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< Drei Punkte für eine kosteneffiziente Energiewende
29.07.2013 11:55 Alter: 11 yrs
Kategorie: Nachhaltigkeit

Entscheidungen für den Energiemarkt
der Zukunft stehen an

Der Umbau der Energieversorgung in Deutschland tritt in eine neue Phase. Vor der Gesellschaft und speziell der Energiewirtschaft stehen Herausforderungen, die als Gestaltungsaufgabe für die Politik unmittelbar nach der Bundestagswahl zu verstehen sind. Zu Ergebnissen des kürzlich beendeten BDEW-Kongresses sprach ThemenMagazin Energie mit Ewald Woste, Präsident des Bundesverbandes der Energie-und Wasserwirtschaft (BDEW).


Herr Woste, ist der diesjährige BDEW-Kongress seinem Motto „Märkte und Systeme im Umbruch“ gerecht geworden?

Mehr als 1500 Teilnehmer aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft fühlten sich vom Motto des Kongresses angezogen, denn die Gestaltung eines tragfähigen Energiemarktes der Zukunft ist heute das dominierende Thema. Wir wollten die notwendigen neuen Aufgaben für Erneuerbare und konventionelle Energieerzeugung auf dem Kongress mit allen Akteuren der Energiewende diskutieren. Spitzenpolitiker der im Bundestag vertretenen Parteien haben auf dem Kongress ihre Konzepte vorstellen können und sich den Fragen der Kongressteilnehmer gestellt.

Das derzeitige Energiesystem und das, was es garantiert – eine den klimapolitischen Zielen verpflichtete, wirtschaftliche und sichere Energieversorgung – steht durch den starken Zubau an Erneuerbaren Energien vor großen Umbrüchen. Bereits heute ist die wirtschaftliche Lage vor allem im Erzeugungsbereich für viele unserer Mitgliedsunternehmen sehr schwierig. Immer häufiger erweisen sich Geschäftsmodelle als nicht mehr tragfähig. Viele Kraftwerke in ganz Deutschland sind nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben. Es wird immer offensichtlicher, dass das heutige Marktdesign an seine Grenzen kommt.

Wir erwarten nach der Bundestagswahl von der Bundesregierung, egal wie sich diese zusammensetzt, sehr bald Antworten und Entscheidungen zur Entwicklung eines tragfähigen Energiemarktes. Die Branche hat bereits Lösungsvorschläge unterbreitet und wird diese wo nötig weiter konkretisieren. Orientierungsgröße bleibt für uns das Zieldreieck von Bezahlbarkeit, Versorgungssicherheit und Klimaschutz.

 

Wird es für die neue Bundesregierung eine Schonfrist geben?

Die Möglichkeit einer Schonfrist für die neue Bundesregierung sehen wir nicht. Im Gegenteil, die wichtigen Fragen sind alle benannt und auch bekannt und die Zeit drängt.  Für die Energiewirtschaft sind es wesentliche Aufgaben, die nach der Bundestagswahl von der Politik für ein erfolgreiches Gelingen der Energiewende zügig angegangen und schrittweise umgesetzt werden müssten. Entscheidend ist eine bessere Koordination zwischen Bund und Ländern sowie ein vernünftiges Projektmanagement. Denn die Qualität des Projektmanagements entscheidet über Erfolg oder Misserfolg der Energiewende. Der Gesetzgeber hat in den vergangenen Jahren permanent in den Markt eingegriffen, ohne das eine klare Linie des Handelns erkennbar gewesen wäre. Diese ständigen Änderungen der Rahmenbedingungen haben Unternehmen und Investoren stark verunsichert. Es müssen nun wieder unternehmerische Handlungsspielräume geschaffen werden, damit neue Geschäftsmodelle entstehen können und die Gleichrangigkeit der drei energiepolitischen Ziele wieder hergestellt wird. Für die Weiterentwicklung des konventionellen Marktsystems hat der BDEW der Politik als Übergangslösung die Strategische Reserve vorgeschlagen. Sie soll als marktnahes Instrument kurzfristig die Versorgungssicherheit gerade bei extremen Witterungsverhältnissen sicherstellen. Darüber hinaus geht es um die langfristige Weiterentwicklung des heutigen, durch den Ausbau der EE beschleunigten Bedarf eines neuen Marktdesigns der Zukunft. Wir müssen ein Modell entwickeln, das den von uns gewünschten Ausbau der Erneuerbaren Energien ermöglicht, dabei bezahlbar bleibt und den Strom so zuverlässig wie bisher rund um die Uhr bereit stellt.

Wie steht der BDEW zum Reizthema der Förderung Erneuerbarer Energien?

Hier hat der BDEW erste Anforderungen an die Entwicklung der Erneuerbaren Energien erarbeitet. Drei Dinge sind für eine Reform der Erneuerbaren-Förderung auf jeden Fall essentiell: Zunächst sollte eine verpflichtende Direktvermarktung für alle neuen Anlagen eingeführt werden. Zweitens sollte es einen koordinierten Ausbaupfad von Bund und Ländern geben. Und drittens brauchen wir stärkere Steuerungselemente beim Ausbau der Erneuerbaren Energien auch vor dem Hintergrund, dass wir zukünftig die Gesamtkosten stärker begrenzen und schneller bei Fehlentwicklungen reagieren müssen. Diese Ziele sollen durch ein konkretes Zielmodell umgesetzt werden.

Der Bundesrat hat vor wenigen Tagen das Bundesbedarfsplangesetz verabschiedet. Geht es jetzt mit dem Netzausbau in Deutschland voran?

Mit dem klaren Bekenntnis zum Netzausbaubedarf, der Bündelung der Genehmigungskompetenz für grenz- und länderüberschreitende Maßnahmen bei der Bundesnetzagentur sowie der Etablierung des Bundesverwaltungsgerichts als erste und letzte Instanz für diese Vorhaben kann nun der Rechtsweg für die wichtigsten Projekte verkürzt werden. Gleichzeitig wird aber das Interesse der Bürger an einer Beteiligung gewahrt. Damit ist es möglich, dass der Netzausbau auf der Höchstspannungsebene mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien doch noch Schritt halten kann.

Wir sehen aber auch die Auswirkungen der Netzintegration der Erneuerbaren Energien insbesondere auf die regionalen Verteilnetze. Für deren Um-und Ausbau sind erhebliche Investitionen notwendig. Die Regulierungspolitik muss für den notwendigen Aus- und Umbau der Netzinfrastruktur angepasst werden. Es gilt, zum Beispiel den noch bestehenden Zeitverzug bei der Anerkennung von Investitionen in die Nieder- und Mittelspannungsebenen zu beseitigen. Auch sollten in Zukunft Investitionen und der Aufbau einer Smart-Grid-Infrastruktur entsprechend anerkannt werden.

Wird bei der Diskussion über Strom der Wärmemarkt außen vor gelassen?

Der Wärmemarkt als bedeutender Faktor bei der Realisierung der energie- und klimapolitischen Ziele muss einfach stärker in den Mittelpunkt rücken. Die Bundesregierung will hier fast die Hälfte der angestrebten Reduzierung der KohlendioxidEmissionen erreichen. Immerhin 40 Prozent des Endenergieverbrauchs und etwa ein Drittel der CO2-Emissionen in Deutschland entfallen auf den Wärmemarkt. Rund zwei Drittel der Heizungsanlagen im Gebäudebestand sind nicht auf dem Stand der Technik. Das CO2- Minderungs- und Energieeinsparpotenzial ist dementsprechend hoch.

Gerade Erdgassystemlösungen wie die Erdgasbrennwerttechnik spielen hier eine Schlüsselrolle. Sie sind der Treiber für schnelle, wirksame und bezahlbare CO2-Absenkungen und Effizienzsteigerungen im Bestand. Gasbasierte Heizungstechnologien bieten die günstigsten CO2 -Vermeidungskosten und stellen damit eine effiziente Form des Klimaschutzes dar. Erdgas ist somit ein Ermöglicher der Energiewende, nicht nur im Wärmemarkt. Daneben bieten natürlich Wärmeerzeuger auf Basis von regenerativ erzeugtem Strom hohe CO2 -Einsparpotenziale.

»Wir müssen ein Modell entwickeln, das den von uns gewünschten Ausbau der Erneuerbaren Energien ermöglicht, dabei bezahlbar bleibt und den Strom so zuverlässig wie bisher rund um die Uhr bereit stellt.«

Welche Eindrücke bleiben für den BDEW vom Treffen der Europäischen Energieminister Ende Mai?

Die EU-Energieminister haben zwar die Vollendung des europäischen Energiebinnenmarktes betont, wesentliche Impulse ist das Treffen aber schuldig geblieben. So hat man sich nicht für ein zügiges Ende der in einigen Mitgliedstaaten der EU faktisch immer noch vorherrschenden staatlichen Regulierung der Energiepreise ausgesprochen.  Die Strom- und Gaspreise werden in einigen EU-Mitgliedsländern noch immer durch staatlich verordnete Deckel reglementiert und so dem Markt entzogen. Auch die Marktkonzentration ist in einigen Mitgliedstaaten noch immer sehr hoch. So liegt der Marktanteil des jeweils größten Stromerzeugers in einigen EU-Staaten noch immer bei weit über 70 Prozent (Deutschland: 28 Prozent). Beim Erdgasvertrieb dominiert in vielen EU-Staaten weiterhin ein einzelner Anbieter den Markt mit Anteilen zwischen 50 bis zu 100 Prozent (Deutschland: 9 Prozent). Auch die in einer Reihe von europäischen Staaten diskutierte Einführung von nationalen Kapazitätsmechanismen läuft dem Ziel eines integrierten europäischen Marktes zuwider. Kapazitätsmechanismen dürfen nicht dazu führen, dass nationale Märkte abgeschottet werden oder Nachteile für Nachbarstaaten entstehen. Im Sinne eines funktionierenden Binnenmarktes sind grenzüberschreitende Lösungen immer nationalen Interventionen vorzuziehen. Nach unserer Auffassung kann die Vollendung des Europäischen Binnenmarktes entscheidend dazu beitragen, dass die Energieversorgung für Bürger und Industrie auch in Zukunft bezahlbar bleibt. Entscheidend ist es darüber hinaus, die Diskussion über die verbindliche Festlegung eines ambitionierten, EU-weiten Emissionsminderungsziels für das Jahr 2030 zu beginnen. Nur ein solcher verlässlicher Rahmen wird die Investitionen auslösen, die zur Erreichung der Klimaschutzziele notwendig sind.

Wir danken für das Gespräch.
www.bdew.de