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10.03.2017 08:15 Alter: 7 yrs

Power to X – Chancen und Risiken der Sektorenkopplung

Der weit überwiegende Teil der Energiewende in Deutschland ist noch zu bewältigen. Aber wie steht es um die Einbeziehung der Verbrauchssektoren Strom, Verkehr und Wärme? Die Sektorenkopplung bietet hier einen interessanten Lösungsansatz auf dem Weg zur weiteren Dekarbonisierung: Mit einer systematischen Vernetzung der bisher gering integrierten Sektoren Strom, Verkehr und Wärme zur Realisierung der Klimaschutzziele, von Synergieeffekten, der Systemintegration von regenerativen Energien sowie des Übergangs in die Stromgesellschaft.


Fotos: Celron

Damit stellen sich zugleich übergreifende Fragen: Mit welchen Chancen und Risiken können durch Sektorenkopplung zusätzliche Klimaschutz- und Energieeffizienzpotenziale erschlossen werden? Mit welchen strategischen Ansätzen können Unternehmen im Energiesektor von der Sektorenkopplung profitieren?

Die Dekarbonisierung in Deutschland tritt auf der Stelle. In den Sektoren Strom, Verkehr und Wärme wurden per Ende 2015 lediglich durchschnittlich 12 % des Bruttoendenergieverbrauchs durch Erneuerbare Energien gedeckt und es stellt sich die Frage, wie die Bundesregierung ihre eingegangenen Klimaschutzziele erreichen will – zumal die Akzeptanz für CCS–Maßnahmen nicht zu erkennen ist. Durch die systematische Vernetzung und Elektrifizierung der Verbrauchssektoren Verkehr und Wärme werden seitens der politisch Verantwortlichen wesentliche Beiträge zur Realisierung der Klimaschutzziele erwartet, indem Erneuerbare Energien verstärkt genutzt und Synergieeffekte realisiert werden.

Expertenbefragung zur Sektorenkopplung

Das Forum für Zukunftsenergien e. V. ist die einzige politisch unabhängige und branchenneutrale Institution der Energiewirtschaft und Energiepolitik im vorparlamentarischen Raum in Deutschland und dient als Plattform für die Information und Kommunikation über die Gestaltung einer nachhaltigen Energiewirtschaft im interdisziplinären, branchenund interessenübergreifenden Diskurs. Im Rahmen dieser Aufgabenstellungen wurden in einer Expertenbefragung die Chancen und Risiken der Sektorenkopplung für den Energiesektor ermittelt. Die repräsentative Erhebung konzentrierte sich auf die Erwartungen von Führungskräften aus Unternehmen im Energiesektor zu Entwicklungen und erfolgversprechendsten Handlungsoptionen im Bereich der Sektorenkopplung. Dazu wurden insbesondere Einschätzungen zur Marktentwicklung, zur Entwicklung der Umfeldfaktoren sowie den unternehmensinternen Handlungserfordernissen analysiert. Mittels web-basierter Online-Befragung wurden Ende 2016 die Einschätzungen von über 500 Führungskräften aus Energie- und Energiedienstleistungsunternehmen ausgewertet.

Wesentliche Fragestellungen zur Sektorenkopplung

Übergreifend ist die Fragestellung nach den Chancen und Risiken für die Unternehmen im Energiesektor infolge der Sektorenkopplung. Von signifikantem Stellenwert sind hier Einschätzungen zur Marktentwicklung, zu wesentlichen Treibern und Trends im Bereich der Sektorenkopplung sowie die Bewertung der Umfeldfaktoren und die Ausleuchtung externer Rahmenbedingungen bzw. -anforderungen. Dies schließt Themen ein wie bspw. Schnittstellen- Fokussierung, zukünftige Leitrollen, Umsetzungshemmnisse als auch den politischen Handlungsbedarf.

Um schlüssige Strategielinien ziehen zu können, ist die Beurteilung der eigenen Unternehmensfaktoren unabdingbar. Die Führungskräfte wurden auch danach befragt, welche Handlungsoptionen besonders Erfolg versprechend sein können hinsichtlich der Ausrichtung auf Technologieschwerpunkte, aber auch welche Umsetzungsstrategie fokussiert wird. Ergebniswirksamkeit, Anreizfaktoren, Optimierungserfordernisse und die künftige Organisationsform sind ebenso wie eine eventuelle strategische Partnerwahl in diesem Kontext signifikante Indikatoren.

Wesentliche Ergebnisse der Expertenbefragung

Als vorrangige Treiber der Sektorenkopplung werden mehrheitlich der Beitrag zum Klimaschutz, die Optimierung der Systemintegration von Erneuerbaren Energien sowie der technologische Fortschritt eingestuft. Mehr als die Hälfte der Befragten erwartet eine Beschleunigung der Energiewende sowie die nachhaltige Senkung der daraus resultierenden Kosten. Sonstige exogene Faktoren (wie z. B. Rechts-, Kunden- oder Wettbewerbsanforderungen) nehmen eine nachgeordnete Position ein. Es ist hervorzuheben, dass insgesamt von 2015 bis 2020 signifikante Steigerungen der beeinflussten Umsatzanteile (+250 %) sowie der Investitionsanteile (+350 %) erwartet werden und über ein Viertel der Befragten realisierbare Gewinnsteigerungen von >10 % prognostiziert.

Sektorenkopplung ist die systematische Vernetzung von gering integrierten energiewirtschaftlichen Sektoren zur Realisierung der Klimaschutzziele, von Synergieeffekten, der Systemintegration von regenerativen Energien sowie des Übergangs in die Stromgesell

Die Bewertung von Sektoren/Unternehmen mit zukünftiger Führungsrolle und wirtschaftlichen Vorteilen durch die Sektorenkopplung zeigt ein eher differenziertes Bild. Die zukünftige Führungsrolle wird vornehmlich regenerativen Stromerzeugern und Strom-/Gas-Infrastrukturanbietern im Strom-/Wärme-Sektor zugeschrieben. Fahrzeughersteller und deren Zulieferer dominieren im Verkehrs-Sektor. Als besonders erfolgskritische Sektorenschnittstelle gilt Strom/Wärme gemäß der Einschätzung von 82 % der Befragten. Für die besonders erfolgversprechenden Technologien wurde keine eindeutige Führungsrolle identifiziert, sondern ein relativ breites Spektrum weniger Leittechnologien ermittelt. Insgesamt besteht eine sehr hohe Korrelation zwischen Wirtschaftlichkeit und Kapazitätsverfügbarkeit.

Bei unternehmensinternen Umsetzungshindernissen werden vielfach spezifische Kosten, Technologie- sowie Digitalisierungsdefizite genannt. Zur Erreichung der Klimaschutzziele wird die Sektorenkopplung mehrheitlich als effektives und effizientes Instrument bewertet. Geteilt ist die Expertenmeinung aber im Hinblick auf die Möglichkeiten zur Akzeptanzsteigerung in der Öffentlichkeit.

Handlungserfordernisse

Unternehmensinterne Maßnahmen zur Intensivierung der Sektorenkopplung konzentrieren sich auf die Strategieanpassung, die Markt-/Wettbewerbsanalyse sowie die Suche nach strategischen Partnern. Als besonders erfolgskritische Kooperationspartner gelten Übertragungs-/Verteilnetzbetreiber im Strom-/ Wärmesektor sowie Fahrzeughersteller im Verkehrs-Sektor.

Weitere vorrangige Handlungserfordernisse betreffen strategische Anpassungen und die Erreichung einer höheren Transparenz der Markt- und Wettbewerbssituation.

Im Unternehmensumfeld wurden mehrheitlich fehlende bzw. unzureichende Rahmenbedingungen durch die Politik/den Regulator als Handlungserfordernisse identifiziert. Als externe Anreize bzw. politische Maßnahmen zur Intensivierung der Sektorenkopplung werden vor allem Abgabenreduzierungen (z. B. EEG-Umlage), direkte Subventionierungen (z. B. Investitionszuschüsse) sowie die Ausweitung des EU-Emissionshandels-Systems (EU-ETS) auf die Sektoren Wärme und Verkehr eingestuft.

Erfolgskritische Hypothesen

Aus den Befragungsergebnissen resultieren folgende Basis-Hypothesen zur erfolgreichen Bewältigung der Herausforderungen durch die Sektorenkopplung:

• Energiewende ist ohne die weitreichenden Klimaschutz-, Systemintegrations- und Innovations-Vorteile der Sektorenkopplung nicht realisierbar;
• Unternehmen mit umfassender „grüner“ Infrastruktur verfügen über deutliche Wettbewerbsvorteile;
• Nutzung der Technologievielfalt eröffnet Marktchancen in vielen unterschiedlichen Anwendungsbereichen und reduziert Risiken durch technologische Abhängigkeiten;
• Sektorenkopplung muss als „Chefsache“ behandelt werden;
• Eigenständige Positionierung des strategischen Geschäftsfelds Sektorenkopplung in Ergänzung zu „klassischen“ Geschäftsfeldern ist ein strategisches Handlungserfordernis;
• Strom-/Gas-Netzbetreiber und Fahrzeug-/Speicher-Hersteller sind besonders erfolgversprechende strategische Kooperationspartner;
• Ergebnisverbesserungen sind durch mittelfristige, signifikante Umsatz- und Gewinnsteigerungspotenziale realisierbar;
• Anreize für die Intensivierung der Sektorenkopplung schaffen Abgabenreduzierungen, Investitionsförderungen sowie die Ausweitung des EU-Emissionshandels-Systems (EU-ETS).

Erfolgskritische Sektorenschnittstellen; Grafik: Celron

Fazit

Zu den wesentlichen Erkenntnissen der Führungskräftebefragung zählt die Bestätigung, dass durch Sektorenkopplung zusätzliche, signifikante Klimaschutz- und Energieeffizienz-Potenziale erschlossen werden können. Bereits heute steht für deren Realisierung ein breites Spektrum möglicher Technologien zur Verfügung.

Wenn die verbleibenden, umfassenden Herausforderungen zur Realisierung der Energiewende bewältigt werden sollen, führt an der Sektorenkopplung kein gesellschaftlicher und unternehmerischer Weg vorbei. Besonders erfolgskritisch sind dabei die Fokussierung auf die wesentlichen Leittechnologien, die strategische Geschäftsfeldentwicklung sowie auch die Einbeziehung komplementärer Kooperationspartner.

Die erfolgreiche Erschließung der Marktchancen durch die Sektorenkopplung erfordert eine individuelle Positionsbestimmung, kurzfristige Richtungsentscheidungen und wirkungsvolle Marktpräsenz durch die in diesem Geschäftsfeld tätigen Unternehmen im Energiesektor.

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Quelle [1]: BMWi - Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
(Hrsg.) (2016): Erneuerbare Energien in Zahlen, Berlin

Entwicklungsstand der Dekarbonisierung nach Sektoren; Grafik: Celron