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23.06.2014 13:38 Alter: 10 yrs

Gemeinsame Zukunft für Gas und Erneuerbare Energien

Gas- und Strominfrastruktur wachsen durch die Energiewende immer stärker zusammen. Konzepte für ein konvergentes Energiesystem liegen vor. Da sich Produktion und Bedarf in einem auf nicht planbaren Erzeugungspfaden gründenden Energiesystem zunehmend voneinander entkoppeln, gerät die Mittel- und Langfristspeicherung sowie hocheffiziente Bereitstellung von Nutzenergie einschließlich intelligenter Abwärmenutzung immer stärker in den Fokus.


Im Interview Dr.-Ing. Walter Thielen, langjähriger Hauptgeschäftsführer Deutscher Verein des Gas-und Wasserfaches e. V. (DVGW).

Herr Dr. Thielen, wo sehen Sie die größten Herausforderungen der Energiewende?

Bereits heute hat die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien eine Größenordnung erreicht, bei der sich eine Überproduktion kri tisch auf die gesamte Stromversorgung auswirken kann. Dies belegen notwendige Ein griffe der Netzbetreiber zur Aufrecht erhaltung der Netzstabilität, die weiter ansteigen und etwa zum Abschalten von Windkraftanlagen führt. Dieses Problem ist lösbar, indem man überschüssigen Strom speichert und so Erzeugung und Verbrauch von Strom zeitlich entkoppelt. Dafür werden künftig große Speicher kapazitäten gefragt sein. Das gilt sowohl für kurzfristige Speicher (Sekunden bis Minuten) als auch für Tages-, Wochen- und ggf. Saisonspeicher. Die Speicher müssen eine hohe Leistung und Kapazität über einen möglichst langen Zeitraum zur Verfügung stellen, dabei nur geringe Verluste aufweisen und wirtschaftlich zu betreiben sein. Ziel ist daher die Schaffung eines sich ergänzenden Energiesystems basierend auf den beiden Säulen Strom und Gas.

Welche Rolle wird Gas im Energiesystem der Zukunft spielen?

Die Nutzung der bestehenden Gasinfrastruktur bietet die große Chance einer ökologisch und volkswirtschaftlich sinnvollen Kombination aus planbarer, sicherer Gasversorgung und volatiler, regenerativer Stromerzeugung. Innovative gasbasierte Speichertechnologien sind hier ein wichtiger Baustein, um das schwankende Angebot aus erneuerbaren Ressourcen wie Sonnen- und Windkraft auszugleichen und Strom verbrauchsabhängig produzieren zu können. Eine Lösung mit großem Potential sehe ich in der Power-to-Gas-Technologie, wo aus regenerativ erzeug tem Überschuss-Strom mittels Elektrolyse Wasserstoff bzw. anschließend synthetisches Methan erzeugt und direkt in die vorhandene Gasinfrastruktur eingespeist wird.

Kann die Power-to-Gas-Technologie die Lösung sein?

Power-to-Gas ist viel mehr als ein Stromspeicher mit einer Option der späteren Wiederverstromung. Mit Power-to-Gas erreicht man das ganze Spektrum effizienter Endanwendungstechnologien, vom klassischen Wärmemarkt über die Strom produktion einschließlich KWK bis hin zur Mobilität und den Einsatz des Gases als Feedstock in der chemischen Industrie. So können mit innovativen Gastechnologien Energieeffizienz und Klimaschutz verbunden werden. Letztlich handelt es sich um eine, durchaus weiter zu verfolgende Lösung.

Auf welchen Gebieten sehen Sie für die deutsche Gaswirtschaft weiteren Forschungsbedarf?

Die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten wurden im Rahmen der DVGW-Innovationsoffensive bereits 2012 neu gebündelt. Im Cluster „Gas im Systemverbund“ untersucht der DVGW die Nutzungskette in der Energieversorgung Deutschlands und bewertet die Rolle innovativer Gastechnologien. Das Forschungscluster „Power-to-Gas“ begleitet die aktuellen Demonstrationsvorhaben, arbeitet weiter an der Absicherung der Wasserstoffzumischrate im Erdgas sowie an Fragen der Messung bzw. Abrechnung von Wasserstoff/Erdgasgemischen. Ein weiteres Thema ist die Erhöhung der Prozesswirkungsgrade, insbesondere bei der Methanisierung, etwa mit CO 2 aus Biogasanlagen. Biogas ist neben Wind und Sonne die einzige grundlastfähige Regenerativenergie. Neue Forschungsansätze ergeben sich auch aus der Bewertung des Gasnetzes im Zusammenhang mit dem Transport von Energie über lange Strecken. Das Gasnetz transportiert heute schon mit rd. 1.000 Mrd. kWh/a annähernd die doppelte Energiemenge des Stromnetzes (ca. 540 Mrd. kWh/a). Zum Thema Smart Grids werden Konvergenzen und Verschaltungen der beiden Verteilnetzstrukturen Strom und Gas untersucht.

Und wie steht es um die KWK-Technologie?

In der Anwendungstechnik sind die Vorteile der KWK-Technologie bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Durch die Änderung der bislang wärmegeführten in eine stromgeführte oder zumindest stromoptimierte Fahrweise kommt der KWK eine aktive Rolle in der Residuallasterzeugung zu.

Dazu sind hocheffiziente KWK-Technologien weiter zu entwickeln, und zwar in allen Leistungsgrößen. Intelligente Konzepte zur Nutzung der Ab wärme (nicht nur für Heizung oder Trink wassererwärmung, sondern auch beispielweise für die Klimatisierung) müssen her, um die Wirkungs- und Nutzungsgrade noch weiter zu erhöhen.

Die technologischen Herausforderungen der Energiewende und das Potenzial für den Energieträger Gas in den unterschiedlichen Anwendungsbereichen wird auch zentrales Thema von Kongress und Fachmesse auf der gat 2014 sein, die der DVGW vom 30. September bis 1. Oktober in Karlsruhe für rund 3.000 Fach- und Führungskräfte der Gasbranche ausrichtet.

Energie macht nicht an Grenzen halt. Wie bewerten Sie den Stand der europäischen Forschungskooperation?

Im Juli 2013 haben wir eine Forschungskooperation mit dem niederländischen Forschungsverbund EDGaR abgeschlossen. Auf der gemeinsamen Konferenz „Gas fuels Europe“ im November 2013 in Brüssel gelang es uns, ein europäisches Forschungsprogramm zu Gasinnovationen und Nachhaltigkeit auf den Weg zu bringen. Mit dem Schwerpunkt, die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Gasversor gungssystems durch die Einführung von Biogas zu gewährleisten. Das Gas der Zukunft wird nicht mehr nur aus Erdgas, sondern aus Biogas und anderen CO 2 -freien Gasen bestehen. Ein klares Forschungsprogramm auf EU-Ebene dazu halte ich mittel- und langfristig für unbedingt erforderlich. Das EU-Rahmenprogramm „Horizon 2020“ bietet hier eine gute Basis.

www.dvgw.de