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< Kapazitätsmärkte – Politischer Entscheidungs- und Handlungsbedarf
29.07.2013 11:34 Alter: 11 yrs
Kategorie: Nachhaltigkeit

Wohin entwickelt sich die Europäische Energiepolitik?

Die europäische Energiepolitik muss endlich in den Dienst von Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze gestellt werden und für niedrige Preise sorgen. Das ist die Meinung von Herbert Reul, Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament.


Die Energiepolitik muss sicherstellen, dass Energie sicher verfügbar, für Verbraucher und Industrie bezahlbar und für die Umwelt möglichst schonend erzeugt wird. Dies gilt auch für die Energiepolitik der Europäischen Union. In den letzten acht Jahren wurde die europäische Energiepolitik vor allem von zwei Vorhaben geprägt: der Schaffung und Vollendung des europäischen Energiebinnenmarktes und den Bestrebungen, weltweit Vorreiter für den Klimaschutz zu sein. Dabei sind Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit zunehmendin den Hintergrund gerückt, und der Umwelt- bzw. Klimaschutz ist zum dominierenden Aspekt der europäischen Energiepolitik geworden.

Langsam zeigt sich deutlich, dass diese Prioritätensetzung einseitig war. Acht führende Energieunternehmen Europas haben in einer Erklärung an die EU-Staats- und Regierungschefs zur Wiederbelebung einer europäischen Energiepolitik aufgerufen. Angesprochen wurden u. a. fehlende langfristige Perspektiven und regulatorische Unsicherheit die zu einem schlechten Klima für Investitionen in der Energiewirtschaft führen. Darunter leiden auch Versorgungssicherheit, Beschäftigung und das viel geforderte Wachstum, also die notwendige Wiederbelebung der europäischen Wirtschaft. Europa verliert wirtschaftlich an Boden, nicht zuletzt wegen der unverhältnismäßig hohen Energiepreise. Deutschland hat schon jetzt Strompreise am oberen Ende der sozialen und industriepolitischen Akzeptanz.

Diese Entwicklung ist höchst problematisch, und deshalb war es nur eine Frage der Zeit, dass sich auch die Staats- und Regierungschefs der EU mit diesem Thema auseinandersetzen. Beim Europäischen Rat am 22. Mai 2013 haben sie mit ihrer Schlussfolgerung die Energiepreise endlich in den Mittelpunkt der Debatte gerückt. Dieses Datum könnte ein Wendepunkt in der europäischen Energiepolitik gewesen sein, nachdem zu lange Klimaschutz das dominierende Element war.

Die grundlegende Frage wird sein, wie man nach dem Auslaufen des derzeitigen europäischen Energie- und Klimarahmens mit der 20/20/20-Zielsetzung weiter umgeht. Das aktuelle System muss dringend überprüft werden, denn schon jetzt zeigt sich, dass die aktuelle dreiteilige Zielsetzung höchst problematisch ist. So wird derzeit insbesondere der niedrige Preis der Emissionshandelszertifikate beklagt, der ein Produkt des Erfolgs der anderen Maßnahmen ist. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Steigerung der Energieeffizienz tragen zu dem niedrigen Zertifikatepreis maßgeblich bei. Es ist schließlich logisch, dass wenn vermehrt konventionelle Erzeugung durch emissionslose Erneuerbare ersetzt wird, die Nachfrage nach Emissionszertifikaten sinkt. Der Markt zeigt dass er funktioniert, und der Emissionshandelspreis ist eine Folge des Erfolgs bei den anderen Zielen. Leider wurden diese Wechselwirkungen bei der Einführung des Handelssystems nicht berücksichtigt. Nun will man den Preis durch einen Eingriff in den Markt künstlich in die Höhe treiben, obwohl man besser direkt das gesamte System in seinen Strukturen reformieren müsste.

Ein erster Schritt dazu ist getan. Die Europäische Kommission hat im März das Grünbuch über einen Klima- und Energierahmen bis 2030 vorgelegt. Damit haben die Diskussionen um die künftige Zielstruktur der europäischen Energiepolitik endgültig begonnen. Welche Ziele brauchen wir auf europäischer Ebene? Ist es sinnvoll drei gleichberechtigte Ziele für Klimaschutz, Erneuerbare Energien und Energieeffizienz zu haben, oder reicht auch eins, dass dann im Zweifel gilt, um die Wechselwirkungen zu beschränken? Dafür muss man das System im Gesamtkontext betrachten. Dass beispielsweise das europäische Emissionshandelssystem strukturell reformiert werden muss, ist eindeutig. Es muss besser auf wirtschaftliche Auf- und Abschwünge reagieren können. Gleichzeitig sollten die Wechselwirkungen mit anderen Politikinstrumenten wie dem Ausbau der Erneuerbaren Energien oder der Steigerung der Energieeffizienz hinreichend berücksichtigt werden. Und auch die Förderung der Erneuerbaren Energien muss überprüft werden.

»Im Sinne des europäischen Energiebinnenmarkts und einer effizienten Förderung der Erneuerbaren Energien muss die Richtung zu einem einzigen europäischen Fördersystem für Erneuerbare Energien gehen.«

Dass das deutsche EEG unnötig teuer ist und viele Nebenwirkungen hat, ist hinreichend bekannt. Und Erneuerbare Energien sind bei weitem keine Nischentechnologie mehr. Es wird der Zeitpunkt kommen, an dem die europäische Ebene die nationalen Förderungen von Erneuerbaren Energien wie durch das EEG auch als das eingestuft werden was sie letztendlich sind: Staatsbeihilfen. Und ob 170 unterschiedliche Förderarten für einen 20-prozentigen Anteil an der Energieversorgung wirklich sinnvoll sind, ist schon heute nicht nur wettbewerbsrechtlich mehr als fragwürdig.  Denn solch eine Subventionierung ganzer Branchen auf nationaler Ebene darf kein Dauerzustand sein. Die Probleme der deutschen Solarindustrie (kürzlich erklärte auch Siemens seinen Ausstieg) sind durch die hohen Subventionen auch hausgemacht, und haben bei einer rasant entwickelnden Technologie dazu beigetragen, dass Forschung und Weiterentwicklung oft vernachlässigt wurden. Im Sinne der beteiligten Marktakteure bringt eine europaweite Förderung nach einheitlichen Kriterien viele Chancen. Dann könnte bald nicht nur auf jedem sechsten deutschen Dach, sondern auch auf einer beträchtliche Anzahl Dächer in den sonnenverwöhnten Ländern Sonnenstrom produziert werden. Es ist schließlich keine neue Erkenntnis, dass Sonnenenergie dort am billigsten und effektivsten ist, wo viel Sonne scheint. Für Wind ist das ähnlich. Zugleich ist klar, dass Erneuerbare Energien ohne Reservekapazitäten nicht möglich sind. Kohle, Gas und auch Kernenergie werden weiterhin eine wichtige Rolle in Europa spielen. Und insbesondere Gas wird zunehmend noch wichtiger. Die Schiefergasrevolution in den USA, die dort massiv die Energiepreise senkt, betrifft auch Europa. Und in Europa werden auch große Gasvorkommen in Schiefergesteinen erwartet. Energieversorgungssicherheit heißt auch, Schiefergas in Europa nicht zu verbieten. Die Umweltstandards müssen selbstverständlich hoch sein, aber ein Verbot solch einer neuen revolutionären Technologie wäre Gift für die europäische Wirtschaft und die Energieversorgungssicherheit. Dies sind nur ein Teil der Punkte, die bedacht werden müssen. Wenn wir in Europa Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit wollen, wenn wir die europäische Industrie erhalten und stärken wollen, dann muss die bisherige europäische Energiepolitik auf den Prüfstand. Der Klimaschutz darf nicht zu Lasten von Arbeitsplätzen und Wohlstand gehen, insbesondere wenn der Rest der Welt es damit nicht so genau wie wir Europäer nimmt.