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09.05.2017 18:36 Alter: 7 yrs

Stadtwerkefinanzierung 4.0­ - Herausforderungen an das Treasury Management

Stadtwerke sind ein regionaler Stabilitätsanker. Die öffentliche Daseinsfürsorge wird in Deutschland durch eine Symbiose zwischen Kommune und Stadtwerk gewährleistet. Gesellschafts- und wirtschaftspolitische Herausforderungen verlangen deshalb von beiden als Partner ein neues strategisches Denken.


Zu den Herausforderungen an das Treasury Management im kommunalen Querverbund regt Dino Höll, Geschäftsführer der Dessauer Versorgungs-und Verkehrsgesellschaft mbH (DVV), angesichts mangelnder regulatorischer Stabilität eine Diskussion an.

Foto: Thomas Ruttke

Unsere europäischen Nachbarn betrachten respektvoll die teilweise bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts existierenden Strukturen öffentlicher Daseinsvorsorge in Deutschland.  Wesentliche Basis dafür sind die Stadtwerke und kommunalen Unternehmen. Doch die neue industrielle Revolution bringt auch kommunale Strukturen und Gesellschaften in eine erhöhte Stresssituation. Energiewende, Digitalisierung der Prozesse, peer-to-peer Transaktionen, destruktive Geschäftsmodelle aber auch erforderliche Ersatz- und Erneuerungsinvestitionen sowie demographische Veränderungsprozesse stellen Stadtwerke heute vor neue Herausforderungen und veränderten Finanzierungsbedarf. 

Noch besitzen viele Stadtwerke ein solides wirtschaftliches Fundament, um die Heraus­forderungen von Energiewende und Digitali­sierung zu bestehen und dafür ausreichend liquide Mittel zu akquirieren. Zwingende Vor­rausetzungen dafür sind aber neben unternehmensinternen Restrukturierungs­pro­zes­sen und einer Abkehr von nicht an die Heraus­forderungen angepassten Ausschüt­tungen die Stabilität und Glaubwürdigkeit regulatorischer Rahmenbedingungen. Auch sind ausgehend von einer soliden wirtschaftlichen Basis neben der Innovationsfähigkeit die Flexibilität der Produkte und Prozesse sowie der Belegschaft notwendige Bedingung, um anstehende Entwicklungen erfolgreich zu gestalten.

Der typische Querverbund

Die Stadtwerke Dessau befinden sich vollständig im Eigentum der Stadt Dessau-Roßlau und gewährleisten mit ihrer klassischen vier Spartenorganisation einen wesentlichen Teil der kommunalen Daseins­fürsorge. Strukturell bestehen die Stadtwerke Dessau aus 13 Einzelgesellschaften. Die Mut­ter­gesellschaft ist keine klassische Holding, sondern erbringt fast alle Servicefunktionen für die technischen Gesellschaften. Neben den klassischen Funktionen wie beispielsweise IT, Personal und Finanzbuchhaltung wird das gesamte Treasury Management über die Muttergesellschaft koordiniert und auch abgewickelt. 

Die vier Sparten sind die Energieversorgung, Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung, Telekommunikation und öffentlicher Nah­verkehr. In den vergangenen Jahren war es dem Stadtwerkekonzern möglich, im Quer­verbund ein positives Konzernergebnis - also auch nach Übernahme der Verluste des öffentlichen Nahverkehrs - zu erwirtschaften und so eine angemessene Gewinnabführung an die Stadt zu gewährleisten. Dieses Ziel ist auch für die kommenden Jahre gesetzt. Gleichzeitig sollen Verbindlichkeiten abgebaut werden, ohne Investitionen in (neue) Ge­schäfts­felder zu unterbinden.

 

Regionale Wertschöpfung durch Stadtwerke

Die Stadtwerke Dessau haben im Jahr 2016 eine Studie zur regionalen Wertschöpfung der Stadtwerke erstellt. Im Ergebnis ist festzustellen, dass von jedem vereinnahmten Euro 47 Cent in der Region verbleiben und damit zur Stärkung und Sicherung der regionalen Wirt­schaftskraft dienen. Diesen regionalen Mehr­wert zu erhalten, ist Teil der öffentlichen Zweck­setzung von Stadtwerken. 

Hier ist auch die Bundes- und Europapolitik gefragt. Jüngst wurde aber durch politische Entscheidungen hervorgerufene fehlende regulatorische Stabilität zu einem kaum prognostizierbaren Risikofaktor für Wirtschaft­lichkeit und Finanzierbarkeit. Es bleibt zu hoffen, dass im politischen Berlin und Brüssel die unverzichtbare Rolle der Stadtwerke für kommunale Stabilität und Daseinsfürsorge entsprechende Berücksichtigung finden wird. 

Wirtschaftliche Herausforderungen im Querverbund

Nachfolgend soll beispielhaft auf die wirtschaftlichen Herausforderungen der Sparten Energieversorgung sowie Trink- und Abwas­ser eingegangen werden. 

In der Sparte „Energieversorgung“ ist das klassische Geschäft wie Gas, Strom, Erzeugung und Fernwärme gebündelt. Als Infrastruktur­betreiber haben EVUs in den vergangenen Jahren eine weitgehend sichere und angemessene Verzinsung realisieren können. Dies scheint nun endgültig vorbei zu sein. Zum einen werden insbesondere die Stadtwerke in den neuen Bundesländern durch die ge­änderte Anreizregulierung überproportional belastet. Hier können wir nur durch umfassende Optimierungsprozesse gegensteuern. Finan­zierungsprobleme bestehen hier meist nicht, da nur wenige Großinvestitionen an­stehen. 

Ganz anders steht es um den Kraft­werksbe­reich, hier lassen sich wesentliche Risiken erkennen. Die Stadtwerke Dessau erzeugen mittels Gas- und Braunkohle im KWK-Prozess Fernwärme und Strom. Aktuell wird die Ersatzinvestition in eine neue Gasturbine geprüft. Diese ist erforderlich, da die vorhandene Gasturbine ihr technisches Laufzeitende erreicht hat und die Braunkohlekessel maximal noch fünf Jahre betrieben werden dürfen. Derzeit wird auch ein vorzeitiger Kohleaus­stieg aus technologischen, wirtschaftlichen und umweltpolitischen Gründen analysiert. Groß­investitionen, wie die in eine neue Gas­turbine, stellen das Treasury Management vor große Herausforderungen. Ohne jegliche Förderung sind entsprechende Anlagen kaum wirtschaftlich realisierbar.

Mit dem derzeitigen regulatorischen Rahmen wie KWK-Förderung und vermiedene Netz­entgelte kann die Schwelle der Wirtschaft­lichkeit erreicht werden. Für eine Banken­finanzierung muss stärker als in der Ver­gangenheit die Ertragskraft nachgewiesen werden. Da diese wesentlich durch den Zeit­raum des Fördermittelbezuges bestimmt wird, werden sich die Darlehenslaufzeiten daran orientieren. 

Anders als in vergangenen Jahren kann nur dringend angeraten werden, Abschreibungen auf Neuinvestitionen planmäßig am Liqui­­di­täts­rückfluss auszurichten, um unerwartete außerplanmäßige Wertminderungen zur „Unzeit“ zu vermeiden. Dies bedingt auch, dass eine nicht nachhaltige Quersubventio­nierung von (Wärme-)Preisen keinesfalls vorgenommen werden sollte.

Disruptive Geschäftsmodelle

Mindestens genauso wichtig wie die Infra­struktur und die Erzeugung ist der Vertrieb innerhalb der Sparte Energie­ver­sorgung. Hier soll nur auf einen Aspekt eingegangen werden. Eine erste Welle der Änderung der Ge­schäftsmodelle bewirkte die Liberalisierung des Energiemarktes, diese wurde durch die Stadtwerke gut gemeistert. Die nun aufkommenden Geschäftsmodelle sind eine viel größere Herausforderung. Schnelle Reaktion wie die Gründung und der Kauf- und Verkauf von Aktivitäten sowie das Subsi­diaritäts- und Regionalprinzip können bei längeren Geneh­migungsprozessen zu Wett­bewerbsnachteilen führen. Hier sollten Flexi­bili­sierungen im Kommunalrecht in Er­wä­gung gezogen werden. Auch beim Daten­schutz wird teilweise mit zweierlei Maß gemessen.

Herausforderung Fristeninkongruenz

In der Sparte „Trink- und Abwasser“ bestehen die Herausforderungen für das Treasury Management insbesondere in der Fristen­inkongruenz zwischen Abschreibungs- und Tilgungsdauer. Bei der rohrnetzgebundenen Infrastruktur können diese um 10 bis 20 Jahre divergieren. Dies bedingt bei den DVV einen Kapitalbedarf von rund 1 bis 2 Mio. EUR pro Jahr, der aus dem Konzernverbund bereitgestellt wird. Um die theoretische Umkehr dieses Effektes in der Praxis sicherzustellen, ist eine strukturierte Finanz- und Inves­ti­tionsplanung notwendig. Dies wird zusätz-lich erschwert, da die Großinvestitionen der 90er Jahre nach nun fast 30 Jahren teilweise größere Ersatz- und Neuinvestitionen er­fordern. Hier muss zwingend sichergestellt werden, dass keine neue Spirale der Fristen­­inkon­gru­enz beginnt. Wenn die klassischen Fremd­kapital­geber nicht zur langfristigen Finan­zierung bereit sind, sollte auch über mög­liche Bürger­finanzierungen wie bspw. Genuss­rechte, Anlei­hen oder Nachrang­darlehen nachgedacht werden. Damit kann das Stadtwerk die Uraufgabe der Bürgernähe und der regionalen Wert­schöp­fung weiter leben und ausprägen.

Cash Pooling für Liquidität und Effizienz

Die monetäre Steuerung des Stadtwerke­konzerns erfolgt über die Muttergesellschaft. Getreu dem Grundsatz, dass alles was automatisiert werden kann auch automatisiert wird, wurde im Jahr 2016 ein Cash Pooling eingeführt. Die Kontostände aller Tochter­gesellschaften werden taggleich vollautomatisch auf null gestellt und auf die Mutter­gesellschaft umgebucht. Dies ermöglicht eine optimale Bündelung sämtlicher Liquidität im Konzern. Die manuelle Überwachung der Liquiditätsstände der Einzelgesellschaften konnte entfallen und so Effizienzgewinne in der Bearbeitung und die Minimierung der Risiken zusätzlicher Kosten durch Trans­aktions­fehler realisiert werden. 

Die Einführung eines Cash Poolings stellt die Voraussetzung für die Etablierung eines Treasury Management Systems dar. Diesbe­züglich haben wir uns für die Softwarelösung der Commerzbank entschieden. Zur Unter­nehmenssteuerung ist insbesondere das taggenaue konsolidierte Reporting sowie die nach einmaliger Einrichtung weitgehend automatisierte Liquiditätsplanung entscheidend. 

Gerade bei Multispartenkonzernen fällt die Risikobetrachtung der Banken sehr unterschiedlich aus. Insbesondere bei der Über­nahme von ursächlich gemeinwirtschaftlichen Aktivitäten, wie z. B. der Abwasser­ent­sorgung, wird die höhere Verschuldung zu negativ berücksichtigt, ohne dass die Ent­geltfinanzierung und der Kostendeckungs­grund­satz entsprechend positiv gewichtet werden. Ein weiteres Beispiel stellt die Be­rücksichtigung von Investitionen im Rating dar. Teilweise werden hier die tatsächlich geplanten Investitionen auf die Höhe der Ab­schreibungen angepasst, was negative Aus­wirkungen haben kann.

Gerade in solchen Fällen ist eine umfassende Information der Kapitalgeber zwingend, um Nachteile für das Stadtwerk zu vermeiden. Ein wesentliches Element hierfür bildet ein Treasury Manage­ment System.