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< Führungswandel in der Energiewende
11.09.2017 15:12 Alter: 7 yrs

Der umgekehrte Merit-Order Effekt

Der rasante Ausbau von Erneuerbaren Energien (EE) in Deutschland führt zunehmend zu Netzengpässen und daraus resultierenden Anpassungen des Kraftwerkseinsatzes. Betroffen sind sowohl konventionelle Kraftwerke, meist per sogenanntem Redispatch, als auch Erneuerbare Energien im Rahmen des Einspeisemanagements. Die international tätigen Experten von EWC Weather Consult GmbH aus Karlsruhe haben jetzt ein neues EinsMan-Produkt mit Datenanalysen zum Einspeisemanagement auf den Markt gebracht.


Zur Bedeutung der Prognostizierung von Einspeisemanagement-Maßnahmen ein Beitrag von Alexander Lehmann, Diplom-Meteorologe und Geschäftsführer von EWC.

Foto: EWC

Der aktuellste Monitoring-Bericht der Bundesnetzagentur gibt für 2015 eine Menge von 4,7 TWh an nicht eingespeistem Erneuerbaren Strom an, abgeschaltet im Rahmen des Einspeisemanagements. Betroffen sind neben Windkraftanlagen vor allem Solar- und Biomassekraftwerke.

Diese Abschaltungen fallen nicht gleichmäßig an, sondern vielmehr ähnlich volatil wie die Einspeisung Erneuerbarer Energien. Analysen von EWC zeigen, dass in Deutschland während rund der Hälfte aller Stunden des Jahres Einspeisemanagementmaßnahmen durchgeführt werden. Der Umfang reicht dabei von wenigen MW bis zu mehreren GW. Den bisher höchsten Ausschlag in 2017 sieht EWC für den 22.02.2017 mit einem Wert von 4,5 GW (Abbildung 1). Während die Eingriffe von Netzbetreibern im Rahmen des Redispatches grundsätzlich marktneutral erfolgen (- der durchführende Netzbetreiber kontrahiert Leistungsänderung in beide Richtungen -), sind im Falle des Einspeisemanagements die Bilanzkreisverantwortlichen (derzeit meist Direktvermarkter) für die Beschaffung der Ersatzenergie verantwortlich. Da Einspeisemanagement-Maßnahmen schwer zu prognostizieren sind und Informationen über Einspeisemanagement- Maßnahmen nicht immer zwischen Bilanzkreisverantwortlichem und Netzbetreiber fließen, hat dies deutlichen Einfluss auf den Strom- und Regelenergiemarkt.

Day-Ahead und Intraday

Als Indikator für einen kurzfristigen Preiseffekt haben wir die Differenz zwischen Intraday- Preis (ID3) und Day-Ahead Preis gewählt. Die folgende Analyse weist daraufhin, dass Einspeisemanagement in Deutschland das Preisverhältnis zwischen diesen Produktklassen merklich beeinflusst. Abhängig vom Umfang der vorhergesagten, deutschlandweiten Einspeisemanagementmaßnahmen steigt der Intraday-Preis im Mittel gegenüber dem Ergebnis der Day-Ahead-Auktion (Abbildung 2). Unsere Modellierung bei EWC zeigt: Einspeisemanagementmaßnahmen werden von den meisten EE-Leistungsprognosen, basierend auf statistischen Verfahren, nur unzureichend abgebildet. Die Folge sind systematische Prognosefehler der meisten Portfolios und kurzfristiger Kaufbzw. Verkaufsdruck bei den Bilanzkreisverantwortlichen. Durch die Betrachtung einer Vielzahl von Events wird deutlich, dass Strom während Einspeisemanagement-Einsätzen im Intraday gegenüber dem Day Ahead Ergebnis an Wert gewinnt. Daraus lässt sich auf ein hohes Optimierungspotential bei der Portfoliobewirtschaftung schließen.

Regelenergie

Da ein Teil der durch die Abschaltung fehlenden Energie kurzfristig durch Bilanzkreisverantwortliche nachgekauft wird, kann davon ausgegangen werden, dass ein nicht unerheblicher Teil der abgeschalteten Energiemengen durch Kraftwerke als Regelenergie bereitgestellt werden muss. Darauf weisen zumindest Zeitreihen des Regelzonensaldos im Netzregelverbund hin. Diese geben an, ob die vier Regelzonen in Deutschland überoder unterdeckt sind, ob also positive oder negative Leistung durch Regelenergiekraftwerke bereitgestellt werden musste. Unsere Untersuchungen und Berechnungen lassen auf einen positiven Zusammenhang zwischen Einspeisemanagement-Umfang und Regelzonensaldo (positiver Regelzonensaldo entspricht einer „Unterdeckung“ der Regelzonen) schließen. Der Einfluss von Einspeisemanagement auf kurzfristige Strompreise und Regelenergie während der vergangenen ein bis zwei Jahre ist deutlich nachzuweisen. Unsere Analysen deuten auch darauf hin, dass die Eingriffe der Netzbetreiber im Rahmen des Einspeisemanagements signifikanten Einfluss auf das Marktgeschehen haben. Dies erscheint eigentlich auch nicht überraschend, da Kraftwerksausfälle schon lange als Preistreiber bekannt sind. Einspeisemanagement ist im Grunde nichts anderes, nur mit mehreren tausend MW in viel größerem Umfang als herkömmliche Kraftwerksausfälle. Der Entwurf – Leitfaden zum Einspeisemanagement Version 3.0 bringt mit den Vorschlägen potentiell mehr Klarheit in den zukünftigen Prozess zur Koordination von Engpassmanagement und auch zur Nachbeschaffung fehlender Energiemengen. Eine der drei formulierten, möglichen Vorgehensweisen sieht die Nachbeschaffung durch den Netzbetreiber vor, ein anderer durch den Bilanzkreisverantwortlichen. Spannend bleibt, auf welchen Märkten die Einspeisemanagement- Eingriffe Spuren hinterlassen.

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Dr. Constantin Junk, Experte für die Modellierung von Einspeisemanagement bei EWC

Mit der Einspeisemanagement-Prognose erstellt EWC mittels proprietärer Prognose-Technologie eine Vorhersage über die Abschaltung Erneuerbarer Energien im Rahmen des Einspeisemanagements. Mittels eigener Leistungsprognosen für die relevanten Erzeugungseinheiten, Lastsimulationen in betroffenen Netzen und einer Netzsimulation wird das Netzengpassmanagement antizipiert, welches zur Abregelung von Leistung führt. Der EinsMan-Monitor bietet Informationen über die Abschaltung Erneuerbarer Energien im Rahmen des Einspeisemanagements in Echtzeit. Hierzu kombiniert EWC Erkenntnisse aus der eigenen Prognose Erneuerbarer Energien mit Veröffentlichungen über das Netzengpassmanagement.

Das Produkt ist als Gebrauchsmuster (DE 20 2017 100 343.4) geschützt und wurde von EWC zudem zum Patent (DE 10 2017 101 265.6) angemeldet.