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< Netzentwicklungsplan Gas: Instrument für Marktentwicklung?
11.12.2015 11:39 Alter: 8 yrs
Kategorie: Klimaschutz

Versorgungssicherheit im deutschen Gasmarkt

Deutschlands System der Erdgasversorgung gehört zu den sichersten der Welt. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass wir auch kritische Situationen beherrschen können. In einer vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) beauftragten Studie untersuchten die BBH und BBH Consulting im Jahr 2015 gemeinsam mit Prof. Müller Kirchenbauer (TU Berlin) „Möglichkeiten zur Verbesserung der Gasversorgungssicherheit und der Krisenvorsorge durch Regelungen der Speicher (Strategische Reserve, Speicherverpflichtungen), einschließlich der Kosten sowie der wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Markt“. Marcel Malcher, Vorstand Becker Büttner Held Consulting AG informiert als Autor zu wesentlichen Aussagen dieser Studie.


Foto: Enno Kapitza

Wie sicher ist die deutsche Gasversorgung? Welche Szenarien sind denkbar, in denen die Versorgungssicherheit in Deutschland nicht gewährleistet ist? Mit welchen Maßnahmen kann man unterschiedlichen Krisenszenarien vorbeugen? Was kosten diese Maßnahmen und wie könnten sie konkret ausgestaltet werden? Wie sind andere europäische Staaten das Thema angegangen? Und last but not least: welche Auswirkungen hätte die Umsetzung der unterschiedlichen Maßnahmen auf den deutschen Gasmarkt und seine Akteure?

Anlass zur Untersuchung des Themas „Versorgungssicherheit im deutschen Gasmarkt“ ist eine auf vielen Ebenen und aus vielen Blickwinkeln von unterschiedlichen Interessensgruppen kontrovers geführte Debatte, ob die Bundesregierung konkrete Maßnahmen einführen sollte, um z.B. einen möglichen Ausfall russischer Liefermengen oder eine unzureichende Verfügbarkeit von Gas aus deutschen Speichern durch gesetzlich vorgegebene Maßnahmen abzusichern.

I. Ist die Angst vor einer Versorgungskrise gerechtfertigt?

Zur Beantwortung der Frage wurde die Situation von Angebot und Nachfrage in Deutschland in Krisensituationen unter verschiedenen Rahmenbedingungen simuliert. Die Ergebnisse bestätigen das auf nationaler Ebene sehr hohe Versorgungssicherheitsniveau. Einzelne Lieferausfälle bzw. Mehrbedarfe können durch Anpassungen alternativer Bezugsoptionen in der Regel kompensiert werden. Die Gasspeicher sind ausreichend dimensioniert, um die Versorgung auch in intensiven Winterphasen oder bei Lieferausfällen sicherzustellen.

Gleichzeitig wurde jedoch deutlich, dass die Füllstände der Speicher von elementarer Bedeutung für die Sicherstellung der Gasversorgung in Krisensituationen sind. So können Lieferausfälle oder extreme Winterphasen nur kompensiert werden, wenn die notwendige Ausspeicherleistung verfügbar ist. Diese wiederum ist aus technischen Gründen von den Füllständen der Speicher abhängig. Sollten die Inhaber von Speicherkapazitäten, anders als bisher, die Speicher deutlich unterhalb der historischen Bandbreiten füllen, so bestünde die Möglichkeit, dass der Gasbedarf nicht zu jedem Zeitpunkt vollständig gedeckt werden kann.

 

 

II. Welche Maßnahmen werden diskutiert, um möglichen Versorgungseng pässen vorzubeugen?

Die speicherbasierten Maßnahmen zur Absicherung von Versorgungsengpässen werden in die Gruppen „Strategische Reserve“ und „Speicherverpflichtung“ unterteilt. Für beide Gruppen wurden im Rahmen der Studie die Möglichkeiten der Umsetzung skizziert, die Kosten abgeschätzt und die Auswirkungen auf den Gasmarkt im Falle der Implementierung bewertet.

 

Es kristallisierten sich drei Maßnahmen heraus, welche sich grundsätzlich in Bezug auf die vorher identifizierten Krisenszenarien zur Vorsorge eignen:

1. Strategische Reserve analog EBV

Diese Maßnahme ist in erster Linie zur Ab sicherung gegen den politischen Krisenfall und den Ausfall russischer Liefermengen geeignet. Das Gas würde von einem zu gründenden Verband in neu zu erschließenden Kavernen für einen langen Zeitraum gelagert und käme nur im erklärten Fall einer Krisen situation zum Einsatz.

2. „Kleine strategische Reserve“ – Zugriff durch Fernleitungsnetzbetreiber (FNB)

Die kleine strategische Reserve nutzt bestehende Speicherkapazitäten, um ebenfalls Gas ausschließlich für einen möglichen Krisenfall einzulagern. Einsatzbereich ist das kurzfristige Abfedern von Bedarfsspitzen in Kälteperioden bei füllstandsbedingt niedrigen Ausspeicherraten. Das Gas gelangt in der Krisensituation in Form von Regel- bzw. Ausgleichsenergie in den Markt.

3. Speicherverpflichtung für alle Bilanzkreisverantwortlichen

Diese Maßnahme verpflichtet die BKVs, Speicherkapazität zu erwerben und zu festgelegten Zeitpunkten vorgegebene Füllstände dieser Kapazitäten zu gewährleisten. Die Maßnahme dient zur Sicherstellung der notwendigen Ausspeicherleistung über den ganzen Winter. Die Umsetzung dieser Maß nahme ist hinreichend komplex und die Auswirkungen auf den Markt sind immens.

III. Fazit und nächste Schritte

Die Versorgungssicherheit in Deutschland ist durch die bestehende Infrastruktur im aktuellen Marktumfeld gewährleistet. Versorgungskrisen können jedoch im Falle politisch bedingter Lieferausfälle im großen Umfang oder extrem niedriger Speicherfüllstände auftreten. Das BMWi wird auf Basis der Studie und von Diskussionen mit Marktteilnehmern eine Entscheidung treffen, ob und in welchem Umfang Maßnahmen zur Erhöhung der Ver sorgungssicherheit im deutschen Gas markt ge troffen werden. Diese Entscheidung wird, egal, wie sie im Detail ausfällt, Auswirkungen auf Gaslieferanten und Endkunden in Deutschland haben.

Die Implementierung einer Speicherverpflichtung scheint dabei aufgrund der starken Eingriffe in den Markt und des hohen administrativen Aufwands eher unwahrscheinlich zu sein. Ebenso ist in den Workshops mit dem BMWi der Eindruck entstanden, dass die strategische Reserve analog EBV, wie von Bayern gefordert, nicht unter den favorisierten Maßnahmen rangiert. Im ersten Schritt setzt das BMWi offensichtlich zunächst auf alternative Maßnahmen wie der Anpassung des regulatorischen Rahmens bzw. des Energiewirt schaftsgesetzes.

Ob eine kleine strategische Reserve, wie von den FNB vorgeschlagen, ein geführt wird, bleibt abzuwarten. In diesem Fall müss ten sich Gas liefer anten darauf einstellen, dass der Aufbau der Reserve über die FNBs bzw. die Markt gebiets verantwortlichen erfolgt und die Kosten in Form von Umlagen an die Bilanzkreis verantwortlichen weitergereicht werden.

Ergänzt wird die Diskussion durch den aktuellen Vorschlag vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) vom 11. November 2015 für ein Gasreserve-Modell zur Stärkung der Versorgungssicherheit und Weiterentwicklung der Entgeltsystematik.

Dieser Vorschlag zielt auf die Sicherstellung der Gasversorgung in Extremsituationen und das Modell ermöglicht zielgenaue Anpassung an den regionalen Bedarf. Ein weiterer Beitrag der Gasbranche, um sich weiterhin intensiv in die Debatte um die Gasversorgungsicherheit in Deutschland einzubringen.

Weitere Informationen zur Studie:

http://www.bmwi.de/DE/Mediathek/publikationen

oder www.@bbh-beratung