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Albtraum „NEST“– Weckruf an die Bundesnetzagentur
„Allein im Netzgebiet der N-ERGIE beträgt die installierte Leistung Erneuerbarer Energien bereits über 4.000 Megawatt.“
Nichts geht ohne Regulierung. Zu Beginn des Jahres 2025 informierte die Bundesnetzagentur (BNetzA) über die Zwischenstände des sogenannten NEST-Prozess zur Neusetzung des Regulierungsrahmens im Nachgang zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Bremst NEST den Ausbau der Verteilnetze? Ein Gastbeitrag von Maik Render, Sprecher des Vorstandes der N-ERGIE Aktiengesellschaft
Die sichere und effiziente Transformation der Netze ist notwendig und grundsätzlich mit unserer Erfahrung und Expertise auch machbar. Denn wir sind uns alle einig: Netze sind das Rückgrat unserer Energieversorgung und unserer Wirtschaft. Sie sind extrem leistungsfähig, wir betreiben sie seit vielen Jahrzehnten extrem stabil und glänzen mit hervorragender Versorgungssicherheit, sprich geringen Ausfallzeiten – ein wichtiger Standortvorteil.
Der Anteil Erneuerbarer Energien nimmt seit Jahren stark zu, wir verzeichnen einen rekordmäßigen Zubau von PhotovoltaikAnlagen und nun auch bei Windkraftanlagen. Die neu geplanten Erzeugungsanlagen benötigen Netzanschlüsse, die wir bauen. Dafür stellen wir jedes Jahr neue Rekordsummen an Investitionsmitteln bereit. Unsere Mitarbeitenden geben alles, damit wir noch schneller die Stromnetze ausbauen.
Es ist und bleibt unser gemeinsames Ziel: Wir werden die Stromnetze fit für die Zukunft machen! Das bedeutet zum einen, sie klug und zügig auszubauen. Zum anderen müssen wir die vorhandene Infrastruktur bestmöglich nutzen, und gleichzeitig die Kosten – damit letztlich auch die Bezahlbarkeit für die Menschen – im Blick behalten.
Allein in unserem Netzgebiet wollen wir bis 2030 rund 1,3 Milliarden Euro in den massiven Ausbau des Stromverteilnetzes investieren – beispielsweise für neue Umspannwerke, die Verstärkung von Leitungen und weitere Maßnahmen des Netzausbauplans.
NEST bremst den Ausbau der Verteilnetze
Nun droht allerdings Gefahr durch „NEST“ („Netze. Effizient. Sicher. Transformiert.“). Mit diesem Vorhaben will die Bundesnetzagentur den Regulierungsrahmen für Netzbetreiber ändern. Die geplanten Maßnahmen bedeuten eine deutliche Verschärfung der Regulierung für Strom und Gasnetze. Die Konsequenzen wären für alle Verteilnetzbetreiber in Deutschland ein Albtraum. Denn wir könnten schlichtweg den Ausbau der Verteilnetze nicht mehr so zügig wie notwendig und im erforderlichen Umfang finanzieren.
Gefahr für Energiewende und Wirtschaft
Ich übertreibe nicht, wenn ich sage: NEST droht die Energiewende auszubremsen, was wiederum drastische Folgen für unseren Wirtschaftsstandort haben wird.
Zur Erläuterung und Einordnung: Für die Investitionen in die Verteilnetze ist besonders die Eigenkapitalverzinsung relevant. Um zu investieren und die dafür benötigten Mittel fremd finanzieren zu können ist immer auch der Einsatz von eigenem Kapital erforderlich. In Deutschland liegt aber die Eigenkapitalverzinsung im europäischen Vergleich am untersten Ende – obwohl wir im Ausbau der Verteilnetze die größten Investitionslasten zu stemmen haben. Statt die Verzinsung auf ein wettbewerbsfähiges Niveau zu heben, würden die Pläne genau das Gegenteil bewirken: Der regulatorische Rahmen für die Netzbetreiber und damit die Stärke des Eigenkapitals würde sich weiter signifikant verschlechtern.
Berechnungen zeigen, dass den Verteilnetzbetreibern ein Rückgang des Netzergebnisses von durchschnittlich einem Drittel und bei einzelnen Netzbetreibern sogar von bis zu 60 Prozent droht, wenn der jüngste BNetzA-Festlegungsentwurf umgesetzt wird.
NEST verfehlt sein Ziel
Vordergründig geht es der BNetzA darum, durch NEST die Energiepreise für die Menschen und Unternehmen zu senken. Volkswirtschaftlich würde es aber genau in die andere Richtung gehen: Wenn die Finanzierung fehlt, würde der Ausbau der Stromverteilnetze verringert bzw. zeitlich deutlich verzögert werden. Auch der weitere Ausbau der Erneuerbaren Energien und folglich der gesamte Transformationspfad hin zur CO2-Neutralität wären so nicht mehr umsetzbar.
Vermeintliche Einsparungen führen zu höheren Kosten und weitreichenden Folgen
Aber das ist noch nicht alles: Denn durch NEST sind nicht nur die Stadtwerke, sondern nachgelagert auch die Städte und Gemeinden negativ betroffen. Die Kommunen wären damit konfrontiert, ihre Stadtwerke mit zusätzlichem Kapital in erheblichem Umfang auszustatten, um die Finanzierung des Netzgeschäftes aufrecht zu erhalten.
Hinzu kommt, dass sich NEST massiv auf die Arbeit bei den Stadtwerken und Regionalversorgern auswirken würde. Arbeitsplätze wären in Gefahr, die Lebensqualität könnte sinken und der Wirtschaftsstandort würde erheblich geschwächt werden.
Appell gegen NEST – für eine zukunftsfähige Energieversorgung
Mein Appell:
- Wir brauchen ein stabiles und leistungsstarkes Stromverteilnetz, um die Energiewende weiter voranzutreiben.
- Die Menschen und Unternehmen – und damit der Wirtschaftsstandort – brauchen eine zuverlässige und möglichst günstige Stromversorgung. Dies darf durch NEST nicht gefährdet werden!
- Die Rahmenbedingungen für die Transformation des Stromnetzes müssen jetzt so gesetzt werden, dass die enormen Investitionen in die Stromverteilnetze auch geleistet werden können, ihr Betrieb jederzeit sicher bleibt und betriebswirtschaftlich hinreichend ist.
Im Energiewirtschaftsgesetz (§ 21 Absatz 2) sollte eindeutig verankert werden, dass sich die BNetzA bei der Bestimmung der risikoangepassten Verzinsung auch an den Bedingungen der internationalen Kapitalmärkte orientieren muss.
Zusammen mit weiteren Stadtwerken und Regionalversorgern haben wir diese Gefahr und Argumente bereits eindringlich an die BNetzA und die Politik adressiert. Auch die Gewerkschaft ver.di hat die Beschäftigten der Branche zum bundesweiten Protesttag Anfang Mai nach Bonn aufgerufen. 10.000 Mitarbeitende aus dem Netzbetrieb haben sich versammelt und lautstark gegen die weitere Umsetzung von NEST demonstriert. Und wir werden den Weckruf weiterverfolgen, damit dieser Albtraum aufhört und wir die Netze effizient und sicher transformieren können. Wacht bitte endlich auf!



