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< Optimierung der Energiebeschaffung durch aktuelle Energiedaten
10.08.2012 18:12 Alter: 12 yrs
Kategorie: Digitalisierung

Stadtwerke - Gewinner der Energiewende?

Energiewende, neue gesetzliche und regulatorische Rahmenbedingungen, Vorgaben von der EU – Stadtwerke stehen fast täglich vor neuen Herausforderungen. Um am Energiemarkt weiter erfolgreich zu sein, gilt es sich diesen Anforderungen zu stellen. Welche Handlungsoptionen Stadtwerke haben, erläutert Sven Becker, Sprecher der Geschäftsführung der Trianel GmbH. Eine kritische Bestandsaufnahme der aktuellen Situation ist seiner Ansicht nach für die Bewertung ebenso unerlässlich wie die Suche nach neuen Lösungsansätzen für die erfolgreiche Bewältigung der Energiewende. Sven Becker (re.) begleitet Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel bei Ihrem Besuch des Kohlekraftwerkes Lünen (NRW).


Foto: Trianel GmbH

Herr Becker, bringt die Energiewende die Stadtwerke in die Pole Position?
Nein, so einfach ist das nicht. Die Energiewende ist ein Feld mit vielen Facetten, evolutionären Entwicklungen und revolutionären Neuerungen. Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima und dem erneuten Ausstieg aus der Kernenergie, der die Energiekonzerne empfindlich traf, wird zwar allgemein gesagt, dass die kommunalen Versorger die Gewinner der Energiewende seien. Tatsächlich wird mit dem Atomausstieg die Energiewirtschaft ein Stück dezentraler. Da die Stadtwerke dezentral positioniert sind, liegt diese These nahe, kann jedoch auch zum Trugschluss werden. Denn die Energiewende kommt nicht von selbst zu den Stadtwerken. Es gilt sie vor Ort zu gestalten. 

Die Vorgaben der Politik sind dabei eine nur bedingt geeignete Blaupause. Zu vielfältig sind die Problemfelder. Die aktuelle Zielerreichung ist ernüchternd. Weder im Bereich Kraft-Wärme-Kopplung, noch bei Offshore-Wind oder auch Elektromobilität sind die politischen Ziele für das Jahr 2020 in Reichweite. Der Status der Energiewende im Sommer 2012 zeigt, dass es noch manchen ungelösten Konflikt zwischen politischem Willen, gesellschaftlichem Wollen und wirtschaftlichen Realitäten gibt. 

Halten wir noch einmal fest, der eingeschlagene Weg der Energiewende ist richtig und unumkehrbar. Aber es geht darum, die Energiewende mit Bedacht voranzubringen, damit keiner aus der Kurve fliegt. Wir müssen den Umbau von einem fossilen zu einem erneuerbaren Erzeugungsmix durch den synchronen Ausbau von Netz und Speicherfähigkeit begleiten. Dabei dürfen wir auch nicht vergessen, dass wir die Bürger mitnehmen müssen, um Akzeptanz zu schaffen – einerseits für zunehmende Landschaftseingriffe und andererseits für steigende Kosten. 

Derzeit stößt das System an seine Grenzen. Die Erneuerbaren brauchen als Träger der Energieversorgung der Zukunft zwar ein Backup durch flexible fossile Kraftwerke, durch die zunehmende Erzeugung aus erneuerbaren Quellen werden diese fossilen Kraftwerke aber immer unrentabler, weil sie kaum noch Einsatzzeiten finden. Somit fehlen im derzeitigen Strommarktdesign die Investitionsanreize. Wir sind also auf dem Weg, für das Gelingen der Energiewende bedarf es aber einer Strategie aus einem Guss. Insofern ist sehr begrüßenswert, dass die Bundeskanzlerin das Generationenprojekt „Energiewende“ jetzt zur Chefsache erklärt hat.

Sind bestehende Geschäftsmodelle noch ausreichend? 
Es gibt eine Reihe Stadtwerke, die mit großem Engagement und sehr erfolgreich ihre Produkte schnell an den Markt angepasst haben. Aber das ist nicht überall so. Überall allerdings nimmt der Wettbewerb und der Druck auf die Margen zu. Anhaltende Reduktion des Strom- und Gasverbrauchs verstärkt diesen Margendruck im traditionellen Kerngeschäft. Gleichzeitig erschweren Regulierungsanforderungen das Netzgeschäft der Stadtwerke. Während also das traditionelle Kerngeschäft unter Druck gerät, treten branchenfremde Marktteilnehmer in das Energiegeschäft ein. Die Konvergenz von Energie und Telekommunikation, die sich in der „Smart- Energy“-Familie manifestiert, bei Smart Grid, Smart Meter und Smart Home, aber auch bei Elektromobilität und Energieeffizienz sorgt für neue Marktteilnehmer aus Bereichen, die der traditionellen Energiewirtschaft eher fremd sind. Audi hat das „Projekt Balanced Mobility“ gestartet und will in Windkraftwerke investieren. VW plant, Pumpspeicherkraftwerke im Harz zu errichten, der Bereich Smart Home ist seit langem ein Thema bei Software-Konzernen. 

Und während im Bereich der zentralen Energieerzeugung in Deutschland immer noch ein Block großer Verbundunternehmen den Markt beherrschen, gibt es hunderttausende Prosumer, die als Produzenten von Solar- und Windstrom und zugleich als Verbraucher im Markt agieren. An Chancen für die erfolgreiche Bewältigung der und Partizipation an der Energiewende mangelt es dabei Stadtwerken nicht. Ein Blick auf die Wertschöpfungskette und das Innovationspotenzial zeigt Upstream den Spannungsbogen vom Ausbau erneuerbarer Energien über den BHKW-Ausbau und virtuelle Kraftwerke bis hin zur Investition in Pumpspeicherkraftwerke und flexible konventionelle Backup-Kapazitäten. Midstream beteiligen sich Stadtwerke aktiv an der Marktintegration Erneuerbarer Energien. 

Neue Geschäftsmodelloptionen werden vorrangig Downstream und dezentral entstehen. Hier sind es Themen wie Energieeffizienz auf ganzheitlicher kommunaler Ebene, dezentrale Erzeugung auf Verteilnetzebene in Contracting- Modellen, nachhaltige Mobilität (Erdgas und Elektromobilität) und Smart Metering & Business Enablement Services (z. B. MDM). 

Welches Selbstverständnis braucht das Stadtwerk der Zukunft?
Stadtwerke werden sich in ihrer Rolle vom Energieversorger zum Energiedienstleister weiterentwickeln müssen. Und gerade bei Energiedienstleistungen sind Stadtwerke gefordert, mit neuen Geschäftsmodellen ihre Wertschöpfung und Kundenbindung auszubauen. Dabei ist Energieeffizienz ein zentraler Stellhebel zur erfolgreichen Umsetzung der Energiewende, die Antwort auf Ressourcenknappheit und abnehmende Primärenergieverbräuche. Die Herausforderung ist es, die Umsätze von den verkauften Strom- und Gasmengen abzukoppeln. Produkte rund um Energie müssen so veredelt werden, dass die Margen auch in Zukunft auskömmlich sind. Das ist keine triviale Aufgabe, aber wir werden sie lösen müssen. 

Welche Rolle spielen Kooperationen? 
Kooperationen heben Synergien. Sie können helfen, entstehende Geschäftsfelder zeitnah zu identifizieren und wirtschaftlich zu besetzen. Ein gutes Beispiel ist die Elektromobilität. Auf absehbare Zeit wird hier kein Energieversorger Geld verdienen. Gleichzeitig kann sich kein Versorger erlauben, dieses Geschäftsfeld links liegen zu lassen, einerseits weil es eine Zukunftsoption ist und es gilt frühzeitig Know-how zu generieren, andererseits weil sich kein Stadtwerk in diesem Zukunftsfeld leisten kann, sich nicht zu positionieren. Durch Know-how- Aufbau im Netzwerk, gemeinsame Produktentwicklung und gebündelte Beschaffung kann man dieses Geschäftsfeld kostenoptimal erschließen. 

Auch im Bereich Smart Meter, der Einführung intelligenter Zähler sind Synergien unerlässlich. Ich wage die Behauptung, dass selbst ein Großstadt- Versorger allein kaum in der Lage ist, die Einführung ohne Verwerfungen zu stemmen. Im Netzwerk lassen sich die regulatorischen und technischen Rahmenbedingungen gemeinsam erarbeiten und die Smart Meter mit vergleichsweise geringem Aufwand bis zum Roll-Out bringen. So bin ich als Stadtwerk in der Pole Position, wenn der Startschuss fällt. Abstrakter ausgedrückt: Stadtwerke können über Netzwerke und Kooperationen im Umbruch befindliche Märkte gestalten, die Risiken beherrschen und an den sich ergebenden Chancen individuell partizipieren. Hierbei müssen neben den (kommunal-)rechtlichen Rahmenbedingungen auch die Marktentwicklung, Innovationen und der Eintritt in neue Geschäftsfelder einer steten Prüfung unterzogen werden. Erfolgreiche Stadtwerke der Zukunft werden mit einer diversifizierten Wertschöpfungskette agieren, und dabei ihren Markenkern, die eigenen Bürger zuverlässig mit Energie zu versorgen, nicht vernachlässigen. Die Energiewende ist eingeleitet – jetzt gilt es zu gestalten! 

Info unter: Opens external link in new windowwww.trianel.com