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20.08.2012 16:34 Alter: 12 yrs
Kategorie: Transformation

Umbau der Energieversorgung

Weder das Geld der Stromverbraucher verschwenden, noch auf Dauer die Wirtschaft belasten.


Bundesumweltminister Dr. Norbert Röttgen (Foto: Thomas Koehler)

Herr Minister, im Jahr 2050 soll aus deutschen Steckdosen überwiegend Strom aus Wind und Sonne fließen. Wie schätzen Sie den aktuellen Stand zum Umbau der Energieversorgung ein?

Der Umbau der Energieversorgung folgt einem schlüssigen Gesamtansatz. In 40 Jahren soll unser Strom zu mehr als 80 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen kommen. Und der Ausstoß an Kohlendioxid soll dann mindestens 80 Prozent unter dem des Jahres 1990 liegen. Dies sind ambitionierte Ziele und eine Aufgabe, die nur im Zusammenwirken aller beteiligten Akteure zu lösen ist. Und nur gelingen kann, wenn die Energiewirtschaft und die Verbraucher einbezogen werden. Der Netzausbau ist ohne Frage ein Schlüsselthema. In den kommenden Jahren müssen mehrere tausend Kilometer Stromleitungen gebaut werden, um die Aufnahme von Strom aus Windparks, Solaranlagen und anderen Kraftwerken aufzunehmen. Denn der Knackpunkt ist nun einmal die Versorgungssicherheit. Und Strom muss bezahlbar bleiben, für unsere Industrie und private Haushalte. Die Energiekosten dürfen nicht aus dem Ruder laufen. Dies müssen wir auf dem Weg zu unseren ökologischen Zielen stets im Auge haben.

Inzwischen werden 20 Prozent des Strombedarfs in Deutschland aus erneuerbaren Energien gedeckt. Dieser erreichte Stand ist gut, zeigt aber weitere Handlungsfelder auf. Im Jahr 2011 wurden nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) über 13 Milliarden an die Erneuerbaren gezahlt, durchaus eine sinnvolle Förderung. Aber zugleich gilt es, die Balance zwischen einem schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien auf der einen und einer wirtschaftlichen und sicheren Energieversorgung auf der anderen Seite zu finden. Wir stehen heute vor der Aufgabe, erneuerbare Energien stärker am Markt zu orientieren. Die Regierung hat ein riesiges Gesetzespaket beschlossen, das wir jetzt abarbeiten, vom Netzausbau über die Gebäudesanierung, die Förderung der Offshore- Windenergie bis zur Förderung der Kraft- Wärme-Kopplung. Man kann sehen, die Energiewende ist in vollem Gang.

Das Energiewirtschafts- und das Netzausbaubeschleunigungsgesetz sind auf den Weg gebracht. Wie geht es jetzt mit dem Netzausbau zur Aufnahme der Erneuerbaren weiter? 

Nach der Verabschiedung der Gesetze stehen weitere Schritte an, um Planungen zu beschleunigen und Investitionshemmnisse zu beseitigen. So werden die vier Netzbetrieber und die Bundesnetzagentur bis zum Sommer einen Netzentwicklungsplan für die kommenden zehn Jahre vorlegen. Notwendig ist vor allem, dass künftig der Zeitraum für Planung und Genehmigung nur vier statt bisher zehn Jahre andauert. Damit Planfeststellungsverfahren für länderübergeifende Leitungen künftig auf Bundesebene erfolgen, wird das Bundeswirtschaftsministerium bis Ende 2012 eine entsprechende Verordnung vorlegen. Im Sommer 2012 werden die Verfahren zur Genehmigung von Stromleitungen bundesweit vereinheitlicht, damit wird eine Forderung der Energiewirtschaft erfüllt. Und noch im ersten Halbjahr 2012 soll die Haftung der Übertragungsnetzbetreiber beim Anschluss von Offshore- Windparks neu geregelt werden, um Investitonen zu erleichtern.

Noch ein Wort zum Netzausbau: Wie sehen Sie die Umweltauswirkungen beim Ausbau in Richtung Höchstspannungsnetze?

 Beim Ausbau der Höchstspannungsnetze dürfen die Umweltaspekte nicht vernachlässigt werden. Um keine Zeit zu verlieren, bereiten wir die Umweltuntersuchungen heute schon vor. Die Bundesnetzagentur als zuständige Behörde hat alle Umwelt- und Gesundheitsbehörden des Bundes und der Länder sowie zusätzlich Umwelt- und Industrieverbände aufgerufen, uns bei der Festlegung des Verfahrens für die Umweltprüfungen zu beraten und aktiv zu unterstützen. Besonders wichtig ist uns im künftigen Verfahren eine enge Kooperation mit den Landesbehörden. Bei den künftigen Abwägungen werden wir auch die Unterschiede der technischen Eigenschaften von Erdkabeln und von Freileitungen berücksichtigen müssen. So zeichnen sich die Freileitungen dadurch aus, dass sie vom Wind gekühlt werden, was bei Starkwind für zusätzliche Transportkapazitäten sorgt. Hier erhoffen wir uns auch von den Erdkabel- Pilotprojekten nach dem Energieleitungsausbaugesetz wertvolle Erkenntnisse. 

Die Ergebnisse der Umweltprüfungen sind von den Übertragungsnetzbetreibern bei ihren Planungen entsprechend zu berücksichtigen. Sobald die Übertragungsnetzbetreiber den Entwurf des Netzentwicklungsplans veröffentlichen, werden die ersten Umweltuntersuchungen durch die Bundesnetzagentur gestartet. Der Entwurf eines ersten Netzentwicklungsplanes ist der Bundesnetzagentur im Sommer 2012 vorzulegen. Im Anschluss werden der Umweltbericht und der Entwurf des Netzentwicklungsplans parallel öffentlich konsultiert. Denn die gesellschaftliche Akzeptanz für die Energiewende ist eine nicht zu unterschätzende Größe. Bürger und Verbände wollen mitreden und nutzen ihre rechtlichen Einflussmöglichkeiten. Aktive Bürgerbeteiligung durch kommunizieren statt ignorieren wird den Akzeptanzprozess entscheidend befördern.

Sie haben Ende Februar mit Bundeswirtschaftsminister Rösler eine gemeinsame Position der Bundesregierung zur Photovoltaikvergütung und zur EU-Energieeffizienzrichtlinie vorgelegt. Aus welchem Anlass? 

Im Lande wird seit längerem darüber diskutiert, dass die derzeitige Ausbaugeschwindigkeit bei der Photovoltaik das wirtschaftlich vernünftige Maß überschreitet. Immerhin geht die Hälfte der Förderung aus der EEG-Umlage an die Photovoltaik, obwohl nur drei Prozent der Stromerzeugung aus der Solarenergie stammen. Nach Expertenmeinung ist es sinnvoller, Mittel vermehrt zum Beispiel zu Windparks umzulenken. Mit ihnen kann der Anteil erneuerbarer Energien schnell und vergleichsweise kostengünstiger gesteigert werden. Sicher mag es in der Branche unpopulär ankommen, auch erneuerbare Energien wie die Photovoltaik müssen sich einer Preisdiskussion stellen. 

Wir wollen weder das Geld der Stromverbraucher verschwenden oder auf Dauer die Wirtschaft belasten und uns Chancen bei anderen Energieträgern verbauen. Mit unserem Vorschlag zur Photovoltaik- Förderung wollen wir die Zubaumenge und die Kosten wirksam begrenzen. Gleichzeitig schaffen wir für die PV-Industrie stabile Rahmenbedingungen, damit sie sich auch in Zukunft auf dem Weltmarkt behaupten kann. Damit setzen wir unseren Weg einer kosteneffizienten Förderung der Photovoltaik fort. So werden mit dem neuen Vorschlag die Vergütungssätze gegenüber 2009 halbiert. Im Hinblick auf das in den letzten beiden Jahren stark gestiegene Ausbauvolumen dient die erneute Anpassung der Förderung vor allem dem Zweck, die EEGUmlage für die Stromverbraucher weiter stabil zu halten und die hohe Akzeptanz der Bevölkerung für die Photovoltaik und für erneuerbare Energien insgesamt zu erhalten. Ziel ist, dass die Photovoltaik schon in einigen Jahren Marktreife erlangt und gänzlich ohne Förderung auskommt.

Als Bundesumweltminister haben Sie vor wenigen Wochen gemeinsam mit BDIHauptgeschäftsführer Dr. MarkusMarkus Kerber nun bereits zum dritten Mal den Deutschen Innovationspreis für Klima und Umwelt 2011 (IKU) verliehen. Warum dieser Preis? 

Der Wettbewerb setzt aus meiner Sicht ein wichtiges gesellschaftliches Zeichen. Wir zeichnen damit herausragende Innovationen aus, die ihren Beitrag zum Klima- und Umweltschutz leisten. Vor dem Hintergrund des Klimawandels und eines dramatischen Verbrauchs endlicher Ressourcen rückt das Zusammenspiel von Ökonomie und Ökologie in den Fokus eines grundlegenden Transformationsprozesses hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Seit 2009 fördert deshalb der Deutsche Innovationspreis Klima und Umwelt (IKU) gezielt Ideen und Neuerungen "made in Germany", die zum Klima- und Umweltschutz beitragen und gleichzeitig den Wirtschaftsstandort Deutschland vorantreiben. Denn zukunftsfähig bleiben wir dann, wenn wir lernen, wirtschaftliches Wachstum mit Umweltschutz und Ressourcenschonung zu verbinden. Die ausgezeichneten Ideen der Preisträger sind uns hierbei Beweis für die Vereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie. Und die deutsche Industrie bietet herausragende technologische Entwicklungen für den Klima- und Umweltschutz. Die Preisträger sind Vorbilder, deren Innovationen unsere Aufmerksamkeit und Förderung verdienen. 

Herr Minister, vielen Dank für das Gespräch.

Bundesumweltminister Dr. Norbert Röttgen, Preisträger Dr. Herbert F. Müller-Roden, CEO/Fels-Werke GmbH und BDI-Hauptgeschäftsführer Dr. Markus Kerber