entscheiden und was ihnen wichtig ist, ist individuell unterschiedlich. Und doch lassen sich Werte und Motive bündeln und über Segmente abbilden. In Städten wie Leipzig wird der Nachhaltigkeitsgedanke sehr viel selbstverständlicher und gesellschaftskonformer gelebt als in anderen. Teilen wird hier wichtiger als Besitzen. Zuspruch erhält der, der das Teilen ermöglicht. Selbstbestimmung ist für die Stuttgarter Bürger ein besonders hohes Gut. Die Stadtwerke helfen, selbst Energie mit einem Solar-Panel auf dem eigenen Dach zu produzieren – und werden so zu einem geschätzten Partner. Ist die Industrie ein wichtiger sozioökonomischer Faktor, mögen Energieeffizienzangebote für gewerbliche Kunden den Ausschlag geben. So hat jede Region, jeder Ort und jedes Kundensegment seinen eigenen inneren Antrieb.

     

    Es geht nicht um Tablets und W-Lan

    Menschen mit Energie zu versorgen, ist heute kein Monopol der Stadtwerke mehr. Gleichzeitig ist es nicht zwingend nötig, als Energieversorger zum Kommunikationsoder Technikanbieter zu werden. Auch wenn die Technologie wertvolle Werkzeuge bietet: Energiekunden geht es nicht um das W-Lan oder das Tablet. Für sie zählt, was sie zusammen mit der Technologie erhalten: etwa Freiheit, Selbstbestimmung, Gestaltungsmacht, gemeinschaftliches Teilen und Teilhabe.

    Doch um ein solch neues Verständnis vom Kunden und das passende Angebot entwickeln zu können, werden neue Kompetenzen, Strukturen und Prozesse nötig. Allen voran die Fähigkeit, mit Daten umzugehen. Stadtwerke erkennen nach und nach das agile Datenmanagement als Schrittmacher der Energiewende. Gleiches gilt für die Hindernisse, die es dabei zu überwinden gilt: von Fachkräften im Datenmanagement bis zur Vereinheitlichung von Standards. So beklagte Rolf Adam von Cisco Systems, dass EVUs bei der Schaffung einer Smart-Grid-Netzarchitektur eine Vielzahl von Sonderwegen gehen. Die Folge: Bislang gäbe es kaum Schnittmengen zwischen klassischen IT-Anwendungen und den „weit über 350 existierenden Steuerungs- und Regelungstechnologien in der Energiewirtschaft“. 2

    Eine weiter nötige Fähigkeit ist der Umgang mit Disruption und Stärkung der eigenen Innovationskraft. SüdWestStrom begegnet ihr mit einer intensiveren Zusammenarbeit mit der Wissenschaft und dem proaktiven Ausprobieren neuer Modelle in Pilotprojekten. Joint Ventures wie beegy machen es wieder anders: Sie bündeln branchenübergreifend Kompetenzen, um neue Komplettlösung anzubieten.

     

    Fazit: Was und Wie ergeben sich aus dem Warum

    Kann Stadtwerken die Anpassung an die vielen neuen Herausforderungen gelingen? Ja, denn das „Was“ und das „Wie“ ergibt sich für Stadtwerke, die ihren Blick in der neue Energiewelt konsequent neu ausrichten und ihre Kunden neu fokussieren, ganz automatisch. Sobald sie das „Warum“ für sich erkannt haben.

    Opens external link in new windowwww.kreutz-partner.de

     

    1 Simon Sinek (2009): How great leader inspire action. Opens external link in new windowwww.ted.com

    2 Servatius u. a. (2012): Smart Energy – Wandel zu einem nachhaltigen Energiesystem. Springer Verlag.