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14.03.2018 12:07 Alter: 6 yrs

Systemisch forschen für die globalen Energiewenden

Energieforschung ist strategische Energiepolitik. Denn die ambitionierten Ziele des Pariser Abkommens können nur mit innovativen technologischen Lösungen kostengünstig und beim gleichzeitigen Erhalt der industriellen Wertschöpfung erreicht werden. Deshalb wird das Thema Energieforschung vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) aktiv verfolgt.


Aktuell wird von der Bundesregierung das 7. Energieforschungsprogramm (EFP) vorbereitet. Vor diesem Hintergrund definiert Dr. Carsten Rolle, Leiter der Abteilung Energie- und Klimapolitik beim BDI, in seinem Gastbeitrag zentrale Handlungsfelder für die Energieforschungspolitik der kommenden Jahre.

Foto: Roland Horn

Die vom BDI in Auftrag gegebene Studie „Klimapfade für Deutschland“ kommt zu dem Schluss, dass erfolgreiche Klimaschutzanstrengungen grundsätzlich mit einer umfangreichen Erneuerung aller Sektoren der deutschen Volkswirtschaft verbunden wären und deutschen Exporteuren weitere Chancen in wachsenden „Klimaschutzmärkten“ eröffnen könnte. Gesamtwirtschaftlich kann eine Reduktion der CO2- Emissionen um 80 % demnach gelingen ohne Einbußen beim Wirtschaftswachstum hinnehmen zu müssen.

Diese scheinbar positive Erkenntnis ist jedoch an eine Reihe von Voraussetzungen geknüpft. Bedingung hierfür ist eine politisch optimale Umsetzung, aber auch international vergleichbare Anstrengungen beim Klimaschutz bzw. umfassender Schutz der Industrie vor Wettbewerbsverzerrungen, falls die Schaffung eines solchen Level Playing Fields nicht gelingt. Vor allem aber sind umfassende zusätzliche Investitionen erforderlich, die sich für die Investoren betriebswirtschaftlich nicht aus sich heraus rechnen. So würden die Mehrinvestitionen in einem 80 % Reduktionsszenario rund 1.500 Mrd. Euro betragen, gegenüber einem Szenario ohne verstärkten Klimaschutz, das immerhin 61 % CO2 Reduktion erreichen würde. Diese Mehrinvestitionen müssen durch Förderinstrumente und Anreize politisch flankiert werden.

Die Energieforschung spielt hierbei eine zentrale Rolle, da innovative technologische Entwicklungen („Game Changer“) die Erreichung der Klimaziele in den nächsten Jahrzehnten potenziell erleichtern und günstiger gestalten könnten. Darum sind jetzt richtige Weichen für das nächste Energieforschungsprogramm der Bundesregierung zu stellen. Zwei Handlungsfelder sind hier hervorzuheben.

Internationale Forschungsprioritäten stärker berücksichtigen

Die Diskussion um Energieforschung in Deutschland dreht sich sehr stark um die nationalen Ziele und der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD betont die Ausrichtung der Energieforschung auf die nationale Energiewende. Unser Energiesystem befindet sich allerdings nicht in Isolation – globale Entwicklungen bilden den zentralen Rahmen für die deutsche Energieforschung. Wer Energieforschung nur als ein Instrument zur Erreichung nationaler Klimaziele betrachtet, riskiert nicht nur wesentliche Exportchancen auf den internationalen Märkten zu verpassen, sondern auch entscheidende technologische Trends nicht frühzeitig zu erkennen.

Japan setzt zum Beispiel auf Wasserstoff als Energieträger und arbeitet an internationalen Kooperationen zur Etablierung globaler Wasserstofflieferketten mit Ländern wie Brunei und Australien. Die Erzeugung des „schwarzen“ Wasserstoffs aus fossilen Energieträgern soll in diesen Ländern durch Carbon Capture and Storage (CCS) ergänzt werden. Wachsendes Marktpotenzial der CCS-Technologien auf dem asiatischen Markt bietet auch Chancen für deutsche Unternehmen. Das Beispiel Japans verdeutlicht, Energieforschung muss bereits bei der Ausgestaltung der Förderprojekte international gedacht werden. In Deutschland ist das insbesondere beim Thema synthetische Kraftstoffe der Fall: Für die Erreichung des 95 % CO2-Reduktionsziels werden umfangreiche Importe synthetischer Kraftstoffe aus Ländern mit günstigeren Bedingungen für erneuerbare Energien nötig.

Während der Wettbewerb bei der Entwicklung von Technologien für CCS und synthetische Kraftstoffe noch nicht entschieden ist, steht die aktuelle Marktführerschaft der südkoreanischen Batteriehersteller als ein Beispiel für eine verpasste technologische Entwicklung. Niemand kann heute mit Sicherheit sagen, ob das Gap zwischen Deutschland und Korea bzw. Europa und Asien in der Zellfertigung kosteneffizient nachgeholt werden kann. Dabei stellt die Batterie bis zu 40 Prozent der Wertschöpfung eines Elektroautos dar. Über Konzepte der zukünftigen Kooperation und Zusammenarbeit mit den asiatischen Herstellern muss ernsthaft nachgedacht werden.

Festzuhalten ist auch, Deutschland bleibt mit seinen Ausgaben für die Energieforschung hinter vielen seiner Hauptwettbewerber zurück. So beträgt der Anteil der Energieforschungsausgaben am BIP in Deutschland nur 0,026 Prozent im Vergleich zu 0,03 Prozent in den USA und 0,1 Prozent in China.

Systemisch forschen, Experimentierräume für Wirtschaft und Wissenschaft schaffen

Ein weiterer wichtiger Punkt für den BDI ist die Struktur und die Organisation der Energieforschung. Bislang wurden die Forschungsund Entwicklungsmaßnahmen im marktnahen Bereich entlang der Innovationsstufen Marktvorbereitung und Markthochlauf als ohne bzw. mit geringem Forschungs- und Entwicklungscharakter von der Bundesregierung anerkannt. Dies hat zu einer, aus ordnungspolitischer Perspektive nachvollziehbaren, Förderungslücke in der abschließenden Phase des Innovationsprozesses geführt. Aus unserer Sicht entspricht diese Teilbetrachtung des Innovationsprozesses nicht den Anforderungen heutiger und zukünftiger Energiesysteme: Sie vernachlässigt entscheidende Schritte hin zur Marktreife einer neu- oder weiterentwickelten Technologie.

Der marktnahe Förderbereich wird jedoch für den Erfolg der Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen immer wichtiger. So ist der Reifegrad einzelner Technologien nicht mehr alleine entscheidend für den Übergang „vom Labor in den Markt“. Die Verwertung innovativer Gesamtkonzepte und das Erreichen ihrer Wirtschaftlichkeit im industriellen Maßstab werden hingegen zunehmend zu Fragen der Energieforschung. Zwei Trends, die diese Entwicklung verstärken sind Digitalisierung und Sektorenkopplung. Sie zwingen uns, die üblichen technologischen Systeme neu zu überdenken und an innovativen Prozessen und Weiterentwicklungen der bestehenden Technologien im Gesamtsystem zu arbeiten.

Das Ziel muss demzufolge sein, die aktuelle Förderlücke zu schließen und einen systemischen Ansatz der Energieforschung zu etablieren. Der BDI schlägt dafür die Einführung einer experimentellen Forschung und Entwicklung als einen neuen Förderbereich vor. Im Rahmen dessen sollten Experimentierräume für Wirtschaft und Wissenschaft entstehen, um die innovativen Konzepte unter realen Bedingungen ausprobieren zu können. Wir begrüßen es, dass diese BDI-Forderung mit dem Konzept der „Reallabore“ von der Bundesregierung aufgegriffen wurde. Im nächsten Schritt bedarf es einer konkreteren Ausgestaltung des Konzeptes im Dialog mit relevanten wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Akteuren. Wir stehen bereit, daran gemeinsam zu arbeiten.

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EntwicklungsDie Studie „Klimapfade für Deutschland“ schätzt den Weltmarkt für Klimaschutztechnologien in 2030 auf 1 bis 2 Billionen Euro. Das Verständnis, mit welchen Technologien der Klimaschutz zu meistern ist, unterscheidet sich allerdings stark von Land zu Land. Die Gründe dafür reichen von den geografischen Bedingungen und der Ressourcenverfügbarkeit bis hin zu Fragen der gesellschaftlichen Akzeptanz.